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Mittwoch, 13. Oktober 2021

Traumatherapie und Systemisches Aggressionsmanagement (SAM)

Was hat die Verarbeitung von Traumata mit dem Systemischen Aggressionsmanagement (SAM) zu tun? - Erstaunlich viel! 

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit dem Schutz vor und der Entstehung von Gewalt. Als Karateka, Karatelehrerin und Trainerin für Selbstbehauptung und Selbstverteidigung wurde mir schnell deutlich, dass Eigenschutztraining reduziert auf körperliche Selbstverteidigung sehr eindimensional ist und unter Umständen mehr schaden kann als zu nützen. Im Jahr 2013 - fast zeitgleich mit der Gründung der eigenen Karateschule - sah ich in einer TV-Talkshow den Deeskalationstrainer Ralf Bongartz. Ich kontaktierte ihn und ließ mich durch ihn zur Fachpädagogin für Konfliktkommunikation ausbilden - ein Fachbereich, in dem die körperliche Abwehr hinter deeskalierenden Methoden zurück tritt. Durch Ralf erfuhr ich zum ersten Mal von SAM, dem Systemischen Aggressionsmangement, welches von Dirk Schöwe in Rostock entwickelt und vermittelt wird. SAM beschäftigt sich nicht nur mit dem Schutz vor Aggressionen und Gewalt, sondern vor allem auch mit der Entstehung: Das Modell der "Aggressions-Acht" veranschaulicht quasi "kinderleicht", dass Aggressionen und Gewalt grundsätzlich unerfüllte Bedürfnisse vorangehen. 

Aggressions-Acht nach Dirk Schöwe

Ziel ist es nach SAM, bei sich selbst und bei anderen Personen zu erkennen, an welcher Stelle der "Acht" wir oder andere uns bzw. sich in einer Krisensituation befinden - und zu versuchen, die kritische Hemmschwelle in der Mitte zwischen den beiden Aggressions-Kreisen nicht zu überschreiten. Andererseits ist es ggf. möglich, durch Bewusstmachen des Modells auch aus dem kritischen Kreis (auf der Grafik in rot dargestellt) wieder heraus zu kommen oder unser Gegenüber dort herauszuführen - wenn es möglich ist, die eigenen unter der Wut liegenden Bedürfnisse oder die des Gegenübers zu sehen und zumindest ein stückweit anzuerkennen. Mit diesem Bild lässt sich sehr gut in verschiedenen Kontexten arbeiten - wegen der Anschaulichkeit des Modells sogar - wie schon oben angedeutet - bereits mit Kindern. 

Ein Ziel, mit gewalttätigem Verhalten umzugehen könnte bei der Arbeit mit der "Acht" sein, Aggressionen kontrolliert auszuagieren - z. B. durch das Schlagen gegen Schlagkissen, statt gegen andere Gegenstände oder gegen Personen. Dies kann ggf. für eine kurze Entspannung sorgen und wie eine Art "Aggressions-Blitzableiter" wirken. Es sollte aber nicht ausschließlich beim Ausagieren bleiben - denn wenn die unerfüllten Wünsche und Bedürnisse unter der Wut nicht erkannt werden, können Wut und Aggression immer wieder zu Gewalt führen. 

Aus psychotraumatologischer Sicht ist hier z. B. das Modell von Sabine Lehmann (FifaP) hilfreich: Sabine entwickelte das Modell "vom Fühlhirn und vom Denkhirn" - auch dies ist vor allem bereits bei der Arbeit mit Kindern sehr hilfreich, da schon Kinder im Vorschulalter hier Methoden erlernen, aus dem diffusen Emotionsstrudel, der die akute Gewaltsituation auslösen kann, herauszukommen: Durch ein Stoppen der eskalierten Situation ist es möglich, kurz innezuhalten und der Ursache der aktuellen Wut auf den Grund zu gehen. Wenn dies regelmäßig praktiziert wird, können auf kognitiver Ebene Strategien entwickelt werden, um künftig mit Wut und Aggressionen umzugehen, ohne dass die Hemmschwelle überschritten und Gewalt ausgeübt wird. 

Wer sich mit Selbstverteidigung, Eigenschutz oder Konfliktkommunikation beschäftigt, sollte meiner Meinung nach eine gewisse Vorstellung des Themas Trauma haben. Zum einen weil ein Großteil der Menschen, die Selbstverteidigung erlernen wollen, bereits in der Vergangenheit Gewalt erfahren haben und nun lernen wollen, sich vor neuer Gewalt zu schützen. Es muss daher damit gerechnet werden, dass Menschen im Training getriggert oder gar retraumatisiert werden. Dies erfordert einerseits eine besondere Sensibilität hinsichtlich der Übungen und auf der anderen Seite sollten wir wissen, wie wir  z. B. mit einer/m dissoziierten Teilnehmer/in im Training umgehen können. Auch die Absicht, mit der Personen Selbstverteidigung lernen möchten, kann hellhörig machen: Menschen, die bereits im Unterricht durchblicken lassen, dass sie von dem Wunsch nach Rache oder Heimzahlung angetrieben werden, sollten wir möglichst nicht konventionell unterrichten. 

Ich selber habe mich erstmals im Zusammenhang mit dem Studiengang "Geprüfte/r Trainer*in für Selbstverteidigung" bei Armin Hutter an der ILS-Akademie intensiver mit dem Thema Trauma beschäftigt. Hutter hatte das Thema im Zusammenhang mit den Fight-, Flight-, Freeze-Reaktionen im Rahmen der Selbstverteidigung tiefer beleuchtet. Nachdem mein Interesse daran, das Thema tiefer zu erforschen, geweckt war, absolvierte ich zunächst im Anschluss an den Studiengang eine Ausbildung zur Traumapädagogin/Traumafachberaterin (FifaP). Anschließend erlernte ich die EMDR-Technik zur Traumaverarbeitung und begann an der UTA-Akademie in Köln eine zweijährige Ausbildung in der NARM Traumatherapie. NARM beleuchtet Entwicklungstraumata, die - je nachdem, in welchem Alter die stärksten Belastungen stattfanden - verschiedene Ausprägungen annehmen können. Nach der Betrachtungsweise von NARM besteht ein ganz elementarer Zusammenhang zwischen Wut/Aggressionen und einem tief liegenden Schmerz, einer ganz "alten" und tief liegenden Trauer. Ob Erlebtes hier ins Gewicht fällt, um uns zu prägen, dauerhaft zu belasten und "Glaubenssätze" in uns zu verankern, ist ganz individuell. Ganz unbestritten kann erlebte oder beobachtete familiäre Gewalt, können Missbrauch und Vernachlässigung hier die Saat für Entwicklungstraumata setzen. Manchmal reichen aber auch besondere Lebensumstände (z. B. schwere körperliche oder psychische Krankheit eines Elternteils oder eines anderen Familienmitglieds, ein besonders rigider Erziehungsstil oder der Wunsch der Eltern, das Kind könne stellvertretend für Vater oder Mutter eine Sportskanone, eine Eislaufprinzessin oder ein zweiter Mozart werden) aus, um in unserem Alltag als Erwachsene einen Widerhall zu finden und uns vielleicht ein Leben lang zu belasten. Da wir den Ursprung der Belastungen oft im Unterbewusstsein versteckt haben oder die Erlebnisse zwar noch abrufen - den Zusammenhang zu unseren aktuellen emotionalen Disbalancen aber oft nicht erkennen, können die alten Wunden und Schmerzen im Alltag zum Gefühl unerfüllter Bedürfnisse werden und den Verlauf der Aggressions-Acht in Gang setzen. 

Durch das NARM-Coaching können alte Wunden, versteckter Schmerz, verdeckte Trauer angesehen und aufkommende Wut gehalten werden. Sie muss dann nicht mehr ausagiert werden. Es kann gelingen, die Aggressionen im "grünen" Bereich der Aggressions-Acht zu belassen und frühzeitig aufzulösen. Dies ist meiner Meinung nach ein wichtiger Bestandteil effektiven Eigenschutzes, da durch den NARM-Ansatz die Möglichkeit, sich deeskalierend zu verhalten und in Diskussionen und Auseinandersetzungen nicht auf die "Status-Wippe" zu springen, deutlich verbessert wird. 






Sonntag, 7. März 2021

Warum hilft denn keiner? - Gründe für (unterlassene) Hilfeleistung

 Warum hilft denn keiner?

 

Wegschauen und weitergehen: Viele Menschen reagieren in Notsituationen falsch und kneifen, wo Hilfe dringend nötig ist. Doch "unterlassene Hilfeleistung" ist kein Kavaliersdelikt. Angst und Ekel zählen nicht als Ausrede.

 

Wie lässt es sich erklären, dass immer wieder Unfälle oder Verbrechen geschehen, ohne dass anwesende Zeug*innen helfend eingreifen?

 

Zuschauer*innen-Effekt / Bystander-Effekt (Aronson/Wilson/Akert) 

-       Situative Faktoren beeinflussen in bestimmten Fällen das Verhalten von Zuschauer*innen in Notsituationen

-       Hierbei sind drei Phänomene zu unterscheiden: 

o   Pluralistische Ignoranz: Zuschauer*innen nehmen an, dass es sich bei dem beobachteten Vorfall nicht um einen Notfall handelt, weil auch von den anderen anwesenden Personen niemand besorgt wirkt und aktiv wird. Die Untätigkeit wird so interpretiert, dass keine Reaktion notwendig sei.

o   Verantwortungsdiffusion: Hierbei handelt es sich um das Phänomen, dass bei Zuschauer*innen in Notfällen das persönliche Gefühl, für eine Hilfeleistung verantwortlich zu sein, abnimmt, je mehr Personen anwesend sind. 

o   Bewertungsangst / Hemmung: Einzelne Personen greifen im Notfall nicht ein, weil sie fürchten, etwas falsch machen zu können (z. B. bei Erster Hilfe). Je unvertrauter die Situation ist, desto größer ist die Hemmung. Diese Bewertungsangst oder Hemmung kann auch durch die Angst ausgelöst werden, sich vor anderen anwesenden Personen zu blamieren, wenn die Hilfeleistung nicht erfolgreich ist. 

 

Kosten-Nutzen-Modell (Aronson/Wilson/Akert) 

-       Das Leid einer anderen Person kann Zuschauenden unangenehme Gefühle verursachen. Durch Hilfeleistung können diese Gefühle abgebaut werden. In diesem Fall hat die Hilfeleistung einen Nutzen: Die helfende Person fühlt sich nach erfolgter Hilfeleistung besser. 

-       Demgegenüber verursacht die Hilfeleistung häufig einen Aufwand (Überwinden-müssen, Zeitverlust, sich selbst in Gefahr bringen etc.).

-       Die Abwägung zwischen dem guten Gefühl nach einer Hilfeleistung und dem erforderlichen Aufwand ist nach Aronson/Wilson/Akert ausschlaggebend dafür, wie eine Person in einer Notfall-Aktion reagiert. 

-       Die Hilfeleistung geschieht demnach auch aus Eigeninteresse: wenn der Nutzen (das „gute Gefühl“) größer ist als der Aufwand. 

 

Prosoziales Verhalten

-       Umfasst alle Formen zwischenmenschlicher Unterstützung 

-       Urban-Overload-Hypothese (Milgram): Hilfsbereitschaft ist in der reizüberfluteten Umgebung einer Stadt geringer als auf dem Land

 

Warum helfen wir überhaupt? – drei prosoziale Normen im gelebten Alltag (Werth und Mayer)

-       Wir helfen aufgrund von sozialer Verantwortung.

-       Wir helfen aus dem Bedürfnis der Gerechtigkeit heraus.

-       Wir helfen besonders denen, die uns auch helfen würden. 

 

Lässt sich Hilfsbereitschaft lernen? 

Die oben beschriebenen Phänomene sind uns vermutlich allen mehr oder weniger vertraut. Das Wissen darüber kann helfen, in einem entscheidenden Moment nicht tatenlos zu bleiben. Folgende Schritte können uns helfen, Notsituationen einzuschätzen: 

 

1.     Ereignis bemerken: Achtsamkeit im öffentlichen Raum, Menschen und Umgebung mit entspannter Aufmerksamkeit betrachten und auf diese Weise z. B. bemerken, dass eine Person in Not sein könnte

2.     Ereignis als Notfall erkennen: lieber zweimal hinschauen, als wegzuschauen! 

Wenn möglich, die hilfsbedürftige Person fragen, ob sie Hilfe benötigt („Auftrag abholen“) oder andere umstehende Personen fragen, ob sie das Ereignis auch als Notfall wahrnehmen (und vielleicht gemeinsam mit Ihnen eingreifen würden)

3.     Übernahme der Verantwortung: sich nicht darauf verlassen, dass andere helfen und die eigene Unterstützung nicht erforderlich ist

4.     Kompetenz für Notfälle erlangen: Besuchen eines Erste-Hilfe-Kurses, Rettungschwimmer-Kurs belegen, Fort- und Weiterbildungen besuchen, Informations-Angebote der Polizei wahrnehmen; im Zweifel kann fast immer die Polizei per Handy angerufen werden. Wichtig ist, nichts zu unternehmen, was Helfende selbst in Gefahr brächte! 

5.     Bewertungsängste und Hemmungen abbauen: Durch das Wissen über die eigene Kompetenz schwinden Bewertungsangst und Hemmung. Die Kosten-Nutzen-Abwägung wird mit zunehmender Notfall-Kompetenz aller Wahrscheinlichkeit nach zugunsten einer Hilfeleistung ausfallen. 

 

Freitag, 31. Januar 2020

Stärken Sie Ihre Abwehrkräfte!

Karate ist bekannt als eine asiatische Kampfkunst, als eine traditionelle Form der Selbstverteidigung. Unter Selbstverteidigung wird allgemein zunächst eine Abwehr gegen körperliche Angriffe verstanden. Zum Glück begegnen den meisten Menschen körperliche Angriffe eher selten. Dennoch besteht oftmals der Wunsch, vorbereitet zu sein, falls es mal zu einem Übergriff kommt. In erster Linie denkt man vielleicht an einen Raubüberfall, falls man einmal spätabends oder nachts in der Stadt unterwegs ist oder öffentliche Verkehrsmittel nutzt, an einsamen Haltestellen auf Bus oder Bahn warten muss. Speziell Frauen wünschen sich Techniken, um übergriffigen Männern zu begegnen oder sich vor einer Vergewaltigung zu schützen oder sich im Falle einer solchen effektiv wehren zu können.  

Als Karatelehrerin mit langjähriger Erfahrung als Trainierende und Trainerin bin ich davon überzeugt, dass unsere Kampfkunst viele gute Ansätze für effektiven Eigenschutz bietet. Hier ist zunächst das disziplinierte Training, die Körperschule, die verlangt, dass wir aus uns herausgehen, dass wir uns erlauben, eine gesunde Aggression auszustrahlen und kontrolliert im Training auszuagieren. Wir erarbeiten uns eine Körperlichkeit, die dafür sorgt, dass sich unsere Physis verbessert, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene muskulös und athletisch werden, Seniorinnen und Senioren es bleiben. Des weiteren wird im Umgang mit der ausagierten Kraft der TrainingspartnerInnen mentale Stärke verlangt und erarbeitet, die es ermöglicht, auch im Ernstfall „auf der Straße“ mit Überraschungen, Schmerz und Schock umgehen zu können, ohne zwangsläufig zu erstarren. 

Die traditionellen Trainingselemente unserer Kampfkunst erweitern in Verbindung mit unserem ganzheitlich-methodischen Trainingsansatz den Eigenschutzeffekt um wirkungsvolle Handlungsoptionen. 

Wir arbeiten nicht mit Angstszenarien. In unseren Kinderkursen werden keine Ängste vor dem „bösen, fremden Mann im weißen Kastenwagen“ geschürt, der die Kinder einfängt und mitnimmt. Wir vermitteln hier ein grundsätzliches Verständnis von Grenzen und Rechten, die auch schon kleine Kinder einfordern dürfen. Zudem verschweigen wir auch in den Kinderkursen nicht, dass die häufigsten Übergriffe innerhalb des Familienkreises, in der Nachbarschaft, im Bekanntenkreis, Sportverein etc. stattfinden und selbstverständlich ermutigen wir zur Abgrenzung und vermitteln, dass das Melden solcher Übergriffe gegenüber den Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen etc. kein „Petzen“ ist und absolut in Ordnung! 

Auch im Bereich der Jugendlichen und Erwachsenen räumen wir auf mit „Räuberpistolen“ und klären auf, welche Orte tatsächlich gefährlich sind, welche Personengruppen potenziell eher von Täterinnen und Tätern ausgewählt werden. Wir überlegen gemeinsam, ob und in welchen Situationen es sinnvoll (und erlaubt) sein kann, sich zum Eigenschutz zu bewaffnen (Messer, Pfefferspray, Elektroshocker). Welchen Sinn machen Schläge und Tritte im Eigenschutz und wie ist da überhaupt die Rechtslage, wenn ich den oder die AngreiferInnen verletze? Wann machen Gelenkhebel Sinn und ist es ratsam, in einem Angriffszenario zu Boden zu gehen? 

Sind Sie bereit, unter Anstrengungen zu trainieren, sich im Training an Ihre physischen und mentalen Grenzen führen zu lassen? Wollen Sie Ihre produktiven Aggressionen kennenlernen und spüren, welche Kraft in Ihnen steckt? Kurz gesagt: Wollen Sie Ihre Abwehrkräfte stärken (oder die Ihres Kindes?)? Dann vereinbaren Sie einen Termin für ein Probetraining unter andreahaeusler@t-online.de oder 0179 545 1228 (bitte ggf. auf die Mailbox sprechen, ich rufe zurück).
Für Fragen stehen mein Team und ich jederzeit zur Verfügung!

Andrea Haeusler

Inhaberin der Karateschule Fuji San Münster 
(anerkannter Schulbetrieb, Bezirksregierung Münster)
4. Dan Shotokan Karate
Geprüfte Trainerin für Selbstverteidigung (ILS Akademie Hamburg)
Fachpädagogin für Konfliktkommunikation (Via Nova Akademie Itzehoe)
Traumafachberaterin / Traumapädagogin 

Donnerstag, 28. November 2019

Aus fünf mach sechs: sechs Stufen für den Eigenschutz

Seit einigen Jahren bereits arbeite ich im Eigenschutzbereich mit einem Mehrstufenkonzept. Bisher waren es diese fünf Stufen:

1. Aufmerksamkeit
2. Kommunikation
3. Deeskalation
4. Abgrenzung / Selbstbehauptung
5. technischer Eigenschutz / "Selbstverteidigung"

Im Laufe der Zeit kam mir aber der Gedanke, dass die vier aktiven Stufen 2-5 alle von der tatsächlichen Entwicklung oder dem Vorhandensein eines Konflikts ausgehen.

Wäre es nicht viel einfacher, einen Konflikt gar nicht erst entstehen zu lassen, ihm von vornherein aus dem Weg zu gehen? Dieser Umstand liegt offenbar so sehr auf der Hand, dass er m. E. zu wenig thematisiert und trainiert wird!

Besonders im Zusammenhang mit meiner Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wurde mir in der letzten Zeit deutlich, dass viele Konflikt-Trainings tatsächlich erst beim Konflikt beginnen. Wie wirkt es sich wohl aus, wenn wir auch in den Trainings einfach schon vorher anfangen?

"Weglaufen ist die beste Verteidigung" - so lernen es bei uns schon die Allerkleinsten. Und ich möchte jetzt noch aktiver daran arbeiten, Kinder, Jugendliche und Erwachsene dafür zu sensibilisieren, dass Konflikte, Streit, Gewalt in vielen Fällen bereits im Vorfeld vermieden werden können.

Der Begriff Vermeidung kann hier vielfältig ausgelegt werden, z. B. durch
- Weglaufen, Weggehen, Wegdrehen
- Weghören bei Beleidigungen
- das Vermeiden eines Aufenthalt an sozialen Brennpunkten
- Vermeidung selbstgefährdenden Verhaltens (hoher Alkoholkonsum, Drogenkonsum etc.)
Ich werde das in den nächsten Wochen und Monaten für mich noch weiter ausarbeiten. 

Mich hat hier vor allem meine Ausbildung zur geprüften Trainerin für Selbstverteidigung bei Armin Hutter dafür sensibilisiert, meinen Blick für den Aspekt der Vermeidung zu schärfen, denn auch in dem Studiengang wird ein großer Fokus auf diesen Bereich gelegt. Mir ist dieses Thema inzwischen so wichtig, dass es schon frühzeitig beachtet werden sollte.

Mein neues Konzept wird daher künftig so aussehen:

1. Aufmerksamkeit
2. Vermeidung
3. Kommunikation
4. Deeskalation
5. Abgrenzung - Selbstbehauptung
6. technischer Eigenschutz / "Selbstverteidigung"

Sonntag, 15. Januar 2017

Selbstverteidigung mit BKA Ausbilder Detlef Kröschel 14.01.2017

Technik-Protokoll

I. Notwehrrecht: Verhältnismäßigkeit, angemessen und unmittelbar, Kampfsportler müssen nachweisen, dass sie das Maß der körperlichen Gewalt nicht überschritten haben

II. Befreiungstechniken
1. Befreiung aus der Handgelenksumklammerung (HUK):

- Der Angreifer steht seitlich und fasst seitlich ans Handgelenk: mit der anderen Hand die umfasste Hand greifen und an der offenen/schwachen Stelle (Berührungspunkt Daumen/Zeigefinger) rausziehen - die Hand dabei mehr zum eigenen Körper ziehen
- Der Angreifer fasst die Hand von hinten: grade hinten raus ziehen und hinter dem Rücken zum Nacken hin
- Griff überkreuz oder spiegelverkehrt: Handgelenk über den Daumen drehen oder nach außen über den kleinen Finger - die eigene Hand beim Lösen des Griffs an sich heran ziehen
- Griff durch den Gegner mit beiden Händen an einen Arm: Der Gegner hat einen "geschlossenen Kreis", dadurch, dass beide Hände am Opfer dran sind. Der Abwehrende muss auch den Kreis schließen, indem die Hände gefaltet werden. Jetzt kann man in einer Vorwärtsbewegung die Hände dem Angreifer kreisförmig entgegen schleudern (Anfangsszene Bassai Dai!)
- Wenn der Arm so stark ist, dass der Angreifer nicht los lässt, anschließend mit dem  Ellenbogen vor den Kopf des Gegners schlagen
- HUK beidhändig an beide Gelenke des Opfers: wie immer mit Drehung und Schritt zurück, oder: eigene Hände zusammenklatschen, aber nicht richtig, sondern dabei mit der rechten Hand gegen das rechte Handgelenk des Gegners schlagen. Der lässt intuitiv los, mit dem freien Arm dann Uraken

Anschließend: locker durch die Halle laufen und jeder kann jeden angreifen, intuitives Befreien üben

2. Griff ans Revers:

- Griff mit rechts: mit dem rechten Daumen den Daumennagel des Angreifers fest drücken und das Daumengelenk blockieren - Schmerz und Blockade / alternativ auch mit dem Handballen möglich
- Griff an den Kragen mit beiden Händen: Nervenpunkte an den Ellenbeugen drücken (von der Kuhle in den Ellenbeugen leicht nach außen gehen - wäre mir persönlich etwas zu kompliziert für den Ernstfall....)
- mit dem rechten Arm den rechten Arm des Gegners greifen (also einmal überkreuz greifen) und nach rechts umwerfen
- groß mit dem rechten Ellenbogen ausholen und von oben auf den rechten Arm des Angreifers schlagen, danach mit demselben Ellenbogen sofort Empi in das Gesicht des Angreifers, dann Griff an den Rechten Ellenbogen greifen und nach rechts umwerfen

3. Umklammerung von hinten
a) einschließlich Umklammerung der Arme: Schritt tief und zur Seite (in Kiba Dachi....) und mit Handkante in die Genitalien schlagen oder in die Innenseite der Oberschenkel kneifen. Mit derselben Hand (vermutlich rechts) einen großen Bogen machen zum anderen Ohr, um den anderen abzuschütteln.

b) ohne Umklammerung der Arme, Arme des Opfers sind frei: eine Hand zur "Kralle" formen und seitlich an die Hand des Gegners gehen, den kleinen Finger zur Seite biegen. Mit der Hand dranbleiben und kontrollieren und das Gelenk blockieren.

4. Umklammerung von vorne:
a) einschließlich der Arme: mit beiden Händen je links und rechts den Angreifer an der Hüfte greifen und mit den Daumen in die Leiste bohren und wegschieben, dann in die Genitalien schlagen.

b) ohne Arme: Kopf von hinten stabilisieren und mit der anderen Hand ein V formen, das V unter die Nase drücken. Den Kopf drehen und nach hinten, den anderen fallen lassen, dabei den Arm gestreckt lassen, so dass das Ellenbogengelenk blockiert ist, dann noch auf die Rippen knien und den anderen fixieren.

alternativ: an den Ohren reißen, unter den Kiefer in die Zahnnerven greifen und nach vorne ziehen etc. pp - alles, was weh tut und gemein ist ;-)

5. Würgen
a) mit beiden Händen von vorne: Nukite vor den Kehlkopf
b) mit der linken Hand die rechte Hand des Angreifers fixieren und mit dem rechten gestreckten Arm einen großen Bogen nach links auf den Arm des Gegners schlagen. Die Arme des Gegners sind durch die Fixierung eingeklemmt. Dann zurück, Konter Empi gegen den Kopf des Gegners.
c) Würgen mit dem Ellenbogen: Mit beiden Händen den Ellenbogen packen und und zur Seite schieben, so dass der Kehlkopf wieder frei wird. Jetzt weiterdrehen und mit der Schulter unter dem Arm des Angreifers durch, den Kopf greifen - oder den Arm blocken
d) Schwitzkasten: dem anderen auf beide Knie fassen und einfach "hinsetzen": Der Angreifer fällt auf den Hinterkopf, man selber fällt auf den Arm des Angreifers

6. Bodenlage - der Angreifer sitzt auf dem Opfer und umfasst die nach hinten gedrückten Arme am Handgelenk

Opfer schiebt Arme mit Ruck nach hinten (strecken) und winkelt die Knie noch weiter an, Füße so nah wie möglich an das Gesäß setzen. Dann ein Knie senken und den Angreifer zur Seite werfen.

III. Vom Sinn und Unsinn erlaubter Hilfsmittel
1. Tränengas: synthetisch, kleine Behälter sind schnell aufgebraucht, man muss voll draufhalten und sollte die komplett Flasche in einem Rutsch entleeren. Wie eine Wolke. Wirkt auf die Atmung, Augen, Schleimhäute, nimmt die Sicht, wirkt nicht oder stark eingeschränkt bei Alkoholeinfluss, Drogen etc. Wirkt nicht mehr, wenn das Ablaufdatum überschritten ist.

2. Pfefferspray: nicht synthetisch (tatsächlich aus Pfeffer), nur im Einsatz gegen Hunde erlaubt, wenn es gegen Hunde mitgeführt wird und gegen Menschen im Notfall eingesetzt wird, ist das ok (putativer Notwehrexzess), wirkt auf Haut (Kontakt), brennt wie Feuer und wenn man reflexartig auf die brennenden Stellen fasst, brennen anschließend auch die Hände. Dünner Strahl, keine Wolke.

3. Abwehrspray mit Färbung: Nimmt dem Angreifer vielleicht nicht so effektiv die Sinne wie 1. und 2., aber färbt ihn intensiv und lang anhaltend ein (auffällige Farbe). Ist ein bisschen wie Bauschaum.

4. Schrillalarm: lauter Piepton, soll Angreifer abschrecken und andere Leute aufmerksam machen. Klingt wie Auto-Sirene. Hört darauf jemand? Wenn es unglücklich runterfällt und auf dem Lautsprecher landet, hört man den Ton nicht mehr!

5. Elektroschocker: Ziemlich witzlos! Eine hohe Voltzahl bringt nichts, da die frei verkäuflichen Geräte nur 0,002 Amper haben - mehr ist hier nicht erlaubt. Polizei hat 0,2 Amper. Man muss schon die Halssschlagader treffen, um den anderen auszuschalten.

6. Kobutan: kleiner, ca. 25 cm langer Stift/Stab, ca. 0,5 cm Durchmesser, als Schlüsselanhänger bei amazon erhältlich, im Baumarkt kann man sich Rundholz zurecht schneiden lassen.

IV. Übungen mit Kobutan (Vertiefung beim nächsten Mal)

V. Drill zur Abwehr eines Schlages von vorne (Vertiefung beim nächsten Mal)