Sonntag, 4. Mai 2014

Samurai Spirit in Siegen

Anfang Mai 2014 lud das Bushido Dojo Siegen zu einem Karate-Event mit dem vielversprechenden Namen Samurai Spirit Seminar nach Siegen ein. Torsten und ich folgten der Einladung gerne, auch wenn ich selber leider wegen des Trainings in der eigenen Karateschule nur an zwei Einheiten des Seminars teilnehmen konnte.

Bei den Trainern, die uns den Geist der Samurai näher bringen sollten, handelte es sich um keine geringeren, als unseren Bundestrainer Sensei Thomas Schulze (5. Dan) und seinen langjährigen Ausbilder, den aus Johannesburg stammenden Shihan Malcolm Dorfman (8. Dan).

Bereits am Freitagabend freuten sich die Ausrichter über eine gut gefüllte Halle - mit rund 90 Teilnehmern verschiedener Graduierungen deutete sich schon in der ersten Einheit an, das das Seminar ein echter Trainingsmagnet werden würde.

Ich war zunächst davon ausgegangen, dass ich ausschließlich die Einheit am Freitag würde besuchen können, da am Samstag zahlreiche kleine Pandas, Füchse und Tiger in der eigenen Karateschule darauf warten sollten, von mir unterrichtet zu werden. Umso größer war daher meine Freude darüber, dass wir bereits am Freitagabend das Vergnügen hatten, von beiden Senseis unterrichtet zu werden.

Malcolm Shihan hat eine unglaublich motivierende und sympathische Art, seine Karatelehre zu vermitteln. Er hielt uns am Freitagabend zunächst einen kleinen Vortrag über verschiedene Karateverbände, -stile und Trainingsmethoden und darüber, dass sie letztlich alle dasselbe Ziel hätten: Den eigenen Körper zu einer wirkungsvollen Waffe auszubilden. Der südafrikanische Großmeister wies darauf hin, dass er sich und seinen Karate-Do nicht über alles stellen wollte, was wir bisher gehört haben. Er wolle uns nur einen Stück von seinem Karate-Weg anbieten und würde sich freuen, wenn uns das etwas weiter bringt.

Viele der Schwarzgurte, die sich bei dem Seminar mit uns inspirieren ließen, hatten auch wie wir schon unzählige Lehrgänge besucht und zahlreichen Meistern gelauscht. Für mich ist ein Karatelehrgang immer dann besonders wirkungsvoll, wenn mir neue Feinheiten vermittelt werden, die sich mit meinem bisherigen Karateweg zu einer Einheit verbinden. Meine wichtigsten Einflüsse hatte ich ganz unbestritten in den letzten Jahren von Sensei Risto Kiiskilä erhalten und daher war es für mich und auch wohl für Torsten sehr interessant und inspirierend, dass auch die Karatelegende vom Südzipfel der Welt ganz ähnlich erklärte, wie unser Meister aus dem hohen Norden!

Wie oft hatten wir schon gehört, dass das hintere Bein durch eine extreme Gewichtsverlagerung zum "Sitzbein" wird? Die Hüfte liegt auch bei Shihan Malcolm "im Oberschenkel" - auch wenn er das etwas anders beschrieben hat. "Compression and expansion" sind das südafrikanische Äquivalent für "Belasten und Benutzen" (Dank an Torsten für diese Ergänzung ;-) ). Auch viele trainingsphilosophische Inhalte hatten wir so oder ganz ähnlich schon gehört!

Nun war es aber kein Risto-Lehrgang, sondern ein Lehrgang mit Malcolm Shihan und Sensei Thomas Schulze. Und so blieb es uns allen auch nicht erspart, trotz vieler Trainingsaspekte, die einige von uns vielleicht auch beinahe "im Schlaf" hätten ausführen können, an den Feinheiten zu arbeiten. Malcolm und Thomas gaben uns spezielle Bewegungsmuster vor, die uns doch dann in der Umsetzung ein großes Maß an Konzentration abverlangten. So wurde nach einer Technik am Partner nicht zunächst das vordere Bein wieder heran gezogen, um in eine erneute Kamae-Haltung zu gehen, sondern immer zuerst das hintere Bein. Die Absicht, die dahinter steckte, passte zu der unabdingbaren Konsequenz und Fokussierung, die uns Malcolm Shihan vermitteln wollte: Nach dem Angriff sollten wir uns auf keinen Fall darauf verlassen, dass der Gegner ausgeschaltet sei - auch bei größter Anstrengung sei es ja möglich, jederzeit von einem Gegenangriff überrascht zu werden. Daher sollten wir durch das weitere Vorgleiten nach dem Angriff den Gegner unter Kontrolle halten und erst anschließend - sozusagen nach Sichergehen des K.O. - in die Kamae-Haltung wechseln.

Da mich das Training der beiden Senseis dermaßen begeistert hatte, beschloss ich kurzer Hand, auch am Samstag noch für eine nur einstündige Einheit den weiten Weg nach Siegen auf mich zu nehmen. Und ich wurde nicht enttäuscht! Zwar war auch diese Einheit wieder eine für alle Graduierungen, Malcolm Shihan gab uns aber direkt anspruchsvolle Kumite-Kombinationen vor, die sogar zahlreiche der Schwarzgurte auch mental ins Schwitzen brachten. Der Grundgedanke war, mit Tai Sabaki auszuweichen: Nach links oder rechts oder auch diagonal dem Angriff entgegen und knapp am Partner vorbei. Dies noch in Verbindung mit den am Vortag gelernten und zum Teil immer noch ungewohnten Bewegungsmustern (speziell: nach dem Angriff zunächst nicht das vordere, sondern das hintere Bein heranzuziehen und den Druck nach vorne zu halten), machten diese eine Trainingsstunde zu einer besonders kniffligen Lektion! Es war sehr beeindruckend, was Malcolm Dorfman in diesen knapp 60 Minuten aus uns herauskitzeln konnte! Drei verschiedene Abläufe, die dann noch mit verschiedenen Fußfeger-Optionen oder Tritten in die Kniegelenke der Gegner ausgebaut wurden - in Verbindung mit höchster Konsequenz beim Konter bis hin zur vollkommenen Kontrolle am Boden. Unsere Arbeit wurde aufgelockert durch Unterweisungssequenzen des Shihan mit seinen Trainingsassistenten Marco und Lars, die zuweilen nicht nur sehr anschaulich, sondern auch unterhaltsam waren, speziell, wenn es um Anspielungen auf die Körperfülle beider Assistenten ging, die beide recht stattlich sind und über reichlich Hara verfügen :-)

Leider hatte ich das Training von Sensei Thomas Schulze am Samstag verpasst. Aber Torsten berichtete mir, dass es auch hier reichlich "Kopfarbeit" gab bei verschiedenen Kumite-Kombinationen. Ich hoffe, dass ich diese Trainingsinhalte im November bei seinem Lehrgang in Münster oder vielleicht schon vorher auf einem anderen Karate-Event zu "spüren" bekomme und nachholen kann.

Unabdingbare Konsequenz unter dem Aspekt des Ikken Hissatsu, des Töten-Wollen-mit einer einzigen Technik - das ist, so kam es für mich über, der Geist des Samurai! Vermutlich muss man im rauen Umfeld von Johannesburg wohnen, um diesen Geist so intensiv in sich aufzunehmen und vielleicht werden wir anderen, die im wohl behüteten Umfeld deutscher (Groß)Städte aufwachsen, ihn nie wirklich nachempfinden können, aber für die Dauer der Trainingseinheiten in Siegen war der Geist wirklich spürbar und Torsten und ich werden versuchen, dieses Gefühl in unserer Karateschule weiter zu geben.