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Freitag, 25. Oktober 2019

Fire And Fighting Are The Flowers of Edo

Höflichkeit, Respekt, Disziplin, Pünktlichkeit - das alles sind Werte, die wir auch in unserer japanischen Kampfkunst Karate leben. Torsten und ich haben grade zwei Wochen Japan erleben dürfen - und wir sind wieder einmal beeindruckt von der gelebten japanischen Kultur!

Die Höflichkeit und die Disziplin beim Schlangestehen an den Zügen haben mir wieder sehr imponiert - kein Schubsen, kein Drängeln - und wenn man mal aus Versehen jemanden anrempelt, dann wird sich fünfmal entschuldigt! Respektvoll wird älteren Menschen oder Eltern mit kleinen Kindern der Sitzplatz angeboten.

Erst aktuell bei meinem dritten Japanaufenthalt, habe ich es erlebt, dass Schnellzüge (Shinkansen) einmal ausgefallen bzw. deren Betrieb eingestellt wurden - Grund war ein angekündigter Taifun, der schwerste, der seit rund 50 Jahren auf die Insel treffen sollte! Am Folgetag hatten die Schnellzüge im Schnitt 5 Minuten Verspätung! In Deutschland hätte so eine Naturkatastrophe vermutlich wochenlang für Ausfälle und Verspätungen gesorgt!

Zudem sind die Stadtbilder von Sauberkeit geprägt - kein Müll liegt herum. Und das, obgleich es in der Öffentlichkeit kaum Mülleimer gibt! Besucher von Sportstätten wie z. B. dem Budokan in Naha auf Okinawa werden gebeten, ihren (Verpackungs)Müll mit nach Hause zu nehmen. An den Häuserwänden gibt es keine Graffiti oder Schmierereien, es liegen keine Zigarettenstummel auf den Bürgersteigen herum. Wenn man ein privates Haus betritt, werden die Schuhe ausgezogen (im Übrigen gilt das auch für einige öffentliche Gebäude, wie das Budokan), damit kein Dreck hinein getragen wird.

All dies wird häufig begleitet von großer Achtsamkeit - beim Bezahlen im Geschäft werden Kreditkarte oder Geldschein mit beiden Händen angereicht und das Bezahlen wird mit einer kleinen Verbeugung begleitet.

Für Unannehmlichkeiten wird sich vielfach entschuldigt - wie z. B. auch an einer Baustelle auf Okinawa gesehen:

Am Tag unserer Anreise fegte grade Taifun Hagibis über die Insel - und am nächsten Morgen sah man in den Straßen Tokios - nichts! Alles lief zumindest augenscheinlich wie immer! Ich kann mir vorstellen, dass dieses Land so wie es ist, nur funktioniert, wenn viele Menschen viel arbeiten und ich habe bereits eine Ahnung davon, dass dies nicht immer so gewertschätzt wird, wie wir dies in Europa kennen und wünschen. Dennoch habe ich hier nie ein Klagen vernommen und niemand scheint sich aufzulehnen oder zu murren. Man tut halt, was zu tun ist, damit die Gemeinschaft funktioniert. 

Vielleicht hat diese Lebenshaltung - kombiniert mit den oben erwähnten Werten - etwas mit der Geschichte des Landes zu tun, speziell mit der Edo Zeit! 

Als Edo Epoche wird die Zeit von ca. 1600 bis zur Meji Restauration Ende des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Das Land wurde vom Tokugawa-Clan regiert, einem Shogunat, begründet durch Tokugawa Ieyasu. Die Samurai, welche bis zum Beginn der Edo-Zeit ausschließlich Krieger waren, wurden nun Höflinge, Bürokraten und Administratoren. Es wurde erwartet, dass ein Samurai diesen neuen Aufgaben mit derselben Hingabe, Intensität und Loyalität nachkam, wie zuvor dem Kriegshandwerk. Zudem gehörten Dichtung, Malerei, Kaligraphie und andere Künste zu den "To-Dos" der adeligen Kriegerkaste. 
Diese gelebte Hingabe an alltägliche Tätigkeiten und der Anspruch an Ästhetik sehe ich auch im japanischen Alltag mit beeindruckender Deutlichkeit. 

Wie auch grade an den Auswirkungen des Taifuns Hagibis erlebt, war und sind die Menschen in Japan regelmäßig Opfer verheerender Naturkatastrophen wie Stürmen, Sturmfluten, Taifunen, Tsunamis, Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Früher noch mehr als heute brachten viele dieser Ereignisse auch starke Feuersbrünste mit sich, die Häuser und Ernten vernichteten, Menschenleben kosteten. Bereits in vergangenen Epochen hat dies aber die meisten Menschen, die hier leben, nicht verzagt, sondern offenbar für großen Zusammenhalt gesorgt, der zur Folge hatte und hat, dass Schäden schnell beseitigt und das normale Leben wieder aufgenommen werden konnten. 

In einer heute besuchten Ausstellung im Edo-Tokio-Museum fand ich den Satz "Fire And Fighting Are The Flowers Of Edo" - wie bizarr auf den ersten Blick und wie beeindruckend auf den zweiten! Aus Katastrophen stark werden, zusammenhalten zu können und eine von vielen Werten geprägte Gemeinschaft zu gestalten - das finde ich wundervoll!