Unser Karatefreund Peter Lampe hatte auch in diesem Jahr den mit uns befreundeten Sensei André Bertel für einen Lehrgang ins westfälische Halle eingeladen. Der Lehrgang sollte Samstag und Sonntag stattfinden. André Sensei reiste bereits am Mittwoch an und Torsten und ich bekamen eine Einladung zu einem exklusiven und internen Dojo-Training mit diesem hochkarätigen Trainer am Donnerstag. In einer Gruppe von ca. 50 Karateka kamen wir in den Genuss einiger vertrauter und auch neuer Bertel-Tools. Unter anderem trainierten wir traditionelles gohon-kumite und André Sensei betonte, dass jede Kumite-Form ihre Bewandtnis habe: Gohon kumite lehrt das Fliehen (escape), kihon ippon kumite lehrt "groundpower" und jiyu ippon kumite vermittelt "compression & expansion". Jiyu kumite kann entweder "um Punkte" ausgeführt werden (rein sportlicher Wettkampf) oder um im Dojo oder bei eher traditionellen Wettkämpfen seine "Skills" zu überprüfen. Im Anschluss an das Training gingen wir noch gemeinsam mit dem Sensei essen. Eher aus Spaß fragte ich unseren Karatefreund Peter: "Was macht Ihr eigentlich morgen (Freitag)?" "Wir fahren nach Köln zum Sightseeing, den Kölner Dom besichtigen und so." "Was wollt ihr in Köln? Kommt doch besser nach Münster! Das ist nicht so weit, hat auch nen Dom und abends kommt ihr zu uns ins Dojo." ....
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Ein wunderbarer Trainingsabend im Fuji San mit Gasttrainer André Bertel Sensei! |
Ich staunte nicht schlecht, als ich Freitagmittag via Messenger eine Nachricht erhielt: "Planänderung! Wir kommen nach Münster! André möchte heute Abend bei Euch ein Training geben. Geht das?" GEHT DAS??? Was für eine Frage! Ich konnte es kaum glauben und meine Freude war unermesslich! Sofort wurden alle interessierten Fujis mobilisiert und wir starteten zunächst ohne den Sensei mit unserer regulären Trainingseinheit. Gegen 18 Uhr kam dann nicht nur der Sensei - sondern auch noch meine zwei lieben Karatefreunde aus Wilhelmshaven, Barbara und Claus! Die hatten sich spontan ins Auto gesetzt, um an diesem besonderen Training teilzunehmen.


Insgesamt waren wir rund 40 Fujis und Freunde, die sich von André Sensei inspirieren ließen! Wir starteten mit Kihon á la Bertel und setzten das quasi im PartnerInnen-Training um. Im Anschluss wurde jede/r von uns nach einer Lieblingskata gefragt und in Gruppen übten alle ihre jeweilige Kata. Der Sensei ging von Gruppe zu Gruppe und gab sehr individuelle Korrekturvorschläge. So ein intensives Training mit individuellen Korrekturvorschlägen face do face - das ist wohl sehr selten und da können sich alle Fujis glücklich schätzen!





Nach dem etwa zweistündigen Training kehrten wir in unser Stammlokal Lido ein und fachsimpelten bei guter, italienischer Küche. Bevor Peter und der Sensei wieder heimfuhren, viel mir ein: Für diesen Tag war ja eigentlich Sightseeing vorgesehen! Und so fuhren wir kurzerhand in die nächtliche Altstadt. Torsten gab - wie immer sehr eloquent und fachlich fundiert - sein historisches Wissen über Münster zum Besten ... Wiedertäufer, Rathaus des Westfälischen Friedens, die Furt, an der Münsters erste Siedlungen ansetzten und vieles mehr. Es war ein sehr kurzweiliger Abend, der in eine unterhaltsame Nacht überging. Erst nach Mitternacht traten Peter und André den Heimweg an.
Am Samstag fand in Halle der erste Teil des Lehrgangs statt. Da ich fast allen TrainerInnen unseres Dojos die Teilnahme am Lehrgang ans Herz gelegt hatte, musste ich im Dojo die Stellung halten auf den ersten Lehrgangstag verzichten! Ich stieß am Samstagabend dazu und konnte mich dann noch über die sehr schöne Abendveranstaltung freuen.
Sonntag morgen starteten wir nach einem Warmup von Torsten mit einer kleinen Drill-Kombination. André Sensei legte Wert darauf, zu unterscheiden, dass ein Drill eben keine realistische Anwendung ist, sondern nur eine Übungsform, um Bewegungsmuster einzuschleifen. Tori griff an mit tsuki chudan, uke machte einen Gleitschritt nach hinten und blockte den tsuki mit dem vorderen Arm (teisho). Dann umsetzen und empi chudan, gefolgt von age empi, tori packen und wegschubsen. Tori greift erneut an, uke dreht sich raus, kontert mit empi, Arm greifen, tori herunterdrücken und konter mit otoshi empi. Insgesamt waren in den PartnerInnen-Übungen des Lehrgangs viele der für Andrés Trainings typische Rotationsbewegungen und -kombinationen wiederzufinden.
Im Anschluss gab es die berühmt-berüchtigte mae-geri-Kombination, bei der uke versuchen sollte, unter dem mae geri herzutauchen. Diese Übung war eine der Spezialtechniken des Meisters Asai, dem Lehrer André Bertels. Wie auch vor einigen Jahren in Krefeld mussten Torsten und ich auch diesmal erfahren, dass wir noch lange nicht über den Meistergrad Asais verfügen und dass diese Technik wohl so schnell noch nicht zu unserem Standardprogramm gehören wird.
Lockerheit in den Armen, peitschenartige Bewegungen, die das Starre aus unseren Körpern lösen sollten und durch Schleudern und Schnappen und Ausnutzen der Zentrifugalkraft für effektive Techniken sorgen - das sind weitere typische Merkmale á la Bertel! Wir übten dieses Schwerpunktthema an unseren PartnerInnen, in dem wir mit großem Schwung der Arme Techniken wie washide oder kumade auf den oberen Teil des Karate-Gi unseres Gegenübers prasseln ließen. Bei gelegentlichem Körperkontakt konnte man einen Eindruck von der Effektivität dieser lockeren Techniken erleben! Techniken dieser Art können nach Empfehlung André Senseis etwa als iriguchi waza eingesetzt werden - also als Auftakttechnik, um Verwirrung zu stiften, bevor die eigentliche Kontertechnik platziert wird.

Diese Lockerheit war dann der nahtlose Übergang zum Highlight des Tages, der Kata Rakuyo, welche sich eben durch diese gewisse Lockerheit auszeichnet, die an herabfallendes Herbstlaub erinnern soll. Ich war beeindruckt, wie schnell unsere Kids die Kata lernten und wie exakt sie die Techniken ausführten! Da können wir schon echt stolz sein auf unseren Nachwuchs! Ole, Justus und Juliane (Kai konnte krankheitsbedingt am zweiten Tag leider nicht teilnehmen) hatten auch sichtlich Spaß an den vielen zum Teil recht ruppigen Drills und Partnerübungen! Gerrit, der bereits zum zweiten mal dabei war, wurde bei den Partnerübungen meist von Ole herausgefordert und kam wohl auch ordentlich auf seine Kosten!
Torsten und ich werden in wenigen Wochen André Bertel in Oita besuchen und freuen uns schon sehr auf weiteres Feintuning und viele weitere Tipps. Im kommenden Jahr stehen bereits jetzt zwei Bertel-Seminare in Deutschland fest. Wir werden dabei sein :-)
Kata Rakuyo Asai Shihan und Bertel Sensei: https://www.youtube.com/watch?v=M9RkoJmxKtw
Kata Rakuyo in voller Länge: https://www.youtube.com/watch?v=5CcnKSR0vF8
Kata Rakuyo Asai Shihan und Bertel Sensei: https://www.youtube.com/watch?v=M9RkoJmxKtw
Kata Rakuyo in voller Länge: https://www.youtube.com/watch?v=5CcnKSR0vF8