KATA Spezial 2025 transportiert JKA-Standards
Das KATA-Spezial 2025 stand unter dem Stern der JKA-Standardisierung. Im DJKB wurde mit Rücksicht auf unseren SHIHAN Ochi bisher weitgehend auf die Umsetzung der aktuellen JKA-Standards verzichtet. Dies ist einerseits nachvollziehbar - andererseits bedauerlich und oftmals auch verwirrend. Denn speziell die auf unseren Großveranstaltungen eingeladenen JKA-Instrucor*innen vermitteln bereits seit vielen Jahren KARATE im Rahmen der JKA-Standardisierung. Werden auf Lehrgängen konkrete Details erklärt, sorgt dies zuweilen für Widerspruch oder Unverständnis. Ich erinnere mich an ein Ereignis beim GASSHUKU 2016 in Konstanz: Hirayama SENSEI erklärte die BASSAI DAI mit einer extra Zählzeit beim KOSHI GAMAE vor dem ersten YAMA TSUKI. Es kam die Frage aus der Riege der Trainierenden: "Seit wann wird dass denn so gemacht?" - Hirayama SENSEI reagierte irritiert: "Schon immer!" (fairerweise muss man sagen, dass selbst Ochi SENSEI diese Extra-Zählzeit berücksichtigt).
KATA richtig zählen
Jede KATA hat also eine festgelegte Anzahl gezählter Bewegungen und jeder Bewegung ist eine bestimmte Zählzeit zugeordnet. Die Trainings beim Czech GASSHUKU sind durchgehend an den JKA-Vorgaben orientiert. Daher haben wir in der Schwarzgurt-Trainingsgruppe dort bereits intensiv geübt, verschiedene KATA entsprechend der Vorgaben zu zählen. Man zählt dabei die Bewegungen von eins bis zehn und beginnt dann wieder bei eins. Die KATA HEIAN SHODAN umfasst auf diese Weise 21 Zählzeiten, HEIAN NIDAN 26, HEIAN SANDAN 20, ... BASSAI DAI 42 ... CHINTE 32 und so weiter. Auch die Positionen der KIAI müssen dann natürlich auf bestimmten Zählzeiten liegen - bei HEIAN SHODAN beispielsweise immer genau auf 9 und 17. All das sind keine neuen "Erfindungen" und nicht einer "Mode" geschuldet - werden im DJKB aber selten angewandt. Richtig "neu" ist dieser Standard jedoch nicht: Ich erinnere mich an einen Lehrgang mit Shirai SHIHAN in 2011, den Torsten und ich in Braunschweig besucht hatten. Dort hieß es plötzlich: "So, nun BUNKAI GOJUSHIHOSHO - Techniken 28 bis 34." Alle Shirai-Schüler*innen legten fleißig los, während Torsten und mir die KATA-Zählweise damals noch komplett unbekannt war und mit großen Fragezeichen im Kopf wie dumm da standen! Das war für uns eine ganz neue Trainingswelt.
KIAI können wandern oder entfallen
Ein KARATEKA aus einem anderen Münsteraner Dojo äußerte sich in einer Trainingspause des diesjährigen GASSHUKU irritiert über die Verschiebung der KIAI in der Kata CHINTE, auf die Toribio Sensei hingewiesen hatte. Tatsächlich hat Toribio Sensei die neuen Standars ausführlich erklärt und auch die standardisierte Zählweise berücksichtigt. Um die Akzeptanz der Standards zu erhöhen, macht es Sinn, möglichst auch noch die Hintergründe der Änderungen zu nennen. Das Aufheben des ersten KIAI bei der CHINTE an der ursprünglichen Stelle geschah meines Wissens nach, weil die Technik nur über eine sehr kurze KIME-Phase verfügt, da sofort danach eine 180-Grad-Wendung erfolgt. Ähnlich verlief es bei der KATA MEIKYO, die aktuell nur noch über ein KIAI verfügt.
Es geht nicht nur um KATA
Aber es geht nicht nur um KATA-Feinheiten: Auch die Art Ausführung der einzelnen Techniken ist von der JKA vorgegeben. Die Ausholbewegung zum MANJI UKE wird beispielsweise seit vielen Jahren so unterrichtet, dass sie mit geöffneten Handflächen erfolgt. KATA sind kein Selbstzweck, sondern eine Trainingsmethode, durch die wir Techniken wiederholt üben und durch die sich eine Routine einschleifen soll. MANJI UKE wird daher selbstverständlich nicht nur in KATA so ausgeführt, sondern auch im normalen KIHON Training. Und es muss bereits 2012 gewesen sein, als Ogata SENSEI auf dem GASSHUKU in Konstanz erklärte, das hintere Bein müsse im ZENKUTSU DACHI bei der Hüft-Stellung "HANMI" leicht gebeugt sein - und nicht grade durchgestreckt. Inzwischen ist die durch die leichte Bein-Beugung erzeugte Vorspannung bei der HANMI-Poisiton allseits bekannt.
Auch bestimmte Bewegungsmuster wie "Vorgehen ohne Stoppen am Standbein" oder Ausweichen mit "Belasten und Benutzen" - die z.B. auch Risto Kiiskilä seit vielen Jahren vermittelt, gehören zum JKA-Standard. Es geht im KARATE ja nicht nur darum, irgendwann in einer bestimmten Position zu "stehen" (z.B. ZENKUTSU DACHI mit AGE UKE) - mindestens genauso wichtig ist die Frage, wie man in diese Position gelangt, wie man sich allgemein bewegt.
Irrtümer durch traditionelle BUDO-Lehrweise und Übersetzungsfehler
Aber wie kann das kommen, dass die Regeln der JKA (noch) nicht weltweit gelten? Zunächst mag vielen Dojo-Leitenden die direkte Anbindung zum JKA-Headquater fehlen. KARATE-Fortbildungen in Japan sind kostspielig und zeitaufwändig, so dass es auch für die meisten DOJO-SENSEI ein Traum bleiben wird, direkt an der Quelle unseres KARATE-Wissens zu lernen. Zudem basierte das traditionelle BUDO-Training jahrhundertelang auf "Zusehen und Nachmachen". Dass Techniken, Bewegungsmuster, Hintergründe konkret erklärt wurden - selbst dass ein Nachfragen im Unterricht erlaubt wäre - das gehört erst seit wenigen Jahren zu den Unterrichtsmethoden asiatischer Kampfkünste. Die JKA-Instructor-Ausbildung hat sich hier in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich modernisiert, so dass nun auch im KARATE nach aus unserer Sicht "modernen" Lehrmethoden unterrichtet wird. Wenn es in der Vergangenheit mündliche Erklärungen gab, so waren diese zum Teil sehr vereinfacht und führten vielleicht auch durch unsere mangelnden Japanisch-Kenntnisse oder Übersetzungsfehler zu Missverständnissen. So möchte ich nicht ausschließen, dass man früher bei der Beschreibung des ZENKUTSU-DACHI gesagt hat: "Das vordere Bein ist gebeugt und das hintere Bein ist (im Vergleich zur starken Beugung des vorderen Beins) eher grade." Dass es trotzdem nicht im Gelenk ganz durchgestreckt sein sollte, war vermutlich erstmal nicht so wichtig und sollte dann eben durch "Nachmachen" erkannt werden.
Wichtige Zeitenwende im DJKB
Für uns KARATEKA des DJKB ist es nun an der Zeit, die JKA-Standards zu übernehmen. Ochi SENSEI hat sich damit einverstanden erklärt. Auf dem Kata Spezial haben in unserer Trainingsgruppe neben Ogura SHIHAN vor allem Thomas Schulze SENSEI und Toribio Osterkamp SENSEI diesen Transfer gut umgesetzt. SENSEI Jean-Pierre Fischer vermittelt viele der Standards bereits seit ich ihn kenne. Die KYU-Grade werden mit dem Wandel groß. Es fällt eher uns langjährigen KARATEKA schwer, uns umzustellen. Gleichwohl ist die geistige Flexibilität wichtig und wegweisend. Denn künftig werden zunächst die DAN-Prüfungen nach JKA-Vorgaben durchgeführt und wer die Umstellung verschlafen hat, wird zwangsläufig erneut antreten müssen. Auch auf Wettkämpfen wird sich durch eine engere Anbindung des DJKB an die JKA ein Erfolg künftig nur noch einstellen, wenn die internationalen Standards vermittelt wurden. Bei den internationalen Wettkämpfen ist dieser Wechsel bereits vollzogen und auch bei größeren nationalen Wettkämpfen wird die Umstellung unumgänglich sein. Last but not least sind wir weltweit eine große JKA-KARATE-Familie! Und wer bei japanischen Instructoren oder auch in fremden Ländern weltweit trainieren möchte, sollte nicht nur die japanischen Fachbegriffe für verschiedene Techniken beherrschen, sondern auch die übrigen Standards unseres JKA-KARATE. Tradition zu leben bedeutet bekanntlich nicht, jegliche nützliche Modernisierung zu verweigern.
Das Vermächtnis SHIHAN Ochis
Es äußern sich noch immer einige Stimmen kritisch, man würde das Vermächtnis SHIHAN Ochis entehren, wenn man nun die Neuheiten mitmachte. Meiner Ansicht nach ist dies ein Trugschluss - und vielleicht auch eine kleine Ausrede, warum man sich nicht mit neuem KARATE-Wissen beschäftigen möchte? Das Lebenswerk SHIHAN Ochis besteht nicht in der Art der Ausführung einzelner Techniken oder seiner Art, Kata zu zählen. Sein Vermächtnis an uns und sein unendlich großer Verdienst ist es, einen der größten (wenn nicht DEN größten) JKA-Verband der Welt aufgebaut und diesen durch die Kraft seiner Persönlichkeit über Jahrzehnte hinweg zusammengehalten zu haben. Wenn es unser Anliegen sein sollte, Ochi SENSEI weiterhin und auch zukünftig zu ehren, dann sollten wir uns als große DJKB-Gemeinschaft auf die für uns neuen Pfade begeben und mit der weltweiten JKA-Familie zusammenwachsen.
PS: Anbei der Link auf das JKA Instructor Manual in dem sich auf den Seiten 15 und 16 die Kata mit ihren vorgegebenen Zählzeiten befinden :-)