Sonntag, 11. März 2018

Realistische Selbstverteidigung mit Marcus Neumann

Am 10.03.2018 war Marcus Neumann bei uns zu Gast. Marcus ist Ausbilder von Einsatzkräften in Essen, Mülheim, Oberhausen und Duisburg. Der Mann weiß also, was er tut, sagt und empfiehlt. Marcus ist ein guter Freund unseres Coaches und immer gern gesehen Gastes Ralf Bongartz und die beiden decken zusammen das ganze Spektrum des Eigenschutzes ab: Ralf vermittelt wie kein anderer die ersten Stufen Aufmerksamkeit, Kommunikation und Deeskalation und Marcus geht beinahe ausschließlich auf die Stufen der Selbstbehauptung und des technischen Eigenschutzes ein. Die Härte und Konsequenz, mit der er vorgeht, beweisen, dass er sich nicht nur zum Spaß mit diesen Skills beschäftigt, sondern dass er sie zum Überleben in seinem Arbeitsalltag benötigt und anderen auch zu diesem Zweck vermittelt.

Marcus hatte es mit einer sehr heterogenen Gruppe zu tun, die sich Anfang März bei uns einfand: angefangen mit dem 13-jährigen Florian und meiner 17-jährigen Tochter Johanna über zahlreiche Erwachsene mit und ohne Kampfkunsthintergrund bis hin zu unserem Senior Thomas, der vor etwa einem Jahr über einen „Ü 50-Selbstverteidigungskurs“ zu uns in die Karateschule kam. Marcus’ Motto ist: „Verkaufe Dich so teuer wie möglich!“ Mach es einem Angreifer schwer, kassiere keine Schläge ein, denn schon ein einziger Schlag kann tödlich sein! Wir starteten mit Status-Übungen aus dem Bereich der Selbstbehauptung – und auch hier ging es gleich zu Beginn sehr intensiv zur Sache, denn bei einer Abgrenzungsübung bewegten wir uns gleich laut pöbelnd auf den Partner/die Partnerin zu. „Mein Status ist mein Handeln in Zeit und Raum“, so Marcus, der mehrfach Bezug nahm auf die Lehre von Prof. Dr. Uwe Füllgrabe, dessen Bücher „Überleben ist kein Zufall“ oder auch die (etwas theoretischere Abhandlung der) „Psychologie der Eigensicherung“ ich wärmstens empfehlen kann!

Marcus hat sich an diesem Nachmittag bei uns nicht mit der Entstehung von Gewalt beschäftigt, sondern nur mit unserer möglichen Reaktion auf Menschen, die es aus absolut niederen Beweggründen darauf abgesehen haben, uns zu schaden. Das war also kein Kuschelkurs und kein Seminar für Weicheier an diesem Nachmittag und es ging neben der Vermittlung effektiver Befreiungs- und Schlagtechniken (Tritte kamen abgesehen von einem gelegentlichen Fußfeger oder Kneelift so gut wie gar nicht vor) vor allem um Stressresitenz und Schmerztoleranz. Schmerzen und Angst aushalten zu können bzw. mit ihnen umzugehen  – das sind auch aus meiner Sicht sehr wichtige Elemente des Eigenschutzes. So gab es neben den Partner/innen-Übungen auch viele Übungen in „Situationen“ – „Stell Dir vor, Du wirst mit Deinem Kumpel eingekreist und Ihr müsst Euch gegen mehrere Angreifer verteidigen – was ist da wichtig?“ Schulterschluss, natürlich und bedingungslose Konsequenz in der Abwehr!

Unsere Schlagkissen und Handpratzen kamen daher an diesem Nachmittag umfassend zum Einsatz und ebenso die Faustschützer und Boxhandschuhe. Ein Highlight war ganz unbestritten die Türsteherübung, bei denen einzelne Teilnehmende versuchen sollten, als Türsteher/in ihre Tür zu verteidigen (simuliert durch einen Durchgang zwischen zwei ausgelegten großen Schlagkissen. Aber auch die anderen Facetten der Lehre von Marcus waren sehr herausfordernd und spannend! Sehr interessant ist sein Wing-Tsun-Hintergrund mit Bewegungen, die auch für mich als langjährige Kampfkunst-Trainierende im Karate eine Herausforderung sind und  gleichwohl sehr effektiv! Wie beim Einblick in andere Eigenschutz-Systeme habe ich auch bei Marcus allerdings das irgendwie beruhigende Gefühl, durch konsequentes, regelmäßiges und vor allem intensives Karatetraining gut vorbereitet zu sein und meinen Körper gut einsetzen zu können. Dass Techniken nicht nur z. B. mit dem Arm, sondern mit dem ganzen Körper ausgeführt werden, das lernen wir auch beim Karate. Fauststöße sind für uns „Tagesgeschäft“ und auch den rückwärtigen Fauststoß können wir mit links (und natürlich auch mit rechts J ). Marcus hat aus dem Wing Tsun in Verbindung mit seinem beruflichen Hintergrund spezielle Bewegungsmuster entwickelt, die wir vor dem Spiegel einübten. Diese dann auch in den stressbasierten Übungen einzusetzen, bedarf aber vermutlich noch einiger Jahre Übung. Daher hoffe ich, dass Marcus noch oft unser Gast sein wird!





Sonntag, 4. März 2018

Karatetraining - immer wieder ein "heißes Date"

Ganz aktuell hatte ich zwei, drei Gespräche mit Karatekindern bzw. deren Eltern. Es ging um die Kleidung, in der sie zum Training erschienen bzw. gebracht wurden. Ein Junge trug einen total zerknitterten Gi mit Flecken (Schokolade?), der vermutlich schon lange keine Waschmaschine mehr von innen gesehen hatte (überhaupt jemals?). Ein anderer Junge betrat das Dojo mit einem grün-blauen Kapuzenpullover unter dem Gi, der mich ein wenig an das Aussehen des Krümelmonsters erinnerte (also der Pullover, nicht der Gi....).

Im ersten Fall hatte ich den Jungen gebeten, seiner Mutter den Gi zu geben, damit sie ihn einmal gut durchwaschen kann. Den zweiten Jungen hatte ich aufgefordert, den Pullover auszuziehen, bevor wir mit dem Training begannen. Ich gebe zu, es ist zuweilen recht kalt bei uns im Dojo und dass kleine Kinder ein T-Shirt unter der Gi-Jacke tragen, kann ich verstehen. Allerdings werden die Kinder immer wieder darauf hingewiesen, dass dies möglichst ein weißes oder helles Shirt ohne auffällige Musterung sein sollte.

Als dann letzte Woche verspätet - also nach Trainingsbeginn -  ein Mädchen in einem rosafarbenem Rüschenkleid durch die Dojo-Tür geschoben wurde, habe ich kurz die Fassung verloren! Die Mutter wollte sich leider auch nicht auf Anhieb davon überzeugen lassen, dass ein Kleid nicht die passende Kleidung für den Karateunterricht ist. Erst auf massives Insistieren meinerseits wurde dem Mädchen, dessen Anzug angeblich in der Wäsche war, das Kleid aus und ein Paar neutrale Leggings angezogen.

Die letzte Begegnung hatte mich gedanklich doch etwas beschäftigt und auch geärgert. Das Einhalten bestimmter Äußerlichkeiten oder Verhaltensweisen hat in meinen Augen etwas mit Wertschätzung zu tun - den Trainerinnen und Trainern gegenüber und vor allem auch den Trainingspartnerinnen und -partnern.

Für mich ist Karatetraining wie ein Date, wie eine Verabredung zum Essen mit einem guten Freund oder einer lieben Freundin. Für Kinder ist das vielleicht vergleichbar mit einer Einladung zu einem Kindergeburtstag oder einer Veranstaltung in ihrer Kita oder Schule. Ich trainiere sehr gerne Karate und freue mich auch nach über 30 Jahren noch auf jedes Training.

Ich habe feste Termine, an denen ich Karate trainiere und wie bei einer Verabredung mit einem Freund halte ich diese Termine auch ein (es sei denn, ich habe Fieber oder Brechdurchfall oder ich bin im Urlaub).

Zu einer Verabredung erscheine ich pünktlich. Wenn ich mich zu einer Verabredung oder bei einer Theatervorstellung verspäte, störe und verärgere ich andere und das sollte daher die absolute Ausnahme sein. So ist es auch im Karatetraining: Zuspätkommen stört den Ablauf (vor allem, wenn ich während der Kurzmeditation in die Halle komme!). Es lenkt die Trainierenden ab und unterbricht den Trainingsfluss.

Wenn man zu einer Verabredung geht oder auch zu einem offiziellen (schulischen oder beruflichen Termin), wählt man passende Kleidung: In die Schule geht es nicht im Badeanzug und bei einer Verabredung zum Spielen ist wohl nur selten der Sonntagsanzug angemessen. So ist es auch beim Karatetraining: Abgesehen vom Schnuppertraining wird im Do Gi trainiert.

Wie bei einem Date gilt: Die Kleidung ist gepflegt und sauber. Am Abend vor jedem Training überlege ich, ob ich eine Waschmaschine mit Karategis anschmeißen muss, damit ich am nächsten Tag einen gewaschen Gi einpacken kann. Ich gebe zu, dass meine Gis selten ein Bügeleisen sehen, aber ich hänge sie so auf die Leine, dass sie möglichst glatt sind, der Rest zieht sich beim Anziehen stramm :-) . Wenn ich direkt von der Arbeit zum Dojo muss, habe ich meine Sachen am Morgen oder am Vorabend schon bereit gelegt. Wer häufig und fleißig trainiert (mehr als zweimal die Woche), braucht wohl mehr als einen Karateanzug, damit die Wäsche des Anzugs nicht mit dem Training kollidiert.

Wenn ich zu einer Verabredung mit einem offenen Hosenstall oder einer schief zugeknöpften Bluse erscheine, ist das peinlich. Darum achte ich darauf, dass meine Kleidung korrekt angezogen ist. So sollte es auch beim Karatetraining sein: Der Do Gi wird nicht "auf links" angezogen und wird ordentlich zugebunden. Der Obi kann auf verschiedene Arten gebunden werden, sollte aber ordentlich aussehen und die beiden Enden sollten gleich lang herunter hängen.

Unter dem Do Gi trage ich ein weißes Shirt. Grellbunte Farben und auffällige Muster stören die Schlichtheit der Karatekleidung. Der Do Gi ist quasi unsere Karate-Schuluniform.

Auch mein sonstiges Äußeres ist möglichst gepflegt: Hände und Füße sind sauber, die Nägel kurz.

Es kann auch nicht schaden, vor dem Training - wie vor einem "heißen Date" auch - einmal unter der eigenen Achsel zu schnuppern und bei Bedarf eine Körperreinigung durchzuführen. Schlechte Körpergerüche oder nach Schweiß riechende Kleidung sind eine Beleidigung der Trainingspartner. Frischer Schweiß riecht im Regelfall nicht - wer stinkt, hatte wohl auch vor dem Training ein Problem.

Karate bedeutet auch Impulskontrolle, wir üben uns in Disziplin und geben nicht jedem Bedürfnis spontan nach. Hierzu gehört auch, nur in eventuellen Trinkpausen zu trinken und im Dojo nicht zu essen. Es bedeutet auch, das Training nicht für Toilettengänge unterbrechen zu müssen, sondern diese vor oder nach dem Training zu erledigen.

Es wäre sehr schön, wenn unsere Mitglieder das weitgehend berücksichtigen könnten. Der Do Gi ist die traditionelle Karatekleidung. Würde die Mutter des Mädchens mit dem rosa (Ballett-)Kleid das Kind auch im Karategi zum Ballettunterricht bringen? Ich glaube kaum! Würde die Mutter des Jungen mit dem fleckigen, zerknitterten Gi ihn auch mit fleckigen, knitterigen Anziehsachen in die Schule schicken? Ich denke nicht!

Hier noch einmal in Kürze:
  • Karate-Trainings sollten sein wie eine Verabredung mit guten Freunden: regelmäßig, verbindlich und nur im Ausnahmefall verschiebbar. 
  • Unter dem Do Gi tragen Männer und Jungs nichts - oder ein weißes/helles Shirt oder Hemd ohne auffälliges Muster
  • Frauen und Mädchen tragen unter dem Do Gi ein weißes/helles Shirt oder Hemd ohne auffälliges Muster
  • Der Do Gi ist sauber, möglichst knitterfrei und ordentlich angezogen.
  • Hände und Füße sind sauber, Nägel möglichst kurz geschnitten, Körpergerüche werden vermieden. 
  • Toilettengänge sind vor und nach dem Training zu absolvieren, das Training sollte dafür nicht unterbrochen werden müssen. Das können auch vier- bis sechsjährige, eine Dreiviertelstunde ohne Pipi schafft jeder.
  • Kein Essen im Dojo. Kein Trinken im Dojo (außer bei großer Hitze oder sehr anstrengendem Training, dann aber in einer offiziellen Pause, die durch den Trainer/die Trainerin angeordnet wird).