Gelegentlich
hört man kritische Stimmen zur Verbandsorganisation unserer Kampfkunst Karate.
Welchen Sinn soll es haben, in einem Verband organisiert zu sein? „Braucht doch
kein Mensch – jeder kann doch einfach „sein“ Karate trainieren! Da muss man
doch kein Präsidium haben, keine spezielle Prüfungsordnung, die man vielleicht
sogar kritisch sieht.“ Und überhaupt – „Vereins- und Verbandswesen hat doch
auch was total Angestaubtes! Wofür fallen denn die Gebühren an und sind die
nicht viel zu hoch? Jede Sonderleistung muss man dann eh wieder extra
bezahlen.“ Und so weiter und so fort.
Ich
habe mir in den letzten Jahren auch viele Gedanken zum Vereins- und
Verbandswesen gemacht. Vor allem, nachdem ich mitbekommen habe, wie gute
Freunde von mir, die sich ehrenamtlich, in ihrer Freizeit und vollkommen
unentgeltlich für einen Verein eingesetzt haben, den Bau eines Vereinsheims
ermöglicht haben, Training gaben und für guten Zusammenhalt sorgen, letztlich
groben Undank ernteten, der schließlich zum Ende der Vereinsgemeinschaft
führte. Für mich stand daher fest, dass mein persönlicher Karateweg nicht in
erster Linie vereinsorganisiert sein sollte.
Gleichwohl
stand für mich nie zur Debatte, ob ich Mitglied im DJKB bleibe. Ich bin nämlich
sehr froh über die Zugehörigkeit zum DJKB und über die weltweite Organisation
der JKA. Warum? Ist das nicht ein Widerspruch? Ich finde: nein!
Ich
kann verstehen, dass manche meiner Karate-Wegbegleiter einzelne Aspekte des
Verbandswesens kritisch sehen – wie z.
B. Einzelheiten des Prüfungswesens, Gebühren für Dan-Prüfungen oder –Urkunden.
Gleichwohl ist in meinen Augen die Organisation in einer großen Gemeinschaft
ein unschätzbarer Wert!
Denn:
Was wäre die Alternative? Wer sich gegen die Zugehörigkeit in einer landes-,
bundes- oder weltweiten Organisation entscheidet, hat die Freiheit, „sein
eigenes Karate“ zu trainieren und zu entwickeln. Man kann für sich trainieren
und vielleicht findet man noch einige Menschen, die sich anschließen. Es
braucht ja keine Gürtelgraduierungen, keine Dan-Grade, keine Stufen der
Meisterschaft. Vielleicht möchte man sich sogar mehr oder weniger von
technischen Vorgaben lösen, Kata abwandeln oder neue kreieren. Mehr mit Kontakt
ober ganz ohne üben. Der Fantasie sind da kein Grenzen gesetzt, alles ist
möglich. Oder nicht? Ich finde, dass diese Losgelöstheit auch viele
Einschränkungen mit sich bringt, wie z. B. die Möglichkeit, ohne große
Kommunikationshemmnisse mit Menschen in anderen Dojos in Deutschland, Europa
oder auf der ganzen Welt zu trainieren! Organisiert durch einen Dachverband
herrscht bundes- oder sogar weltweit ein mehr oder weniger einheitlicher
Standard. Ich kann nach Püsselbüren zum Training fahre oder nach Prag oder
Paris, nach Telgte, Traunstein oder Tokio – ein Tsuki ist ein Tsuki (mal mehr,
mal weniger hart ;-) ) und ein Keri ist ein Keri, jeder weiß, was Gohon Kumite
ist, kennt die Trefferstufen Jodan und Chudan, die Kata werden weltweit (etwa)
gleich ausgeführt. Kurzum: Man kann weltweit – vielleicht nach kleinen
Abstimmungen – miteinander trainieren.
Zudem
besteht verbandsorganisiert die Möglichkeit, Traineraus- und – fortbildungen zu
organisieren. Hier ist z. B. der DJKB aktuell auf einem sehr guten Weg! Durch
diese Fortbildungsmaßnahmen kann für kleines Geld ein hoher Standard des
Karatetrainings organisiert werden. Wie ich grade beim Spring Camp in Tokio
gesehen habe, ist das offenbar international noch nicht selbstverständlich.
Was
das Prüfungswesen angeht, kann man zumindest im selben nationalen Dachverband
in etwa ahnen, was ein Trainingspartner auf einem öffentlichen Lehrgang in etwa
kann oder können müsste. Natürlich gibt es hier immer innerhalb einer
Graduierung Unterschiede – aber die gibt es auch bei Qualitätsstandards in
anderen Bereichen, beispielsweise dem Abitur. Welchen Wert so ein weltweit
gültiges Graduierungssystem haben kann, ist mir neulich klar geworden, als ein
neues Mädchen zum Probetraining zu uns kam: Sie trainiert seit ca. 5 Jahren in
einer Münsteraner Kampfkunstakademie, die sich nicht auf eine bestimmte
Kampfkunst oder Stilrichtung festlegt.
Ohne das Training dort schmälern zu wollen, so fehlt dort doch offenbar die für
die JKA und den DJKB typische Struktur. Das Mädchen hatte nach fünf Jahren
Training und in einem Alter von 11 Jahren längst einen „Schwarzen Gürtel“, der
aber eben nur innerhalb dieser Kampfkunstakademie Gültigkeit hat. Die Eltern
des Mädchens fanden das sehr schade und hatten sich unter anderem jetzt für
eine Mitgliedschaft bei uns entschieden, weil die Graduierungen eines
DJKB-Dojos durch lizensierte DJKB-Prüferinnen und Prüfer eben deutschland- und
sogar weltweit Gültigkeit besitzen.
Ein
weiterer Aspekt ist das Wettkampfwesen. Ich weiß, dass man das auch anders
sehen kann, aber für mich persönlich ist die Teilnahme an Wettkämpfen ein
unverzichtbarer Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung im Karate.
Wettkämpfe bedeuten für mich eine Überprüfung, ob das, was man trainiert hat,
auch unter Stress funktioniert. Wettkämpfe sind m. E. aber nur möglich, wenn es
Regeln gibt, für Regeln braucht es wieder Standards – und da sind wir wieder in
der organisierten Verbandswelt.
Letztlich
bleibt noch die Frage, ob ein Eintrag in die Dan-Rolle in Japan wirklich
mehrere hundert Euro kosten muss. Das kann ich nicht beantworten. In meinen
Augen kommen wir aber in unseren Verbänden, was Gebühren und Kosten angeht,
durchaus noch günstig weg – wenn man dies mal mit anderen Kampfkünsten und
–systemen vergleicht. Und last but not least besteht ja keinerlei Verpflichtung,
eine höhere (und teurere) Danprüfung abzulegen. Wem das zu teuer ist, der kann
es ja einfach z. B. beim Shodan belassen. Schwarz ist Schwarz – den Unterschied sieht an der
Gürtelfarbe dann eh niemand.
Dies
sind so meine Gedanken zu dem Thema. Sicherlich habe ich nicht alle Aspekte
bedacht und beleuchtet und ich lade herzlich gerne zur Diskussion ein.