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Montag, 17. April 2017

Gedanken zum Training beim Spring Camp

Gruppe 3. und 4. Dan

Sehr viel Basics! Körperspannung, korrekter Einsatz der Hüfte, hintere Ferse am Boden, Kraftlinie durch den ganzen Körper!

Kihon mit Fokus auf Festigkeit

(Fast) Ausschließlich Kihon-Kumite-Formen (Gohon-, Sanbon- und Kihon-Ippon-Kumite), einmal Jiyu-Ippon-Kumite

Kumite-Training mit Harmonie, ohne "Absicht", der Geist muss frei sein, dann kann der andere nicht erkennen, was kommen könnte

Ist in der Gruppe kein (kontrollierter!) Kontakt chudan gewünscht? Wann soll man denn dann damit anfangen? Gar nicht? Wie soll man es dann üben? (Ich wurde von einem japanischen Trainingsteilnehmer ermahnt, meinen Partner beim Kumite nicht zu treffen)

Gruppen international - welches Niveau herrscht in den anderen Ländern? Wie sind die organisiert? Ich wurde in der ersten Einheit bewundernd angesehen, weil ich eine Bunkai-Übung früher verstanden hatte, als mein Partner. Ausgerechnet ICH! Wenn ich hier schon die Leuchte bin, was sind dann die anderen?

Übergang vom Kihon-Kumite zum Freikampf (beinahe) ohne Zwischenstopp beim Jiyu-Ippon-Kumite! Voraussetzungen schaffen durch Kihon und Kihon-Kumite!

Angriffe beim Kihon-Kumite nur Jodan und Chudan, kein Mae Geri

André San: Kihon-Ippon-Kumite immer grade rückwärts rausgehen! Wer hier Tai-Sabaki macht, hat im JKA-Honbu-Dojo verloren! Auch Mae und Yoko Geri grade raus blocken! Mae Geri mit der Rückseite des Unterarms, nach dem Kontakt erst weiter drehen.

Soto Uke: nach vorne schlagen, wie einen Angriff denken!

Auf Abstand achten (André San ... im Honbu-Dojo hatte da beinahe keiner drauf geachtet und sich alle erschrocken, wenn man aus dem richtigen Abstand heraus angegriffen hat!)

Mehr aufwärmen mit Karate! (kein Hampelmann ;-) )

Japaner wärmen sich VOR dem Training auf oder mit Karate. Die Warm-Up-Phase im Training ist ein Witz! (außer bei Naka im Dojo! Das mit den Bändern war recht effektiv!)


Dienstag, 28. Oktober 2014

Street Combatives - We do bad things to bad people

Vor ein paar Wochen erhielt ich von einem Karate- und Facebook-Freund eine Einladung zu einem eintägigen Selbstverteidigungs-Event in Olpe unter dem Namen "Street Combatives - ein Konzept stellt sich vor". Hinter diesem Konzept steckt ein Selbstverteidigungssystem, das an dem Punkt ansetzt, an dem bereits alle deeskalierenden Maßnahmen gescheitert sind - oder bei dem man lernt, intuitiv auf unverhoffte, unmittelbare Angriffe zu reagieren. Dementsprechend ist es absolut direkt, schnörkellos und verzichtet vollständig auf kunstvolle oder komplizierte Griffe, Tricks und Kniffe. Warum? Nun, weil wir im Ernstfall eine absolute Stresssituation haben, in der wir im Regelfall nicht mehr in der Lage sind, feinmotorisch zu arbeiten. Unser Coach veranschaulichte dies sehr schön an dem Beispiel, dass man in dieser Situation oft nicht mal mehr in der Lage ist, auf dem Handy 110 zu wählen, weil man einfach nicht mehr die (richtigen) Tasten trifft! 

Wir starteten in einer Gruppe von ca. 15 Personen mit unterschiedlichen Vorkenntnissen und -erfahrungen, verschiedenen Alters und unterschiedlichster Statur, ein knappes Drittel davon Frauen. Nach einer kurzen Begrüßung ging es für eine lockere Stunde zum Aufwärmen an die Pratzen. (Details zum Pratzentraining habe ich hier zusammengefasst). Was mich überraschte, war, dass wir immer nur die rechte Seite trainiert hatten - ich kann nicht sagen, ob das zum Konzept gehört, nach dem Motto: Lieber eine Seite ganz stark und die andere dann weglassen, oder ob dieser Aspekt der Tatsache geschuldet war, dass es sich ja nur um einen Vorstellungstag gehandelt hatte. 

Wenn man sich die Pratzen-Übungen näher anschaut, wird zumindest jede/r Karateka schnell feststellen, dass es sich bei diesen Techniken allesamt auch um Stöße und Schläge handelt, die wir auch in unserer Kampfkunst regelmäßig üben - wenn vielleicht auch nicht immer in dieser Konsequenz, Härte und Wiederholungsdichte. Obwohl es ja quasi ein "Straßenkampf-Seminar" war, verzichteten wir zumindest an diesem Tag komplett auf Schwinger oder andere eher karate-untypischen Techniken. Es wurde zudem auch auf dieselben Prinzipien und Schwerpunkte geachtet, wie im Karatetraining: Man schlägt oder stößt mit dem ganzen Körper, der Impuls kommt aus der Hüfte, die Bewegung erfolgt in einer Kettenreaktion durch den Körper. Mir persönlich hat es einen Riesenspaß gemacht, hier mal auf Hochtouren die Sau raus lassen zu können. Für Menschen, die selten an Pratzen trainieren oder dies noch gar nicht oder nicht oft gemacht haben, sei gesagt: Der passive Part (also der, bei dem man nicht schlägt, sondern die Pratze hält) kann durchaus härter sein, als der aktive Part! Mein Trainingspartner ließ mir jedenfalls keine ruhige Minute, wenn ich das kleine Schlagkissen an der Hand hatte! So ging es also etwa eine Stunde lang und uns wurde vom Trainer ein fürchterlicher Muskelkater prophezeit, der sich inzwischen auch eingestellt hat ;-) 

Nach einer kurzen Pause wanderten die Pratzen zunächst an die Seite und wir übten direkt am Partner. Es war abzusehen, dass es beim Sparring nicht zimperlich zur Sache gehen würde. Darum hat mich die Intensität und die Härte, mit der zumindest mein Partner und ich miteinander umgingen nicht überrascht - wenn ich ehrlich bin, mag ich es eine Spur härter ja sogar ganz gerne :-) Wir übten zunächst, wie wir reagieren, wenn jemand frontal auf uns zugelaufen kommt und uns an der Körpermitte umfassen will. Um den Aggressor zu stoppen, schlugen wir mit aller Kraft mit unseren Unterarmen auf die Schulterpartie, führten die Hände hinter dem Nacken zusammen (so dass wir auf die Innenseite unserer Unterarme blicken konnten) und drückten unsere Unterarme eng zusammen, so dass der Kopf des Gegners eingeklemmt wurde, er quasi mit der Nase an unserem Brustkorb stand.  Der Kopf war also ziemlich vertikal, während der Rücken abgewinkelt wurde. Durch diese Stellung befand sich unser Gegner in einer so ungünstigen Position, dass quasi seine Wirbelsäule blockiert war und er auch seitlich schlecht weg konnte. Jetzt hatten wir die Möglichkeit, z. B. den Kopf mit der einen Hand zu halten und den anderen Arm mit dem Ellenbogen zum Kinn zu schlagen. Hier war jetzt wirklich wichtig, ganz "kurz" zu schlagen, also tatsächlich die eigene Hand am eigenen Hals vorbei zu führen, sonst passte die Distanz nicht. Aus diesem Gememge konnten wir dann im Laufe der Trainingseinheit dann eine herrliche Rauferei entwickeln und man musste zuweilen schon ziemlich aufpassen, dass es keine bleibenden Blessuren gab. Ungeachtet der Ankündigung des Ausrichters Carsten Zimmermann hatte nämlich dann letztlich doch keiner oder kaum einer von uns irgendwelche Zahn-, Kopf- oder sonstigen Schützer angelegt. 

Für mich sehr wirkungsvoll war folgende Tatsache und Übung: Der Gegner rennt ja nicht zum Spaß auf uns zu und umklammert uns nicht, weil er uns so gern hat, sondern weil er uns letztlich zu Boden bringen will. Kritisch wird es daher für uns als Abwehrende, sobald der Griff an unsere Beine geht. Vielleicht stürzt sich der Gegner auch direkt auf unsere Beine - befindet sich also mit seinem Oberkörper unterhalb unseres Oberkörpers. Jetzt war es unsere Aufgabe (und das hat auch tatsächlich mehrfach supergut funktioniert), diese im Grunde ja überlegene Position auszunutzen, und uns einfach auf den Gegner drauf fallen zu lassen. Am Boden haben wir dann ja weiter "Oberwasser", da der Gegner platt wie eine Flunder unter uns liegt und quasi handlungsunfähig ist. Handlungsunfähigkeit ist ein gutes Stichwort, denn auch was unser Coach hinsichtlich der Konsequenz unseres Handels vermittelte, fand ich absolut überzeugend: Es ginge nicht darum, jemanden schwer oder gar letal zu verletzen - allein das Zufügen von (starken) Schmerzen reiche allerdings auch nicht aus. Vielmehr sei es wichtig, dass wir dem Gegner das Bewusstsein eintrübten oder vollständig nähmen. Wie auch ich es in meinen Kursen vermittele ist es ja so, dass Menschen, die uns angreifen, durch einen erheblich angehobenen Adrenalinspiegel und ggf. noch unter dem Einfluss von Drogen ein stark herabgesetztes Schmerzempfinden haben - selbst nach zum Teil starken Verletzungen lassen sie nicht vom Angriff ab! Die Sicht nehmen, das Bewusstsein - nur so können wir sicher den Ort des Geschehens verlassen. 

Mein Trainingspartner Arthur und ich überlegten schon an dieser Stelle einige Gemeinheiten, wie man den Gegner überwältigen könnte, z. B. wenn man quasi von oben auf dessen Hinterkopf blickt, seitlich über den Kopf ins Gesicht zu greifen, Lippe, Nase und ggf. Auge zu greifen und den Kopf an diesen Fixpunkten umzureißen. Dies wurde dann später auch vom Coach vorgeschlagen. Ebenso schön war hinterher sein Vorschlag, dem Gegner ein Ohr abzureißen, anschließend bei einer Aufwärtsbewegung mit dem Daumen (ohne Ohr ;-) ) ein Auge auszustechen und ihm dann noch mit dem Ellenbogen den Rest zu geben. Leider konnten wir wegen der kleinen Anzahl an Trainingsteilnehmern diese radikale Übung nur andeuten ;-) aber auch so machte es schon einen Heidenspaß! 

Gegen Ende des Nachmittags - ich hatte schon wegen der Zeitumstellung in der Nacht zuvor und auch wegen der Fülle der Trainingseindrücke ein wenig das Zeitgefühl verloren - wurden wir dann zum Partnerwechsel aufgefordert und sollten jetzt locker das Eingeübte im freien Sparring ausprobieren. Ahäm, ich hab dann ja nach so einem Vollgas-Nachmittag immer ein bisschen das Problem, wirklich locker zu werden und zu bleiben. Der Coach spielte jetzt zum Showdown dann auch noch Musik und startete mit Poison (was ich zum Einstimmen auf der Hinfahrt schon im Auto hatte laufen lassen :-) ). Schnell wurde klar, dass es so nichts wird mit dem lockeren Training, denn der Rock ging schnell ins Blut und ich möchte mir nicht ausmalen, wie wir bei noch härteren Beats aufgedreht hätten. Zu unser aller Überraschung gab es dann im nächsten Durchgang Reggae und wir wurden tatsächlich alle ruhiger! Es sei einfach zu gefährlich, eine Trainingseinheit mit harter Musik ausklingen zu lassen - dann habe man keinen positiven Trainingseffekt, sondern viele, viele Verletzungen. Auf diese Weise wechselten wir dann noch einige Male durch, so dass wir eine Vielzahl von Partnerinnen und Partnern kennen lernen konnten. Es war jedes mal ein herzliches und herzhaftes Miteinander und hat super viel Spaß gemacht! 

Zusammenfassend muss ich sagen, dass mich das Konzept vollumfänglich überzeugt hat. Street Combatives ist für mich eine sehr gute Möglichkeit, zu überprüfen, welche Karatetechniken im Ernstfall funktionieren bzw. wie sie bestmöglich ausgeführt werden müssen, damit sie überzeugen.  Es hat mich doch ziemlich beruhigt, dass meine 30 Jahre Karatetraining doch offenbar nicht ganz vergebens waren und ich auch losgelöst vom Shotokan-Training wirkungsvoll zu funktionieren scheine. Ich werde die entsprechenden Veranstaltungstermine auf jeden Fall mal im Auge behalten und sicher noch an dem ein oder anderen vergleichbaren Event teilnehmen. 

Spaß gemacht hat's! Danke, Arthur für die Einladung :-)