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Samstag, 5. Januar 2013

Übungseiterfortbildung mit Marcus Haack

Der heutige Übungsleiterlehrgang mit Marcus Haack hatte folgende Schwerpunktthemen:

  • Plyometrie und Reaktivkrafttraining
  • Kraft- und Koordinationstraining
  • Zweikampftraining (im Breitensport und als Vorbereitung für das Kumite für Kinder) und spielerisches Taktiktraining sowie
  • Differenzielles Lernen (Lernen mit und durch Fehler(n))

und bot uns natürlich wieder eine Fülle von abwechselungsreichen Aufwärm- und Spielübungen.

Das Thema Plyometrie und Reaktivität war meinem Trainingspartner und mir schon sehr vertraut: verschiedene Sprungkraftübungen mit möglichst kurzem Bodenkontakt. Da das Sprungkrafttraining leider sehr gelenkbelastend ist, konnte ich bei den folgenden Übungen nur zusehen: auf und/oder über kleine und größere Turnhallen-Kästen springen, alternativ über Lidl-Kartons - es gab eine Fülle von Übungen aus dem Bereich, speziell für die Beine/die Wade.
Für den Oberkörper (Arme/Schulter) gab es vergleichsweise wenige Übungen: einen Handstand mit "Handsprung" oder eine Partnerübung mit Medizinball (einer liegt auf dem Rücken auf dem Boden, der andere steht mit den Füßen am Kopf des Liegenden und lässt aus ca. 1 m Höhe einen Medizinball auf den Liegenden fallen. Dieser versucht, den Ball mit den Händen aufzufangen und unmittelbar wieder hoch zu stoßen).
Um den Trainingserfolg des Sprungkrafttrainings zu messen, wurden zwei Methoden vorgeschlagen:
1. Jump-and-Reach-Test: an einer (Hallen)Wand hochspringen und an der höchsten Stelle (z. B. mit etwas Kreide am Finger) eine Markierung setzen
2. 3er (oder 5er) Hopp: ab einer Startlinie drei (fünf) Sprünge auf einem Bein absolvieren
Hier müssen dann die Ursprungswerte mit den Werten nach Ende einer gewissen Trainingsphase verglichen werden.

Aufwärm- und Spielübungen: 
Für das tägliche Training verschiedener Alters- und Leistungsgruppen immer hervorragend zu gebrauchen waren die zahlreichen Aufwärm- und Spielübungen. Hier die wichtigsten Beispiele:

  • auf einem Bein in der Waage stehen, Arme zur Seite ausstrecken, Daumen nach oben zeigen lassen; das Bein hinten absetzen und dynamisch das andere wieder in die Waage führen
  • durcheinander laufen und dabei versuchen, anderen auf den Po zu schlagen (Variablen möglich)
  • partnerweise aufeinander zu laufen und re/li die Hände aneinander schlagen, dann re/li die Füße aneinander führen (Variablen möglich)
  • Koordinationsleiter:
    • verschiedene Sprungvarianten üben
    • als Zusatzvariante dazu in die Hände klatschen, z. B. oben, vorne, hinter dem Rücken oder
    • mit angezogenem Knie hochspringen und unter dem Knie die Hände zusammen führen
    • beim Sprung um 90 Grad o. ä. drehen
    • doppelt auf einem Bein springen, dann wechseln
    • auch möglich: die Koordinationsleiter mit verschiedenen Abständen zwischen den "Sprossen" auslegen
    • oder: erst eine Bahn grade nach vorne auslegen und am Ende der Bahn eine Quer-Bahn einfügen
    • man kann auch zwei Bahnen parallel auslegen und die Gruppe in zwei Mannschaften aufteilen die dann im Wettlauf die Bahnen überqueren müssen
    • ggf. auch als Staffelwettkampf möglich
  • Sumo: Beide stehen voreinander im Sochin Dachi, je einen Ellenbogen waagerecht vor den       Ellenbogen des anderen, anderen Arm senkrecht aufstellen mit dem Ellenbogen an der Faust des       waagerechten Arms; auf Kommando den anderen am Gürtel/Gi packen und versuchen, ihn aus       dem Gleichgewicht zu bringen. Wer zuerst einen Fuß vom Boden lösen muss, hat verloren
  • Variante zum Sumo (speziell für Anfänger geeignet, da kein Gi / Obi erforderlich ist): die Partner       fassen sich gegenseitig an einer Hand, Arm gestreckt und versuchen, sich gegenseitig auf den Po       zu schlagen
  • im Kreis stehen und den Ball so zuwerfen, dass jeder den Ball einmal fängt. Im nächsten Durchgang dieselbe Reihenfolge beibehalten; dann rückwärts (das geht auch als Kennlernspiel mit Namen- nennen); oder: einen Ball weiter vorwärts werfen, einen weiteren (anders aussehenden) ins Spiel bringen und den rückwärts werfen; Variante: zusätzlich noch einen dritten Ball rechts oder links rum im Kreis herumgehen lassen.
  • alle laufen durch die Halle, es wird ein Ball zu geworfen - wer ihn fängt, muss eine Aufgabe erfüllen (z. B. Mae-Geri ausführen) und den Ball wieder weitergeben; im Spielverlauf werden weitere (anders aussehende Bälle ausgegeben, die andere Aufgaben "auslösen")


Differenzielles Lernen: 
Definition: Grundlegend für das Differenzielle Lernen ist die Variation der Bewegungen im weiteren Umkreis von Bewegungsidealen. Hierbei kommt es insbesondere zu einer Neubewertung von Bewegungs-Fehlern. Diese Fehler, die nach traditionellen Trainingsmethoden zu vermeiden sind, werden bewusst in den Trainingsprozess integriert. Das folgt Erkenntnissen, nach denen die exakte Wiederholung einer Bewegung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht möglich ist und jeder Sportler über sehr individuelle Bewegungen verfügt. (Quelle: Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Differenzielles_Lernen)

Marcus forderte uns auf, in der Gruppe die Sinnhaftigkeit und Anwendbarkeit des Differenziellen Lernens auf das Karatetraining zu diskutieren. Insgesamt fanden sich nach einer Weile doch zahlreiche Umsetzungsmöglichkeiten und Übungen, die bereits praktiziert werden. Eine Option ist etwa das Schlagen von Tsukis aus dem Stand im Winkel von 45 Grad nach außen (statt nach vorne), wie wir es etwa beim Double Impact gemacht haben; möglich ist auch, vor einem Tsuki oder Geri einen Sprung um 360 Grad zu fordern oder mal einen Tsuki nach oben oder mit nach außen stehenden Daumen (also mal absichtlich falsch) zu fordern, damit die Trainierenden bewusst das Gefühl bekommen, dass sich die Technik irgendwie falsch anfühlt und man dann bewusst und "gerne" zur richtigen Variante zurückkehrt. Auch wenn es "ketzerisch" erscheint, bewusst falsche Ausführungen von Techniken in Kauf zu nehmen oder gar vorzugeben, fanden die meisten von uns diesen Trainingsansatz sehr interessant.

Wir waren uns alle einig, dass diese Trainingsform nicht für Anfängergruppen geeignet ist, sondern nur für Karateka, die schon eine Ahnung davon haben, wie eine Technik "richtig" sein soll. Es sollte vorher angesagt werden, dass "wir heute mal etwas Besonderes machen", dass die folgenden Techniken nicht dem Standardtraining entsprechen. Der Trainer bekommt in dieser Übungsform noch mehr als sonst einen Vorbildcharakter und m. E. ist es wichtig, dass man am Ende der Trainingseinheit die Gruppe wieder "auf den richtigen Weg" führt. Besonders gut geeignet ist diese Trainingsform für Phasen, in denen ein Verlust der Leistungsfähigkeit bewusst in Kauf genommen wird (z. B. nach besonders intensiven Trainingsphasen vor Prüfungen oder Wettkämpfen).

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Strategie, ab und an mal das Training (oder Teile des Trainings) durch die Trainierenden, insbesondere auch durch Kinder und Jugendliche, leiten zu lassen. Dies kann z. B. auch einmal so aussehen, dass die Teilnehmer mal eine einzelne Technik erklären, eine Aufwärm- oder Dehnübung oder ein Spiel (Kinder machen dies meist sehr gerne!).

Kumite für Kinder ab 12 Jahren: 
Lebhaft diskutiert wurde in der Gruppe, ob es sinnvoll ist, Kinder bereits ab 12 Jahre auf Wettkämpfen im Freikampf starten zu lassen. Es waren sich alle einig, dass die Auswahl potenzieller Starter hier besonders verantwortungsvoll und sorgfältig erfolgen muss. Das Für und Wider dieses Diskussionspunktes ist unmöglich hier komplett wiederzugeben. M. E. gilt es, abzuwarten, wie sich die Wettkampfszene in dieser Altersgruppe entwickelt. Es sollte vermieden werden, die Kinder möglichst schnell zum Braungurt "heranzuzüchten", da besonders der Freikampf auf Wettkämpfen neben der Körper- und Technikbeherrschung auch eine gewisse Reife voraussetzt. Das Basistraining sollte auf keinen Fall zu Gunsten einer Versportlichung vernachlässigt werden.

Im Zusammenhang mit dieser Diskussion wurde festgestellt, dass allgemein das Taktiktraining zu kurz kommt. Es wurden Ideen gesammelt, durch die das Taktiktraining bereits von Anfang an Einzug in das Karatetraining integriert werden könnte, ohne dass die Sauberkeit der Grundtechniken leidet. Auf diese Weise könnte bereits von Anfang an die Beweglichkeit der Trainierenden gefördert werden. Das Training könnte durch gezielte "Taktik-Phasen" bereits von Anfang an den kämpferischen Aspekt des Karate betonen - erst lernen, "was" zu tun ist, dann "wie". Ein weiterer Vorteil wäre, dass insbesondere Kinder und Jugendliche länger und insbesondere auch über die Pubertät hinaus für Karate begeistert werden können.

Teaching Games for Understanding - so der wissenschaftliche Begriff. Es ist leider ad hoc nicht viel auf deutschen Seiten darüber im Netz zu finden. Hier mal ein Beispiel aus dem Bereich Tischtennis: http://www.uni-giessen.de/IfS-SportCasts/wp-content/uploads/tgfu_tischtennis.pdf Die Grundidee ist, dass bei (Wett)Kampfsportarten für die Aktiven ja grundsätzlich auch die Idee, zu kämpfen oder zu wetteifern im Vordergrund steht. Warum soll jemand, der Handball spielen will, darum seine überwiegende Trainingszeit damit "vergeuden", sich Bälle zu zupassen? Zu einer Trainingseinheit im Mannschaftssport sollte daher immer auch ein Spiel gehören. Warum kann das nicht auch beim Karate umgesetzt werden? Anfänger können durch die Zweikampfspiele gefordert und gefördert werden. Der Anspruch kann mit zunehmenden Fertig- und Fähigkeiten gesteigert werden. Am Ende einer Oberstufeneinheit besteht ja häufig heute schon eine Trainingsphase aus dem Element Freikampf/Randori. Wenn dies aber erst bei den Braun- und Schwarzgurten umgesetzt wird, fehlt häufig beim Übergang in die Oberstufe die Beweglichkeit, der Kampfgedanke. Die Aktiven haben Scheu vor dem Zweikampf und springen leider häufig genug als Grün- oder Violettgurte ab oder entwickeln sich nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiter.

Taktiktraining - aber wie? Es könnte z. B. einmal im Monat eine reine Einheit mit Zweikampfspielen eingeführt werden. Am Ende der Einheit könnte man in einer Schlussrunde die Karateka bitten, mitzuteilen, worauf jeweils Sieg oder Niederlage bei den Kämpfen zurückzuführen waren. Diese Punkte können dann z. B. durch einen Moderator schriftlich festgehalten werden.

Krafttraining
Beim Thema Krafttraining wurde im Wesentlichen auf die Inhalte des letzten Übungsleiterkurses aufgebaut. Es wurde betont, dass unzählige Wiederholungen der selben Übung (z. B. hunderte von Sit-ups) nur wenig Fortschritt bringen. Es ist eher sinnvoll, bei einer gewissen Gewöhnung an eine Übung den Trainingsreiz dadurch zu erhöhen, dass man zusätzliche Gewichte nimmt. Bei Sit-Ups könnte dies z. B. durch einen Medizinball oder ein anderes Gewicht erfolgen, dass man bei der Übung in den Armen hält.

Insgesamt wurde wieder der Unterschied herausgearbeitet zwischen

  • Maximalkraft: 1 Wdh mit 95 bis 100 % Gewicht bei gut Trainierten oder 2 - 5 Wdh mit 90 - 95 %
  • Schnellkraft: 60 % Gewicht, explosive Ausführung, Wdh so oft, bis sich Bewegung verlangsamt
  • Kraftausdauer: 20 - 30 Wdh, langsame, kontrollierte Ausführung (z. B. im 2-2er Rhythmus), 40 % des Maximalgewichts; eine gute Kraftausdauer führt zu einer schnelleren Regeneration der Muskeln
  • Hypertrohpietraining (=Muskelquerschnittserweiterung): 8 - 15 Wdh, 70 - 80 % des Maximalgewichts, langsame ausführung.


Die aktuell sehr populären Übungen aus dem Bereich Functional-/Core-Training wurden allgemein als sehr sinnvoll angesehen. Es gab hierzu allerdings keine speziellen Beispielübungen.

Das Schnellkrafttraining ist insbesondere bei den Extremitäten sinnvoll. Hierzu passt ja das anfangs erläuterte Prinzip der Plyometrie/Reaktivität ganz ausgezeichnet. Als Schnellkraftübung für die Arme ist auch das Zupassen von Medizinbällen eine schöne Übung. Marcus zeigte uns in diesem Zusammenhang ein Video aus dem Bereich des Box-Trainings: Hier wurde eine Langhantel vom Boden aufgehoben, vor der Brust gehalten und dann ein- oder mehrere Male nach vorne gestoßen, bevor sie wieder unten abgelegt wurde. Es wurde diskutiert, ob die Übung sich zur Vorbereitung auf den Karate-Tsuki eignet. Einige der anwesenden Trainer meinten, die Kraft müsste bei der Übung schon zu früh gebremst werden, damit das Gewicht nicht "in die Gelenke schlägt". Meiner Meinung nach ist der Ansatz, den Stoß schnell nach vorne auszuführen, aber schon sehr passend und auch das Abstoppen der Vorwärtsbewegung ist m. E. sinnvoll, da wir ja auch den Tsuki vor dem Ziel stoppen, um den Stoß zu kontrollieren.