Posts mit dem Label Tai Sabaki werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Tai Sabaki werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 13. Juni 2015

Lehrgang mit den Senseis Thomas Schulze und Kirsten Manske in Coesfeld

Am Samstag, den 13.06.2015, hatte ich die Möglichkeit, bei einer Einheit des Lehrgangs mit den Senseis Thomas Schulze und Kirsten Manske in Coesfeld zu trainieren. Da ich vormittags noch Kindertraining gab, bin ich erst zur zweiten Einheit dort eingetroffen. Ich trainiere immer sehr gerne bei Thomas, hatte bisher aber noch nie das Vergnügen, bei Kirsten zu trainieren - umso größer war die Freude, dass sie nicht nur das Aufwärmtraining übernahm, sondern auch am Nachmittag die Oberstufe anleitete.

Es gab insgesamt nur zwei Trainingseinheiten, da Unter- und Oberstufe jeweils parallel aktiv waren - eine Gruppe je unter der Knute von Thomas und eine unter Kirstens strenger Aufsicht.

Wenn eines verbesserungsfähig wäre, dann die Location: Die Familie Pictorius, nach der das Berufskolleg, zu der die Turnhalle gehört, offenbar benannt ist, war eine westfälische Baumeister-Familie im 17. und 18. Jahrhundert. Die Ahnen der Familie würden sich vermutlich im Grabe herumdrehen, wüssten sie über diese Abscheulichkeit an Optik und Atmosphäre (Licht, Luft, Farben ...) der Turnhalle! Aber man muss ja nehmen, was man angeboten bekommt und kann froh sein, wenn überhaupt Turnhallen vergeben werden, um so einen Lehrgang auszurichten.

Was mich verwunderte war die recht überschaubare Anzahl an Trainierenden - ich zählte etwas über 60 Teilnehmer/innen. Bei einem Lehrgang mit unserem Nationalcoach und seiner erfolgreichen und wettkampferfahrenen Frau müsste doch die Halle brechend voll sein!

Wie es nicht anders zu erwarten war, bereitete uns Sensei Kirsten supergut auf das Training vor. Sie legte schon hierbei - wie auch später im Training immer wieder - einen großen Wert auf Lockerheit im Schulterbereich. Anschließend ging es weiter mit Kihon-Kombinationen, die schon auf die folgenden Partnerübungen hinarbeiteten:

Links vor im ZK mit einer Block Technik im Gyaku-Hanmi mit nachfolgendem Konter durch vollen Hüfteinsatz. Kirsten legte einen sehr starken Fokus auf die exakte Hüftbewegung - einschließlich Innen- bzw. Außenspannung und Vorwärtsdruck des vorderen Knies -, dass ich mich sehr an die Trainingsimpulse von Malcolm Dorfman Sensei erinnert fühlte! Und es war wie verhext: Sobald ich dachte, die Übung sei richtig umgesetzt, merkte ich eine Spannung im Schulterbereich. Oder ich stellte fest, dass ich überwiegend aus dem Oberkörper agierte und den Hüftimpuls vernachlässigte. Irgendwas war immer!

Wir führten drei verschiedene Kombinationen aus - jeweils einige Male langsam auf zwei Zeiten, dann fünf Mal auf eine Zeit und weitere fünf Mal mit Kiai:
- links vor im ZK mit Age Uke im Gyaku Hanmi (also rechter Arm Age Uke), Konter Uraken mit links
- links vor im ZK mit Gyaku Uchi Uke, Konter Kizami Tsuki
- links vor im ZK mit Gyaku Gedan Barei und Konter durch starkes Zurückschnellen der Hüfte mit Kizam Mae Geri
All das natürlich dann auch mit dem rechten Bein vorne.

Dann mit Partner:
Angriff je aus links vor ZK mit Gedan Barei, Angriff
a) Tsuki Jodan, Tori geht aus Shizen Tai mit dem rechten Bein schräg hinten links raus und blockt mit rechts Gyaku Age Uke, Konter Uraken Jodan oder Chudan, je nach Größe des Partners/der Partnerin
b) Tsuki Jodan, Tori geht aus Shizen Tai mit dem linken Bein rechts hinten raus und blockt mit links Gyaku Age Uke, mit rechts Konter Uraken Jo oder Chu
c) Tsuki Chudan, Tori geht wie bei a) raus, Block mit rechts Gyaku Uchi Uke, Konter Kizami Tsuki
d) dasselbe mit der anderen Seite in die andere Richtung
e) Mae Geri, Tori geht wie oben mit rechts schräg links raus, Block Gyaku Gedan Barei, Konter mit dem vorderen Bein Mawashi Geri
f) Mae Geri, wie bei b) und d) zur rechten Seite raus Block und Konter entsprechend

Im nächsten Durchgang dasselbe als Jiyu Ippon Kumite - beide stehen in der Ausgangslage links vor Kamae. Insgesamt fiel mir diese kleine Umstellung schon nicht leicht. vor allem die erste Seitwärtsbewegung nach links hatte es jetzt in sich! Den Mae Geri würde ich so wohl gar nicht blocken - aber es kam bei der Übung m. E. auch nicht unbedingt auf realitätsbezogene Blocktechniken an, sondern auf den intensiven Hüfteinsatz und darauf, auch aus ungünstigen Ausgangslagen noch das Beste machen zu können. So habe ich das jedenfalls für mich empfunden. Mein Partner Egon und ich merkten schnell, wie fix man doch in die alten, gewohnten Bewegungsmuster hineinrutscht und dann im Eifer des Gefechts eben nicht Gyaku blockt, sondern automatisch auf das Altbewährte zurückgreift. Einerseits gut zu wissen, dass die Sachen "sitzen", andererseits doch ein Zeichen, wie sehr man schon eingefahren ist!

In einem dritten Durchgang ließ Kirsten diese Kombinationen aus der freien Bewegung ausführen, was die Sache noch kniffeliger machte! Auch die regelmäßigen Partner/innen-Wechsel sorgen dafür, dass sich keine Routine einstellte und der Geist wach blieb.

Im letzten Teil der Einheit wurden dann speziell die angesprochenen Hüftbewegungen auch auf das Kata-Training übertragen und wir führten die Heian Godan, die Bassai Dai und die Wankan aus. Das war nochmal ein richtig schöner Abschluss, denn hier wurde alles, was uns Kirsten vermittelt hatte, noch einmal intensiviert und quasi auf den Punkt gebracht!

Es war ein super Training und auch nur für diese eine Einheit hatte sich die Fahrt nach Coesfeld voll gelohnt! Neben den technischen Feinheiten hat mir auch die ruhige und gleichzeitig sehr bestimmte Art von Kirsten sehr gefallen! Zudem war das Training didaktisch und methodisch erstklassig aufgebaut und einfach im eine runde Sache! Im nächsten Jahr bin ich sehr gerne wieder dabei!

Sonntag, 4. Mai 2014

Samurai Spirit in Siegen

Anfang Mai 2014 lud das Bushido Dojo Siegen zu einem Karate-Event mit dem vielversprechenden Namen Samurai Spirit Seminar nach Siegen ein. Torsten und ich folgten der Einladung gerne, auch wenn ich selber leider wegen des Trainings in der eigenen Karateschule nur an zwei Einheiten des Seminars teilnehmen konnte.

Bei den Trainern, die uns den Geist der Samurai näher bringen sollten, handelte es sich um keine geringeren, als unseren Bundestrainer Sensei Thomas Schulze (5. Dan) und seinen langjährigen Ausbilder, den aus Johannesburg stammenden Shihan Malcolm Dorfman (8. Dan).

Bereits am Freitagabend freuten sich die Ausrichter über eine gut gefüllte Halle - mit rund 90 Teilnehmern verschiedener Graduierungen deutete sich schon in der ersten Einheit an, das das Seminar ein echter Trainingsmagnet werden würde.

Ich war zunächst davon ausgegangen, dass ich ausschließlich die Einheit am Freitag würde besuchen können, da am Samstag zahlreiche kleine Pandas, Füchse und Tiger in der eigenen Karateschule darauf warten sollten, von mir unterrichtet zu werden. Umso größer war daher meine Freude darüber, dass wir bereits am Freitagabend das Vergnügen hatten, von beiden Senseis unterrichtet zu werden.

Malcolm Shihan hat eine unglaublich motivierende und sympathische Art, seine Karatelehre zu vermitteln. Er hielt uns am Freitagabend zunächst einen kleinen Vortrag über verschiedene Karateverbände, -stile und Trainingsmethoden und darüber, dass sie letztlich alle dasselbe Ziel hätten: Den eigenen Körper zu einer wirkungsvollen Waffe auszubilden. Der südafrikanische Großmeister wies darauf hin, dass er sich und seinen Karate-Do nicht über alles stellen wollte, was wir bisher gehört haben. Er wolle uns nur einen Stück von seinem Karate-Weg anbieten und würde sich freuen, wenn uns das etwas weiter bringt.

Viele der Schwarzgurte, die sich bei dem Seminar mit uns inspirieren ließen, hatten auch wie wir schon unzählige Lehrgänge besucht und zahlreichen Meistern gelauscht. Für mich ist ein Karatelehrgang immer dann besonders wirkungsvoll, wenn mir neue Feinheiten vermittelt werden, die sich mit meinem bisherigen Karateweg zu einer Einheit verbinden. Meine wichtigsten Einflüsse hatte ich ganz unbestritten in den letzten Jahren von Sensei Risto Kiiskilä erhalten und daher war es für mich und auch wohl für Torsten sehr interessant und inspirierend, dass auch die Karatelegende vom Südzipfel der Welt ganz ähnlich erklärte, wie unser Meister aus dem hohen Norden!

Wie oft hatten wir schon gehört, dass das hintere Bein durch eine extreme Gewichtsverlagerung zum "Sitzbein" wird? Die Hüfte liegt auch bei Shihan Malcolm "im Oberschenkel" - auch wenn er das etwas anders beschrieben hat. "Compression and expansion" sind das südafrikanische Äquivalent für "Belasten und Benutzen" (Dank an Torsten für diese Ergänzung ;-) ). Auch viele trainingsphilosophische Inhalte hatten wir so oder ganz ähnlich schon gehört!

Nun war es aber kein Risto-Lehrgang, sondern ein Lehrgang mit Malcolm Shihan und Sensei Thomas Schulze. Und so blieb es uns allen auch nicht erspart, trotz vieler Trainingsaspekte, die einige von uns vielleicht auch beinahe "im Schlaf" hätten ausführen können, an den Feinheiten zu arbeiten. Malcolm und Thomas gaben uns spezielle Bewegungsmuster vor, die uns doch dann in der Umsetzung ein großes Maß an Konzentration abverlangten. So wurde nach einer Technik am Partner nicht zunächst das vordere Bein wieder heran gezogen, um in eine erneute Kamae-Haltung zu gehen, sondern immer zuerst das hintere Bein. Die Absicht, die dahinter steckte, passte zu der unabdingbaren Konsequenz und Fokussierung, die uns Malcolm Shihan vermitteln wollte: Nach dem Angriff sollten wir uns auf keinen Fall darauf verlassen, dass der Gegner ausgeschaltet sei - auch bei größter Anstrengung sei es ja möglich, jederzeit von einem Gegenangriff überrascht zu werden. Daher sollten wir durch das weitere Vorgleiten nach dem Angriff den Gegner unter Kontrolle halten und erst anschließend - sozusagen nach Sichergehen des K.O. - in die Kamae-Haltung wechseln.

Da mich das Training der beiden Senseis dermaßen begeistert hatte, beschloss ich kurzer Hand, auch am Samstag noch für eine nur einstündige Einheit den weiten Weg nach Siegen auf mich zu nehmen. Und ich wurde nicht enttäuscht! Zwar war auch diese Einheit wieder eine für alle Graduierungen, Malcolm Shihan gab uns aber direkt anspruchsvolle Kumite-Kombinationen vor, die sogar zahlreiche der Schwarzgurte auch mental ins Schwitzen brachten. Der Grundgedanke war, mit Tai Sabaki auszuweichen: Nach links oder rechts oder auch diagonal dem Angriff entgegen und knapp am Partner vorbei. Dies noch in Verbindung mit den am Vortag gelernten und zum Teil immer noch ungewohnten Bewegungsmustern (speziell: nach dem Angriff zunächst nicht das vordere, sondern das hintere Bein heranzuziehen und den Druck nach vorne zu halten), machten diese eine Trainingsstunde zu einer besonders kniffligen Lektion! Es war sehr beeindruckend, was Malcolm Dorfman in diesen knapp 60 Minuten aus uns herauskitzeln konnte! Drei verschiedene Abläufe, die dann noch mit verschiedenen Fußfeger-Optionen oder Tritten in die Kniegelenke der Gegner ausgebaut wurden - in Verbindung mit höchster Konsequenz beim Konter bis hin zur vollkommenen Kontrolle am Boden. Unsere Arbeit wurde aufgelockert durch Unterweisungssequenzen des Shihan mit seinen Trainingsassistenten Marco und Lars, die zuweilen nicht nur sehr anschaulich, sondern auch unterhaltsam waren, speziell, wenn es um Anspielungen auf die Körperfülle beider Assistenten ging, die beide recht stattlich sind und über reichlich Hara verfügen :-)

Leider hatte ich das Training von Sensei Thomas Schulze am Samstag verpasst. Aber Torsten berichtete mir, dass es auch hier reichlich "Kopfarbeit" gab bei verschiedenen Kumite-Kombinationen. Ich hoffe, dass ich diese Trainingsinhalte im November bei seinem Lehrgang in Münster oder vielleicht schon vorher auf einem anderen Karate-Event zu "spüren" bekomme und nachholen kann.

Unabdingbare Konsequenz unter dem Aspekt des Ikken Hissatsu, des Töten-Wollen-mit einer einzigen Technik - das ist, so kam es für mich über, der Geist des Samurai! Vermutlich muss man im rauen Umfeld von Johannesburg wohnen, um diesen Geist so intensiv in sich aufzunehmen und vielleicht werden wir anderen, die im wohl behüteten Umfeld deutscher (Groß)Städte aufwachsen, ihn nie wirklich nachempfinden können, aber für die Dauer der Trainingseinheiten in Siegen war der Geist wirklich spürbar und Torsten und ich werden versuchen, dieses Gefühl in unserer Karateschule weiter zu geben.