Carsten Zimmermann von Street Combatives war bereits zum dritten Mal bei uns zu Gast. Die ersten beiden Male hatten wir uns mit dem Basis-Programm von Street Combatives beschäftigt. Aber jetzt war ich mal gespannt darauf, was SC im Bereich der Messerabwehr zu bieten hatte. „Wir nennen es ungern Messerabwehr“, so Carsten im gut einstündigen Theorie-Intro, „sondern Abwehr scharfkantiger Gegenstände.“ Denn eine Schere, ein Schraubenzieher, eine kaputt geschlagene Flasche – all das kann genauso verletzen wie die verschiedenen Messertypen, die Carsten zu Anschauungszwecken mitgebracht hatte. Wir sollten jetzt also Abwehr gegen diese fiesen, zum Teil zu hohem Blutverlust führenden Angriffe erlernen. Ob das auch in der Realität funktioniert? Ist das Training realistisch? „Wenn wir realistisch trainieren wollten, müssten wir Andrea bitten, uns zu sagen, wo wir in Münster die Niederlassung der Hells Angels finden,“ so Carsten weiter. Da sich die Zustimmung in der Trainingsgruppe zu diesem Vorschlag in Grenzen hielt und ich zudem auch gar nicht gewusst hätte, wohin ich die Jungs und Mädels hätte führen müssen, trainierten wir eben dann doch „nur“ realitätsbasierend, also so nah an der Realität, wie unter diesen Umständen möglich.
Wie gewohnt führte Carsten uns durch einen abwechslungsreichen, methodisch und didaktisch optimal strukturierten Theorie- und Praxismix. Die Praxis startete mit einem Lauf-Warmup und danach ging es zunächst an die Pratzen, um Reaktions- und Konzentrationsvermögen zu schulen. Schließlich kamen dann aber auch Übungsmesser und Messerattrappen ins Spiel.
Die praktischen Übungen bestanden den ganzen Nachmittag über eigentlich aus einem einzigen Prinzip, das etwas variiert und ausgebaut wurde. Zudem leitete Carsten uns durch verschiedene Bedrohungsszenarien: vom stakkatoartigen Zustechen auf Bauchhöhe über die Forderung zur Herausgabe von Geld und Wertgegenständen mit vorgehaltener Waffe bis hin zur Situation, bei der uns das Messer buchstäblich am Hals stand. Besonders realitätsbasierend finde ich persönlich den Trainingsansatz, nach der erfolgreichen Abwehr vom Tatort wegzulaufen, einen Bodycheck vorzunehmen („Bin ich verletzt, wenn ja, wie schwer?“) und die Polizei zu informieren (immer zuerst das „Wo“ nennen). „Pfeffer“ gab es für uns in Übungssequenzen, bei denen körperlicher Stress durch 30 sekündiges Sprinten auf der Stelle gefolgt von 30 Sekunden Liegestützen und weiteren 30 Sekunden drehen des eigenen Körpers auf der Stelle (vorn übergebeugt und mit zugehaltener Nase) simuliert wurde, bevor der Angriff und die dazugehörige Abwehr starteten. Ebenfalls spannend eine Partner/innen-Übung, bei der in der Mitte der Halle ein „Messer“ ausgelegt wurde und die beiden Übungsparteien sich je am Rand der Halle auf den Boden legen sollten. Auf Kommando wurde „zur Waffe“ gesprintet und wer sie zuerst in den Händen hatte, wurde Angreifer/in, der/die andere musste abwehren. Besonderes Highlight war dann aber wohl für alle ein Szenario mit Kunstblut, bei dem wir zu spüren bekamen, was Kämpfen für eine glitschige und eklige Angelegenheit sein kann, wenn Körperflüssigkeiten im Spiel sind J.
Carsten schaffte es wieder einmal hervorragend, die 15 Teilnehmenden – zum Teil bereits SC-erfahren, zum Teil aus dem Karate aber vereinzelt auch ohne jegliche Vorkenntnisse – fünf Stunden lang unter einen Hut zu bringen, gemeinsam anzuleiten und trainieren zu lassen. Ein klasse Nachmittag, bei dem die Gruppe super zusammen passte und es keine Berührungsängste gab. Wir waren uns alle einig, dass das SC-Konzept großartig und eine super Ergänzung zu verschiedenen Kampf(kunst)konzepten ist. Alle wünschten sich unbedingt mehr Carsten und mehr Street Combatives!