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Mittwoch, 26. Februar 2014

Schwitzen im Schwangau - Lehrgang mit Sensei Toribio Osterkamp in Füssen

Ende Februar fuhren Torsten und ich zu einer Karate-Fortbildung nach Füssen - quer durch die Republik, im Auto noch unsere Karatefreunde Margot und Ingo, die wir in Gladbeck aufgelesen hatten. Nach Füssen für einen Karate-Wochenendlehrgang? Das muss aber schon ein ganz besonderes Event gewesen sein, wird sich der ein oder andere Leser denken! Und das war es auch. Schließlich wurde der Lehrgang von DJKB-Instructor Sensei Toribio Osterkamp geleitet - allein dies ist eine weite Anreise Wert.

Ein weiterer Anlass, die Strapazen einer rund 700 km langen Fahrt ins Allgäu für vier Trainingseinheiten auf sich zu nehmen, ist die Freundschaft und große Dankbarkeit, die Torsten und mich mit dem Ausrichter des Lehrgangs, Thomas Kölling, verbindet. Wir kennen uns zwar erst seit wenigen Jahren, unsere Freundschaft ist aber von einer besonderen Herzlichkeit und Loyalität geprägt. So stand für Thomas ohne zu Zögern gleich nach Bekanntwerden der Gründungspläne der Karateschule Fuji San Münster fest: "Bei Eurer Dojo-Eröffnung bin ich dabei!" Und er kam nicht alleine, sondern brachte fünf seiner erfolgreichsten Karatekinder mit nach Münster, die allesamt kurz zuvor in verschiedenen Disziplinen Deutsche Meister geworden waren. Diese beeindruckten dann mit einer atemberaubenden Karatevorführung die Gäste bei unserer Eröffungsfeier. Als Thomas jetzt zum Lehrgang mit Sensei Toribio einlud, war für Torsten und mich darum klar: Hier scheuen wir jetzt auch keine Mühen und machen uns auf den Weg ins ferne Allgäu!

Sensei Toribio Osterkamp blickt auf eine beispiellose Wettkampfkarriere zurück, die ihm neben zahlreichen Deutschen Meisterschaften auch den Titel des Europameisters einbrachte und in dessen Verlauf er bei Weltmeisterschaften mehrfach unter den Top 5 platziert war. Toribio gehört seit fast 30 Jahren zum Trainerteam des Gasshuku und unterrichtet seit 1988 beim Kata Special Course. Spontan besteht vielleicht der Impuls, Toribio als "Katamann" zu bezeichnen, denn seine Akribie und Genauigkeit, sein Herauskitzeln der letzten Feinheiten im Katatraining sind schon legendär - aber dieser Titel allein würde ihm wohl kaum gerecht. Denn auch in der Disziplin Kumite blickt er auf zahlreiche Wettkampferfolge zurück. Auch der Lehrgang in Füssen war - sehr zu meiner Freude - recht kumite-lastig.

Nach unserer Ankunft und dem herzlichen Willkommen im Hause der Familie Kölling, die für die nächsten drei Tage zusammen gerückt war, um uns Gästen Asyl zu gewähren, ging es direkt am Freitagabend noch in die Sportschule Shinto Füssen, Thomas Köllings Dojo. Das Dojo hat eine unglaublich schöne Atmosphäre und bietet durch Tatami, Makiwara und Spiegelwände optimale Trainingsmöglichkeiten. Die Sauna für die "Entspannung danach" rundet das Trainingsvergnügen noch ab.

Toribio übernahm selber das Aufwärmprogramm und sparte nicht mit wertvollen Hinweisen für ein gesundheitsförderndes Sportprogramm, durch die Torsten und ich das Trainingskonzept der Karateschule Fuji San Münster voll bestätigt fanden.

Im folgenden gab es großes Karatetraining auf kleinem Raum, da das Training erwartungsgemäß gut besucht war. Man könnte auch sagen, dass sich hier die Definition von Karate unseres geschätzten finnischen Senseis Risto Kiiskilä verwirklichte: Karate ist schnelle Bewegung auf engem Raum.

Wir trainierten zunächst Kihon auf der Stelle mit verschiedenen Block-Konter-Kombinationen und dem Schwerpunkt Tai Sabaki. Toribio ermahnte uns, stets fokussiert und wachsam zu bleiben und beim Gegenangriff nach dem Uchi Komi-Prinzip quasi gedanklich in den imaginären Gegner einzudringen. Dadurch, dass die Kombinationen immer mehr ausgebaut, Geschwindigkeit und Intensität gesteigert wurden, geriet schon der Kumite-Part des Trainings zu einer äußerst schweißtreibenden Angelegenheit.

So richtig auspowern konnten wir uns dann noch bei der abschließenden Partnerübung, bei der wir uns gegenseitig und abwechselnd in schneller Folge Mae Geris chudan verpassen sollten. Hier trainierten wir angesichts der hohen Teilnehmerzahl in zwei Gruppen - und das war auch gut so! Denn während die eine Gruppe je zwei Minuten powern konnte, hatte die andere Gruppe Zeit und Gelegenheit, zu Atem zu kommen und sich für die zweite Runde zu regenerieren! Am Ende der Übung äußerte der Sensei einen kleinen Unmut darüber, dass er bei fast allen Trainierenden Taktik und Finten vermisst habe. Zum Abschluss der Einheit wurden die Dan-Träger noch zur Aufstellung gebeten - Kata war angesagt. Wir führten die Nijushiho aus - allerdings nicht im klassischen Embusen, sondern auf einer Linie vor und zurück.

Den Abend ließen wir dann mit einigen Sauna-Gängen und einem gemeinsamen Essen in dem Billard-Salon über dem Dojo ausklingen.

Eine Botschaft des Oberstufentrainings am Samstag und Sonntag war sicherlich die Tatsache, dass wir uns nicht nur mit den Trainingsformen und -inhalten beschäftigen sollen, die einen vordergründig besonders hohen Anspruch haben - wie z. B. hohe Katas oder Freikampf. Wenn ich Toribio richtig verstanden habe, ist es grade auch für Braun- und Schwarzgurte wichtig, immer wieder die Basisübungen zu trainieren. So haben Torsten und ich es auch von Risto Sensei schon oft gehört: Wir Karateka bauen "unser Karate-Haus" Stockwerk für Stockwerk - wichtig ist ein solides Fundament und dann kommen Erdgschoss, erster Stock usw.. Zwischendurch muss man aber immer mal wieder in den Keller gehen und nachsehen, ob dort alles noch in Ordnung ist. In dieselbe Kerbe schlug jetzt auch Sensei Toribio, der uns in der Oberstufe mit verschiedenen Kihon-Kumite-Kombinationen beschäftigte, die Torsten natürlich sehr schnell als Heian Shodan Bunkai erkannte! Was hatte ich einen Spaß mit meiner Partnerin Margot, der ich z. B. den häufig nur als Block vollkommen unterschätzten Age Uke an die Kehle rammen durfte ;-)

Auch die zweite Einheit war Kampf! Toribio betonte auch hier wieder, wie wichtig es sei, immer wieder die verschiednen Kumiteformen zu üben und sich nicht auf den Freikampf zu fokussieren. "Kampf und Wettkampf sind zwei verschiedene Paar Schuhe", so der Sensei, der uns zu absoluter Konsequenz und Ernsthaftigkeit in jedem Training ermahnte. Wir übten verschiedene Kaeshi-Kumite-Kombinationen mit Tai Sabaki. Vor jede Kombination wurde ein Rentsuki im Heisoku Dachi geschaltet und das Ende jeden Durchgangs sollte etwas freier im Kamae erfolgen, so dass ein Übergang zum Jiyu-Ippon-Kumite geschaffen wurde. Sehr viel Spaß hatten Margot und ich auch in dieser Einheit, wobei die verschiedenen Kombinationen schon eine gehörige Herausforderung für Körper und Geist waren!

Nach dem Training wieder in die Sportschule Shinto Füssen zum entspannenden Saunagang und dann ging es wieder in die Billard-Stube, wo ein liebevoll zubereitetes Buffet auf uns wartete. Hier knüpften wir viele neue Freundschaften zu den "Allgäuer Kanten" (O-Ton Toribio ;-) ) und es soll auch das ein- oder andere Bierchen genossen worden sein. Mein ganz persönlicher Höhepunkt des Abends war das Kickerturnier mit Toribio, Ingo und Armin, das Armin und ich - nur ganz knapp, versteht sich! ;-)  - gegen Toribio und Ingo verloren haben. Wow, das war für mich quasi die dritte Trainingseinheit des Tages!

Am nächsten Morgen hatten wir vor dem Training noch etwas Zeit und Gelegenheit, einen kleinen Ausflug in die zauberhafte allgäuer Landschaft zu unternehmen, den herrlich blauen Himmel und das atembeaubende Alpenpanorama zu genießen - bevor wir uns zum letzten Training in die Sporthalle des Füssener Gymnasiums begaben. Diese Einheit wurde von allen Karatekas gemeinsam trainiert und so wunderte es nicht, dass wir mit Heian Katas begannen. Wenn ich auf diese Einheit zurück blicke, habe ich das Gefühl, dass wir beinahe pausenlos in Bewegung waren. Wie ein roter Faden zog sich bis hier Toribios Vorliebe für Konsequenz und einen permanenden Fokus gepaart mit bedingungsloser Wachsamkeit. So war es zumindest für mich so, dass ich  bei den Heian-Katas und auch bei den anschließenden Sentei-Katas, die den Braun- und Schwarzgurten vorbehalten waren, weniger auf Sauberkeit der Techniken geachtet habe, als darauf, die Katas wirklich durchweg zu "kämpfen"! Kein Wunder also, dass ich gegen Ende der Einheit im wahrsten Sinne des Wortes schon ziemlich abgekämpft war. Aber das dicke Ende sollte noch kommen, denn Toribio quälte uns zum Abschluss noch mit einem fordernden Krafttraining bestehend aus einer seitlichen Körperrolle auf dem Boden in Verbindung mit einigen Liegestützen. Diese Kombi durften wir dann mehrere Male je eine Minute durchführen, bis am Ende ein Stöhnen und Seufzen die Halle ausfüllte!

Leider mussten wir uns bald nach dem Training auch schon verabschieden - vom Sensei, von Thomas und seiner netten Frau Claudia, die uns das Wochenende so toll beherbergt hatte, von den anderen vielen Karatefreunden und von der herrlichen allgäuer Landschaft! Getröstet hat uns die Aussicht auf zahlreiche weitere Karatelehrgänge, die uns in diesem Jahr noch bevorstehen und auch in Deutschlands Süden führen werden.