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Mittwoch, 22. April 2020

Tokugawa Tsunayoshi - der Hunde-Shogun

Foto: Wikipedia
In der Dojo-freien Corona-Zeit beschäftige ich mich grade über verschiedene Medien mit dem Leben der Samurai. Hierzu habe ich mir ein E-Book zugelegt (Die Samurai von Wolfgang Schwentker, Beck-Verlag) und es gibt eine kurzweilige, dreiteilige Doku bei ZDF Info via youtube Doku Samurai 2015 - Japans Krieger. Hier wird in Teil drei der Shogun Tokugawa Tsunayoshi erwähnt, der von seinen Zeitgenossen den Spitznamen "Hunde-Shogun" erhielt.

Tsunayoshi war ein Urenkel des Dynastie-Begründers Tokugawa Ieyasu, der nach dem Sieg bei der Schlacht von Sekigahara im Jahre 1600 Japan von der so genannten Sengoku-Zeit ("Zeit der kriegführenden Lande") in die Edo-Zeit überführte (benannt nach der Hauptstadt Edo, heute Tokio). Die Edo-Zeit beinhaltet die längste Friedenszeit der japanischen Geschichte, die über 250 Jahre andauerte. Die Kultur der Samurai änderte sich in diesen 250 Jahren grundlegend, da kriegerische Einsätze nur noch sehr selten vorkamen. Gleichwohl war es üblich, dass die Tokugawa Shogune eine Samurai-Ausbildung erhielten - so auch Tsunayoshis älterer Bruder, der für das Amt des Shogun vorgesehen war. Tsunayoshi selbst wurde nicht kriegerisch ausgebildet und nicht auf politische Ämter vorbereitet, sondern genoss eine allgemeinere Schulbildung, geprägt von den Lehren des Buddhismus und des Konfuzianismus.

Als Tsunayoshi nach dem frühen Tod seines Bruders das Amt des Shogun übernahm, führte dies daher zu einem Wandel der japanischen Gesellschaft: Tsunayoshi waren Bildung und Kultur wichtiger als kriegerische Heldentaten und Kriegsherren, die seine Gunst erringen wollten, konnten sich eher durch die Förderung der Künste und des Buchdrucks hervortun, als durch martialisches Kräftemessen. Die Regentschaft Tsunayoshis wurde somit zu einer Zeit der kulturellen Blüte Japans.

Auch wenn er einerseits durchaus ein machtbewusster Politiker war, der nicht davor zurückscheute, intrigante Einflussgeber beseitigen zu lassen, verurteilte Tokugawa Tsunayoshi bedingt durch seine Erziehung Gewalt grundsätzlich. So erließ er unter anderem die "Gesetze zum Mitleid gegenüber Lebewesen" (Shōrui Awaremi no Rei). Dieses Gesetz schützte erstmals z. B. auch Menschen aus den unteren Schichten, speziell auch Kinder. Zur damaligen Zeit war es nicht unüblich, dass Familien, Kinder, die sie nicht ernähren konnten, aussetzen. Diesen Kindern drohte meist ein hartes Schicksal, oftmals mussten sie schlichtweg verhungern! Tsunayoshi verfügte, dass sich Beamte um die Kinder sorgen und ihnen ein neues Zuhause finden mussten.

Tsunayoshi war im Jahr des Hundes geboren. Ob dies nun den Ausschlag gab, dass ihm besonders auch das Wohl der Hunde am Herzen lag? Jedenfalls erließ der Schogun auch ein striktes - und für damalige Zeiten vermutlich höchst ungewöhnliches - Gesetz zum Schutz von (und vor) Hunden: Viele der Samurai hielten nämlich zahlreiche Hunde in ihren Palästen. Oftmals entliefen die Tiere oder wurden ausgesetzt, so dass eine große Anzahl frei herumlaufender Hunde Edo unsicher machte und vor allem auch schutzlose Kinder angriffen und verletzten. Manch anderer Herrscher hätte die Tiere vermutlich einfangen und töten lassen, um der Plage Herr zu werden. Nicht so Tsunayoshi: Er verfügte, dass die Tiere eingesammelt und in Heimen für Hunde untergebracht und gefüttert werden sollten. Die Daimyo Edos mussten für die Kosten aufkommen. Wenn Hunde starben, so sollten sie in die Berge gebracht und dort begraben werden - nicht weniger aufwendig als Menschen. Der Legende nach beschwerte sich einst ein Bauer, der seinen Hund beschwerlich in die Berge tragen musste, darüber gegenüber seinem Nachbarn. Dieser soll geantwortet haben: "Sei froh, dass der Shogun im Jahr des Hundes geboren ist! Wäre er im Jahr des Pferdes geboren, hättest Du noch viel schwerer zu tragen." Dieses für damalige Zeiten ungewöhnliche Gesetz zum Wohle der Hunde brachte Tokugawa Tsunayoshi den Spitznamen Hunde-Shogun (Inu Kubō) ein.

Der Schutz der Schwachen hatte aber ihren Preis und so stiegen die Staatsausgaben unter Tokugawa Tsunayoshi weiter an. Das Shogunat hatte ohnehin schon mit hohen Ausgaben zu kämpfen, da das Aufrechterhalten der Kriegerkaste, die aus Mangel an kriegerischen Auseinandersetzungen im Grunde überflüssig geworden war und nur zum Teil durch Verwaltungsaufgaben beschäftigt werden konnte, immense Kosten verursachte. Brände, Missernten und Erdbeben belasteten Japan in dieser Epoche zusätzlich. In die Zeit der Regentschaft Tokugawa Tsunayoshis fielen übrigens auch die Ereignisse der 47 Ronin, die im buddhistischen Tempel Sengaku-ji in Tokio begraben sind.

Freitag, 25. Oktober 2019

Fire And Fighting Are The Flowers of Edo

Höflichkeit, Respekt, Disziplin, Pünktlichkeit - das alles sind Werte, die wir auch in unserer japanischen Kampfkunst Karate leben. Torsten und ich haben grade zwei Wochen Japan erleben dürfen - und wir sind wieder einmal beeindruckt von der gelebten japanischen Kultur!

Die Höflichkeit und die Disziplin beim Schlangestehen an den Zügen haben mir wieder sehr imponiert - kein Schubsen, kein Drängeln - und wenn man mal aus Versehen jemanden anrempelt, dann wird sich fünfmal entschuldigt! Respektvoll wird älteren Menschen oder Eltern mit kleinen Kindern der Sitzplatz angeboten.

Erst aktuell bei meinem dritten Japanaufenthalt, habe ich es erlebt, dass Schnellzüge (Shinkansen) einmal ausgefallen bzw. deren Betrieb eingestellt wurden - Grund war ein angekündigter Taifun, der schwerste, der seit rund 50 Jahren auf die Insel treffen sollte! Am Folgetag hatten die Schnellzüge im Schnitt 5 Minuten Verspätung! In Deutschland hätte so eine Naturkatastrophe vermutlich wochenlang für Ausfälle und Verspätungen gesorgt!

Zudem sind die Stadtbilder von Sauberkeit geprägt - kein Müll liegt herum. Und das, obgleich es in der Öffentlichkeit kaum Mülleimer gibt! Besucher von Sportstätten wie z. B. dem Budokan in Naha auf Okinawa werden gebeten, ihren (Verpackungs)Müll mit nach Hause zu nehmen. An den Häuserwänden gibt es keine Graffiti oder Schmierereien, es liegen keine Zigarettenstummel auf den Bürgersteigen herum. Wenn man ein privates Haus betritt, werden die Schuhe ausgezogen (im Übrigen gilt das auch für einige öffentliche Gebäude, wie das Budokan), damit kein Dreck hinein getragen wird.

All dies wird häufig begleitet von großer Achtsamkeit - beim Bezahlen im Geschäft werden Kreditkarte oder Geldschein mit beiden Händen angereicht und das Bezahlen wird mit einer kleinen Verbeugung begleitet.

Für Unannehmlichkeiten wird sich vielfach entschuldigt - wie z. B. auch an einer Baustelle auf Okinawa gesehen:

Am Tag unserer Anreise fegte grade Taifun Hagibis über die Insel - und am nächsten Morgen sah man in den Straßen Tokios - nichts! Alles lief zumindest augenscheinlich wie immer! Ich kann mir vorstellen, dass dieses Land so wie es ist, nur funktioniert, wenn viele Menschen viel arbeiten und ich habe bereits eine Ahnung davon, dass dies nicht immer so gewertschätzt wird, wie wir dies in Europa kennen und wünschen. Dennoch habe ich hier nie ein Klagen vernommen und niemand scheint sich aufzulehnen oder zu murren. Man tut halt, was zu tun ist, damit die Gemeinschaft funktioniert. 

Vielleicht hat diese Lebenshaltung - kombiniert mit den oben erwähnten Werten - etwas mit der Geschichte des Landes zu tun, speziell mit der Edo Zeit! 

Als Edo Epoche wird die Zeit von ca. 1600 bis zur Meji Restauration Ende des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Das Land wurde vom Tokugawa-Clan regiert, einem Shogunat, begründet durch Tokugawa Ieyasu. Die Samurai, welche bis zum Beginn der Edo-Zeit ausschließlich Krieger waren, wurden nun Höflinge, Bürokraten und Administratoren. Es wurde erwartet, dass ein Samurai diesen neuen Aufgaben mit derselben Hingabe, Intensität und Loyalität nachkam, wie zuvor dem Kriegshandwerk. Zudem gehörten Dichtung, Malerei, Kaligraphie und andere Künste zu den "To-Dos" der adeligen Kriegerkaste. 
Diese gelebte Hingabe an alltägliche Tätigkeiten und der Anspruch an Ästhetik sehe ich auch im japanischen Alltag mit beeindruckender Deutlichkeit. 

Wie auch grade an den Auswirkungen des Taifuns Hagibis erlebt, war und sind die Menschen in Japan regelmäßig Opfer verheerender Naturkatastrophen wie Stürmen, Sturmfluten, Taifunen, Tsunamis, Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Früher noch mehr als heute brachten viele dieser Ereignisse auch starke Feuersbrünste mit sich, die Häuser und Ernten vernichteten, Menschenleben kosteten. Bereits in vergangenen Epochen hat dies aber die meisten Menschen, die hier leben, nicht verzagt, sondern offenbar für großen Zusammenhalt gesorgt, der zur Folge hatte und hat, dass Schäden schnell beseitigt und das normale Leben wieder aufgenommen werden konnten. 

In einer heute besuchten Ausstellung im Edo-Tokio-Museum fand ich den Satz "Fire And Fighting Are The Flowers Of Edo" - wie bizarr auf den ersten Blick und wie beeindruckend auf den zweiten! Aus Katastrophen stark werden, zusammenhalten zu können und eine von vielen Werten geprägte Gemeinschaft zu gestalten - das finde ich wundervoll!