
Am 30.06. und 01.07.2018 fand in Halle (Westfalen) der inzwischen vierte Lehrgang mit André Bertel Sensei statt. Mein Katamann Torsten war schon viele Jahre lang ein großer Bewunderer von André und seiner Art, Karate zu trainieren und zu lehren, als vor vier Jahren unsere Karatefreunde Frank Köhler und Peter Lampe erstmals André nach Deutschland (Krefeld) brachten. Es folgten weitere Lehrgänge in Krefeld und Ahrensburg und inzwischen waren Torsten und ich auch zweimal bei André in Japan zu Gast. Jetzt konnten Peter und sein Dojo sich als hervorragende Gastgeber beim Lehrgang in Halle präsentieren - für uns Münsteraner fast ein Heimspiel und für viele der von England, Spanien, Polen oder Frankreich angereisten Karatefreunde wieder eine weite Reise! Begleitet wurden wir diesmal durch Gerrit und Kai - zwei weiteren Fujis, die sich sehr gut in die hochkarätige Trainingsgruppe und "Bertelianer" eingereiht hatten. Vor allem der erst 13-jährige Kai hatte offenbar überhaupt keine Probleme damit, sich die für uns alle neue Kata Kakuyoku Sandan aus der Asai-Schule anzueignen!
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Gerrit, Kai, André Sensei, ich und Torsten |
Doch egal ob weit oder nah - der Lehrgang war jede Reise Wert! Für Torsten und mich sind die Trainings mit André Sensei vor allem auch deshalb so wertvoll, weil sie wie maßgeschneidert auf unseren derzeitigen Karateweg passen: Ausgelöst wurde dieser Weg vor knapp 20 Jahren durch meine erste Begegnung mit Risto Kiiskilä Sensei, der mir durch die Offenbarung seines Karate-Systems wie kein anderer beibrachte, dass "alle Techniken gleich" sind und wie Physik und Gravitation die Effektivität von Karatetechniken bestimmen. Viele Jahre später verkündete vom anderen Ende der Welt der großartige Naka Sensei sehr ähnliche Prinzipien, die wie Puzzleteilchen in meinen neuen Karate-Kosmos passten. Zu allem Glück verfolgt auch unser Karatefreund Andreas Klein Sensei sehr ähnliche Grundsätze. Dass nun auch Übungen von André Bertel ebenfalls in dieses Konzept passen, zeigt einfach, dass all diese Lehrmeinungen nicht so ganz verkehrt sein können. So kam es auch am vergangenen Wochenende immer wieder vor, dass Torsten und ich uns leise lächelnd anblickten, wenn André z. B. erklärte, dass ein Fuß, den man zum Einnehmen einer Karatestellung vorwärts schiebt, weder auf dem Ballen, noch auf der Ferse bewegt werden darf, sondern mit dem kleinen Zeh voran. Auch Risto erklärt dies schon seit Jahren so: "Der Fuß darf nicht stottern, darum muss der kleine Zeh zuerst vor gehen."
Vor dem eigentlichen Training gab es einige Informationen zur Budo-Etikette. Dies scheint generell in Japan aktuell ein großes Thema zu sein, denn auch Naka Sensei hatte ja zuletzt einen großen Wert auf das Niederknien, Verbeugen und Aufstehen gelegt. So versäumte es auch André Sensei nicht, uns hier ein paar Hinweise zu geben: Niederknien und Aufstehen mit aufrechter Haltung und natürlich ohne Zuhilfenahme der Hände. Bei der Verbeugung sollte der Kopf nicht bis zum Boden geführt werden - dies sei der große Unterschied zu einer religiösen Verbeugung, die bis zum Boden geführt würde. Beim Aufstehen erklärte auch André, dass zunächst der rechte Fuß aufgestellt und dann der Körper erhoben werden sollte. Nun zum Training: Am Anfang stand der Tsuki - zumindest bei diesem Lehrgang in Halle im Sommer 2018. Insgesamt muss gesagt werden, dass André San, der Fußtechniken liebt, uns diesmal auffallend wenige Keri Waza trainieren ließ. Das Seminar in Halle war einerseits gespickt mit Technikdetails auf höchstem Niveau - andererseits aber auch sehr basisorientiert. Für mich war es ein gutes Gefühl, bei vielen bereits bekannten Übungen auf neue Details achten zu können. Und ich denke, es ging vielen anderen Lehrgangsteilnehmenden ebenso, denn es gab sehr viele "Wiederholungstäter/innen", sehr viele regelrechte André-Bertel-Fans, die schon viele seiner Prinzipien verinnerlichen. Der Tsuki, z. B. , wurde nicht nur als Choku-Tsuki im Stand gradeaus trainiert, sondern auch 45 Grad diagonal, 90 Grad, mit Viertel-, halber und 360-Grad-Drehung. Die Kunst ist, auch bei einer vorher durchgeführten Körperdrehung, den Tsuki anschließend auf den Punkt auszuführen. Die Drehung sollte am Besten auf dem Ballen ausgeführt werden, um die Körperachsen grade zu halten und nicht zu schlingern. Eine schöne Variante war es dann, auch den Soto Uke aus der Drehung heraus auszuführen und dann mit Partner eine Angriffs-Konter-Kombination daraus zu machen: Einer dreht sich um 360 Grad rechts herum und führt anschließend Tsuki aus, der andere führt gegenüber die volle Drehung aus und versucht, genau im richtigen Moment zu "landen" und den Tsuki mit dem Soto Uke zu blocken.
Eine schöne Nuance, die wir - wenn auch mit anderen Worten erklärt - auch von Risto kennen, war die Aufforderung, den Tsuki-Arm möglichst spät zu drehen: Durch eine Drehung der Faust kurz vor dem Ziel hat der Tsuki mehr "Bumms" und viel mehr Kraft und Dynamik. Um uns dies anschaulich zu demonstrieren, wies André Sensei uns an, eine Partner/innen-Übung durchzuführen, bei der eine/r Choku Tsuki ausführt und der andere versucht, diesen aus einer Kamae-Haltung mit den Armen abzuleiten: Wurde die Faust des Tsuki früh gedreht, war ein Ableiten meist kein Problem. Erfolgte die Drehung erst kurz vor dem Ziel, konnte die Technik fast nicht mehr abgeleitet werden. Und auch Risto erklärt uns dies seit Jahren, allerdings so: "Die Faust trifft nur, geschlagen wird mit dem Ellenbogen. Der Ellenbogen muss voll hinter der Faust stehen und sie ins Ziel bringen." Von Risto kennen wir die Beschreibung, dass der Ellenbogen des Tsuki-Arm nach unten zeigen und die Schulter des gestreckten Arms nicht eine Linie mit dem Oberkörper bilden soll, sondern möglichst weit vor geht. Hierdurch kommt man dem Ziel nicht nur viele Zentimeter näher - die optimale Gelenkstellung bewirkt zudem noch eine optimale Kraftübertragung, ohne dass große Muskelkräfte erforderlich sind. Und auch André forderte diese Armhaltung und Gelenkstellung von uns!
Das Prinzip, Techniken ohne viel Kraft auszuführen, dafür mit mehr Schnelligkeit und Lockerheit, gehört ebenfalls zum Konzept unseres aus Neuseeland stammenden Karatefreundes André San. Um uns den "Dampf" aus den Techniken zu nehmen, ließ er uns zur Vorbereitung auf eine neue Übung z. B. zehn Sekunden lang Tsuki schlagen, so schnell wir konnten. Das ist nicht nur ziemlich anstrengend, sondern macht auch locker für die Folgetechniken, weil man anschließend einfach nicht mehr mit so viel Anspannung schlagen KANN! Ich kann mich erinnern, dass mein Sensei Michael Jarchau vor vielen Jahren auch schon so eine Vorbereitungsübung unterrichtet hat.
Auch für das Hikite wurde uns eine Anwendungsidee gegeben: Mit dem Arm, der das Hikte durchführt, sollten wir unserem Partner am Ärmel fassen und ihn durch den Ruck aus dem Gleichgewicht bringen und anschließend außen am Arm des Partners vorbei gehen. Als Folgetechnik schlug André einen Soto Uke, Gedan Barei oder Age Uke vor, um am Arm des Partners (knapp oberhalb des Ellbogengelenks) einen Hebel anzusetzen. Wie schon vor einigen Jahren in Krefeld kam auch jetzt wieder der Hinweis, dass der Block-Arm möglichst mit der Arm-Rückseite auftreffen sollte, statt seitlich mit der Elle: Die Rückseite des Armes hat zwei stabile Knochen und noch Muskelmasse darüber, während die Elle ein einzelner, recht fragiler Knochen ist, der zudem meist ungeschützt auf den Widerstand trifft und schneller brechen kann. Vor allem beim Block eines Mae Geri mit Gedan Barei habe ich dies auch in der Vergangenheit schon mit Erfolg umgesetzt. Für eine andere Variante, den Partner mit einem Hebel zu fixieren, führten wir zunächst eine Art Tanz aus: Der Partner wurde mit beiden Händen an einem Arm gefasst und es wurden mit ihm Drehungen wie beim Tanzen ausgeführt, durch die mal der eine, mal der andere unter den Armen her tauchen musste.
André erklärte uns aber nicht nur, wie wir den Partner hebeln und fixieren - er gab uns auch Tipps, wie man aus einer Fixierung wieder herauskommt - ganz nach der Idee von Armin Hutter, der mich kürzlich im Rahmen meines Studiengangs zur geprüften Selbstverteidigungstrainerin unterwiesen hat: Wenn der eigene Arm auf der Schulter des Partners liegt und der Ellbogen blockiert wird, kann man durch einen Stich mit den Fingern in den Rücken des Partners (etwa auf Höhe der unteren Rippen) dafür sorgen, dass der Partner zusammensackt und die Blockade gelöst wird.
Nanu? Was war denn hier passiert? Wir waren ja über recht banale Basistechniken plötzlich in den Bereich der Selbstverteiedigung gerutscht! Einfach fantastisch, wie André es schafft, ohne großen Schnickschnack Kihon zur Anwendung zu bringen! Und so ging es gleich weiter - mit interessanten Applikationen zu verschiedenen Kata, zum Beispiel, indem Technikfolgen der Bassai Dai (Anfang) und Heian Sandan (Mikazuki Geri) und Folgetechnik als Selbstverteidigung à la Schwitzkasten genutzt wurden. So führten wir z. B. mit dem rechten Arm eine Bewegung aus, die dem Kraulschlag beim Schwimmen ähnelt und fädelten den Arm so hintenrum um den Hals des Partners, führten den Arm dann mit der Hand an unsere Hüfte wie bei Heian Sandan im Zusammenhang mit den Mikazuku Geri. Natürlich kann man so einen Schwitzkasten nicht "aus dem Nichts" ansetzen. Deshalb schlug André uns vor, zuvor eine Eingangstechnik - japanisch: iriguchi - auszuführen, z. B. mit einem kurzen "Peitschenschlag" (siehe mehr dazu zur Beschreibung von Tag 2) gegen den Oberschenkel oder einen anderen Körperteil des Partners. Es ging munter weiter, in dem der Haltende die Fixierung des Partners im Schwitzkasten nutzte, sich hinhockte und schließlich absetzte, wobei der Partner beinahe zwangsläufig über den Kopf des Haltenden gerollt und hinter diesem zu Boden gebracht wurde. Ich hatte anfangs Probleme mit dieser Übung, weil Torsten immer genau über mein Gesicht gerollt war. Nach zwei, drei Versuchen hatte ich es raus, ihn etwas seitlich "rüberrollen" zu lassen. Die hohe Kunst war es dann, sofort wieder auf dem Partner zu sitzen zu kommen und die Arme des Partners mit den Knien zu fixieren. Zunächst gelang dies weder Torsten, noch mir und es entwickelten sich spaßige Rangeleien am Boden :-)
Die zweite Trainingseinheit leitete Peter Lampe mit einem exakt auf den Punkt passenden Aufwärmtraining ein: keine Sekunde zu lang, alle Körperteile vorbereitend! Wir begannen den Technikteil dann mit Oi Tsuki aus dem Zenkutsu Dachi. Bereits während unserer Japan-Fortbildung in Oita lernten wir bei André, dass die Arme früher zu starten haben. Und, ja, auch unser Freund Andreas Klein hat mit dem aus Neuseeland stammenden Karatemeister Bertel nicht nur den Vornahmen (beinahe) gemein, sondern auch dieses Trainingsprinzip, denn auch in den letzten Einheiten bei Andreas lernten wir, den Tsuki schneller auf den Weg zu schicken. In einigen Runden Gohon Kumite probierten wir jetzt in Halle aus, ob wir den Partner durch diese Veränderung besser unter Druck bringen konnten. Konsequenter Weise musste aber auch der Block schneller losgeschickt werden, so dass sich - wenn beide das Prinzip umsetzten - zwar kein Vorteil ergab, das Kumite im Ganzen aber dynamischer und explosiver ausfiel. "All techniques are the same," sagte André Sensei dann irgendwann und obwohl Torsten grade nicht in meiner Sichtweite stand, ahnte ich doch, dass ihm ein Grinsen auf dem Gesicht lag, weil auch er daran denken musste, dass dieses auch die mit schöner Regelmäßigkeit wiederholten Worte unseres geschätzten finnischen Instructors sind! Und weil ja alle Techniken gleich sind, muss das Prinzip, dass die Arme schneller starten müssen, als die Beine, ja auch für Kata gelten! Wir übten daher Heian Shodan unter dem Aspekt dieses neuen Trainingsdetails. Es war fantastisch, wie viel effektiver sich plötzlich Kata anfühlte!
Beim Berlin-Lehrgang mit den Senseis Kiiskilä und Naka wurde das Risto-Training von einem unserer Karatefreunde noch abwertend belächelt, weil angezweifelt wurde, dass es mehrere Arten des Gyaku-Tsuki gibt. Ich hatte bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass Risto gar nicht der Erste und erst Recht nicht der Einzige ist, der verschiedene Arten der Ausführung beim Gyaku-Tsuki erklärt und wer das als Schwarzgurt noch nie gehört hat, der muss sich eigentlich fragen, was er die letzten Jahre trainiert hat! Aber egal - nun eben auch André Sensei, der uns in Varianten dieser Technik unterwies. Zunächst wurde die Hüftstellung beim Tate Shuto Uke im Zenkutsu (hanmi) erklärt und wieder musste ich lächeln, als André erklärte, dass die Karate-Hüfte nicht in den Hüftknochen liegt, sondern im - na? - genau: hinteren Oberschenkel! Und wer hat's schon immer so erklärt? Richtig: Risto Sensei! :-) Dass beim Ausdrehen der Hüfte das hintere Bein nicht gestreckt ist, sondern gebeugt, war zwar den meisten Karateka beim Lehrgang klar, aber wohl nicht allen und so nahm André dies zum Anlass, die exakte Beinstellung zu erklären. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass das hintere Knie nicht wie beim Sochin Dachi nach außen zeigt, sondern nach unten. Wie auch Andreas Klein es immer erklärt, soll beim Kizami Tsuki im Zenkutsu Dachi der vordere Fuß belastet werden, während beim Gyaku Tsuki Druck vom hinteren Bein ausgelöst wird. Auch den Gyaku Tsuki im Zenkutsu übten wir in Verbindung mit einer Drehbewegung um das vordere Bein herum. Hierbei stabil zum Stehen zu kommen, ohne zu wackeln oder schräg im Raum zu stehen, das war schon eine echte Herausforderung! André San wies darauf hin, dass die Drehung im Zenkutsu auf der Hacke erfolgen sollte. Es kam dann zu einer allgemeineren Erklärung hinsichtlich der Frage, wann auf dem Ballen und wann auf der Hacke gedreht werden müsse und da muss ich gestehen, dass ich mit Andrés Erklärungen ausnahmsweise mal nicht 100 % konform bin. Torsten und ich hatten vor einigen Jahren im Rahmen des Czech Gasshuku mal in einer Diskussion unter uns die These aufgestellt, dass man bei einer Wendung (es sind dann beide Füße auf dem Boden) auf der Hacke drehen muss, während man bei einer Drehbewegung eines einzelnen Fußes (z. B. zur Ausführung eines Mawashi Geri oder Ushiro Geri) auf dem Ballen drehen muss, um die Körperachse nicht zu verschieben und nicht zuletzt auch um Bänder und Gelenke nicht zu gefährden. André hat einen anderen Denkansatz, der sich darauf bezieht, ob man sich vorwärts oder rückwärts bewegt. Bei einem Ushiro Geri (Rückwärtsdrehung) sollte man demzufolge auf der Hacke drehen. Als er es demonstrierte, meinten Torsten und ich aber gesehen zu haben, dass der erste Teil der Bewegung auf dem Ballen ausgeführt und erst am Ende von der Hacke aus abgedrückt wurde, um noch etwas Distanz zu überbrücken. Vielleicht ist André bei weiteren Trainings mit uns so freundlich, dieses Thema mit uns noch etwas zu diskutieren.
In Ahrensburg hatten wir vor zwei Jahren bei André die Kata Seiryu kennen gelernt - eine nach dem Weidenbaum benannte Kata von Asai Shihan. Der Bezug zur Weide ergibt sich durch die Idee, dass sich die Arme bei Ausführung der Kata wie Weidenzweige bewegen sollen. Und diese Armbewegung nutzten wir jetzt im Zusammenhang mit einer Partnerübung, um den Gyaku Tsuki abzuwehren: Uke sollte einfach mit einer peitschenählichen Bewegung von oben auf den Tsuki draufschlagen. Und ja - mir fällt so etwas immer noch sehr schwer! Diese Lockerheit habe ich einfach (noch) nicht! In der Folge sollten wir im Anschluss an den Peitschenblock seitlich am Partner vorbei gehen und mit der rechten Hand wieder peitschartig einen Konter am Kopf des Partners platzieren. Alternativ war es auch möglich, den Partner zu fegen.
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Domo arigatou gozaimasu, André San! |
Den Abend verbrachten wir - zusammengefasst gesagt - eigentlich hauptsächlich mit unserer Karatefreundin Jutta vom Bushido Münster in einer Eisdiele :-) Naja, das wäre jetzt wohl doch etwas übertrieben, aber wir saßen rund zweieinhalb Stunden dort und unterhielten uns bestens, bevor es un im Schatten Trotz des sommerlichen Wetters zu kühl wurde und wir zur Trainingshalle zurückfuhren, wo wir feststellen mussten, dass wir wohl den Höhepunkt des Buffets schon verpasst hatten. Es waren aber noch genau drei Dinkelburger und Salat für uns übrig, so dass wir uns stärken konnten, bevor wir noch zahlreiche nette Gespräche führen und relativ zeitig ins Bett kamen.
Das zeitige Zubettgehen war gar nicht so dumm, denn am nächsten Morgen wartete André Sensei schon um 9 Uhr auf uns in der Halle. Ich hatte noch gar nicht erwähnt, dass es bei den Lehrgängen mit André San immer nur eine Trainingsgruppe gibt, bei der sich alle interessierten Karateka ab ca. Grüngurt tummelten. Eine Unterstufe gibt es demnach nicht.
Das Training begann mit einem weiteren Aufwärmtraining durch Peter Lampe, das uns wieder optimal vorbereitete! Weiter ging es mit einer Wiederholung der Choku-Tsuki-Kombinationen. Aber immer wenn man denkt, etwas in irgendeiner Form zu können, kommt eine kleine Variante und man (respektive: ich) steht auf dem Schlauch! In diesem Fall sollten wir Faust durch Teisho ersetzen, die Hand also nicht schließen, sondern mit dem Handballen treffen. Weiter gings mit Heian I-V - immer unter der Berücksichtigung des bisher Gelernten und natürlich auch mit neuen Details. So ist es z. B. wichtig, den Tetsui Uchi bei Heian Shodan in einer besonders großen Bewegung auszuführen, andernfalls könne er keinen Schaden anrichten, so André. Zu Beginn der Heian Nidan konnten wir schön die schnellere Ausführung der Arme üben - ebenso bei Heian Jondan. Den Uraken als Begleitung des Yoko Ger Keage in Heian Nidan sollten wir dem Vorschlag Andrés zufolge eher als Tate Tsuki denken und ihn parallel zum Bein stoßen. Dass André - wie Risto empfiehlt, beim Vorschieben eines Fußes den "kleinen Zeh zuerst" zu schieben, um ein "Stottern" des Fußes zu vermeiden, hatte ich ja bereits erwähnt.
Und plötzlich waren wir wieder in einer Selbstverteidigungssituation - und zwar in einem zünftigen Gerangel, ganz nach meinem Geschmack :-) Ein Partner sollte dem anderen am Kragen packen und der Festgehaltene sollte versuchen, sich durch Drehen seines Oberkörpers aus dem Griff herauszuwinden. Dies gelang dann, wenn man nicht versuchte, hierbei die Arme über die festhaltenden Arme zu erheben. Im weiteren Verlauf der Übung sollten wir auch versuchen, das Herauswinden mit einer Karatetechnik zu kombinieren (Empi, Tsuki, Uraken, Keri etc.).
Und dann kam der Trainingsteil, auf den sich mein Katamann schon so gefreut hatte: eine Kata aus der Kakuyoku-Serie von Asai Shihan! Eigentlich hatte Torsten ein bisschen auf Kakuyoku Nidan spekuliert - die hatte André mit uns nämlich kürzlich in Japan trainiert! Dieser Wunsch ging zwar nicht in Erfüllung, aber die Alternative, nämlich mit Kakuyoku Sandan eine ganz neue Kata, war für ihn wohl nicht minder spannend! Wir übten in Etappen, wobei André haarklein die Details erklärte. ich blickte hin und wieder auf unsere Karateschüler Kai und Gerrit und musste neidvoll anerkennen, dass die beiden - und besonders Kai - mit spielerischer Leichtigkeit diese Kata erlernten und schnell fehlerfrei ausführten! Respekt! Ich bin leider eine sehr langsame Kata-Schülerin und muss mich immer sehr bemühen, neue Abläufe zu erlernen! Die Kata hat ihren Namen (Kakuyoku bedeutet Kranichschwinge) von besonderen Grifftechniken. Mir gefällt die Kata sehr gut und ich konnte sie am Ende auch eingermaßen mitlaufen. Torsten war natürlich sehr schnell "drin" und wurde von André zusammen mit drei anderen Karateka - darunter unsere Freunde Sergio und David aus Spanien - zu Demonstrationszwecken nach vorne gebeten. Ich habe mich sehr für Torsten über die Anerkennung gefreut, die ihm von André San bei diesem Lehrgang entgegen gebracht wurde: Mehrfach wurde er zum Vormachen und auch zum "Einstecken" ziemlich konsequenter Techniken nach vorne geholt und schließlich war seine Demonstration der Kata Kakuyoku Sandan auch noch sehr beeindruckend:
Video: Torsten beim Lehrgang mit André Bertel Sensei in Halle 2018
Die Kata endet merkwürdiger Weise nicht an der Stelle, an der sie beginnt. Das mag keine große Rolle spielen, da sie keine Wettkampfkata ist. durch den Sprung am Ende der Kata kommt man dem Ausgangspunkt wohl ein bisschen entgegen, landet aber wohl nie an der Stelle, an der begonnen wurde. Ein Sprung ist nicht "cool" oder "schick", so André Sensei. Man springt vielmehr ausschließlich zu dem Zweck in die Höhe, weil man durch den Sprung den Körper vom Untergrund löst, um anschließend das Körpergewicht zur Verstärkung der Technik zu nutzen!
Nach einer kurzen Pause von ca. 45 Minuten läutete André Sensei den Endspurt des dann doch irgendwie zu kurzen Lehrgangs ein. Leider waren meine Knochen schon müde für die Besonderheiten dieser Einheit - Keri Waza und "Freikampf" aus der Hocke sowie ziemlich akrobatische Fußfege- und Wurftechniken (darunter auch den Überkopf-Wurf Tomo Nage) wollten einfach nicht recht gelingen! Wie auch immer, wir mussten uns der Herausforderung stellen und kamen auch irgendwie durch. Am Ende der letzten Einheit fühlte ich mich allerdings wie ein schlechter Weißgurt und war demnach deutlich ernüchtert, was mein "Karate-Können" angeht. Naja, das kann sicher auch nicht schaden.
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in der Mitte: David und Sergio aus Spanien |
Unser Karatefreund Peter hatte uns aber glücklicher Weise schon vor der zweiten Einheit dazu eingeladen, nach dem offiziellen Lehrgangsende noch für ein weiteres, privates Training mit André San zu bleiben. In einer sehr kleinen, beinahe familären Runde, bestehend aus Torsten, Jutta, Sergio, David, noch zwei oder drei weiteren Karateka und mir lernten wir dann Meikyo Nidan und Junro Godan - zwei sehr spannende neue Kata, die sich Torsten hoffentlich vom Ablauf her gemerkt hat :-) Ich bin sehr dankbar, dass ich an diesem etwa eine Dreiviertelstunde dauernden Sondertraining noch teilnehmen durfte. Das war ein richtig schöner Lehrgangsabschluss! Domo arigatou gozaimasu, André San und vielen Dank auch an das Dojo Halle mit den vielen Helferinnen und Helfern!