Montag, 26. März 2007

Brief an Risto - Lehrgang in Münster 2003

Lieber Risto,

nachdem ich letztes Jahr zum ersten Mal bei dir trainiert habe und auch beim Gasshuku deine Einheit nicht versäumt habe, bin ich beim diesjährigen Lehrgang in Münster endgültig dein Fan geworden! Zugegeben, die Tatsache, dass du bei der ersten Einheit gleich ohne aufzuwärmen gestartet bist, hat einige Trainigsteilnehmer etwas verwirrt! Auf konventionelles Aufwärmtraining scheinst du sowieso nicht viel Wert zu legen: in der zweiten Einheit starteten wir direkt nach dem Angrüßen mit Liegestützen und beim dritten Mal haben wir zwar zunächst mit einem Partner auf "Mäuse-Füßchen" getanzt, so dass die ersten Schweißtropfen kullerten und die Beine merklich erwärmt waren, dann gings aber auch gleich los mit Grundschule! Apropos Grundschule: die Silke hätte sich etwas mehr davon gewünscht, aber ich fand es erfrischend anders, dass hier nicht so viele Grundschul-Kombinationen geknüppelt wurden! Das kann man ja jederzeit in jedem vernünftigen Dojo üben! Dazu braucht es keinen Risto!

Was dich ausmacht, lieber Risto, sind dann vielmehr die ungewöhnlichen Wege, auf denen du uns Techniken beibringst! Zu Beginn der Einheit und auch des gesamten Lehrgangs bin ich immer gespannt, woraus die anfangs verwirrenden Aktionen wohl hinauslaufen! Letztes Jahr hatte mich das total frustriert, weil ich mir gar nicht vorstellen konnte, die vielen verschiedenen Übungen irgendwann mal zu etwas sinnvollem zu bündeln. Wie überrascht war ich dann, als sich auch für mich am Ende der letzten Einheit der Nebel lichtete und ich die effektiven Abwehr- und Kontertechniken mit Sabaki und Suri-Ashi im Kumite -einigermaßen- anwenden konnte! Diesmal konnte ich mir ja schon zu Beginn denken: der Risto hat sich bestimmt was dabei gedacht, wenn er uns als erste Techniken einen Standwechsel aus dem rückwärtigen Zenkutsu-Dachi in den nach vorne gerichteten Neko-Ashi-Dachi üben lässt. Erst ging ich von einer mir unbekannten Kata aus, die so beginnt. Dann wurde die Übung aber weiter ausgebaut und was kam heraus? Ein waschechter Ushiro-Geri! Dieser wurde dann mit Partner/in ausgiebig geübt, bis wir wohl alle sauber chudan getroffen hatten! Wie froh war ich, dass ich mir trotz Wärme meinen Brustschutz angelegt hatte! Volkers Artikel im Dojo-Info hatte mich zur Disziplin gemahnt! So konnte ich die Treffer von meiner sehr netten Partnerin Nadine aus Olpe sehr gut verkraften! Beim Ushiro-Geri sollten wir nicht den Oberkörper abkippen lassen, sondern eher hochhalten. Damit Petra nicht nach vorne kippte, brachtest du dein Gesicht ganz nah an ihres: wenn Sie kein Küsschen haben wollte, musste sie sich schon echt bemühen, nicht nach vorne zu fallen. Aber das hat sie souverän gemeistert!

Toll finde ich auch, wie du uns mit deinem finnischen Charme beibringst, wirklich Spaß am Karate zu haben: wir sollen das Lachen nicht verlernen und deshalb zeigst du uns immer, dass wir die Techniken mit den Lauten ha-ha ausführen sollen. Ein hi-hi oder hö-hö wäre vielleicht auch mal interessant ;-) Ein echter Brüller war auch die kurze Khion-Kombination zu Beginn der zweiten Einheit: ein Doppel-Tsuki im Stand, wobei wir sehr auf Hikite achten sollten. Dann sollte die Hand, die sich an der Hüfte befand, an die Nase fassen und dort verbleiben, bis die andere Faust wiederum einen Tsuki ausführte und zur Hüfte zurückschnellte. Das erinnerte etwas an Dick und Doof, die in einem Film Kniechen-Näschen-Öhrchen spielen. Ein Kichern konnten sich die meisten von uns wohl nicht verkneifen. Ach, sag mal, ich hab immer den Uwe gesucht. Der scheint auch mittrainiert zu haben: ein Mädel sollte den bei der Ausführung der Techniken immer rufen: U-WE, U-WE. Vielleicht stellst du ihn uns nächstes Mal vor? ----Oder hab ich da vielleicht was falsch verstanden ;-)????

Klasse war auch, wie du vor allem an uns Mädels dachtest und diese tolle Problemzonengymnastik eingebaut hast: wir sollten uns mit ca. 1 Meter Abstand mit dem Rücken vor eine Wand stellen, einen Fuß gegen dieselbe stemmen und das Standbein beugen, Knie nach vorne schieben. Dann die Arme hinter dem Kopf verschränken und den Oberkörper auf- und abwippen. Nach den von dir gezählten 50 Mal sollten wir dann die Turnhallenwand wegtreten. Gut, dass die Stein-Schule sowieso bald in ein anderes Gebäude umzieht! Als die Mauer dann echt zu bröckeln drohte, wurde mir echt schwarz vor Augen vor lauter Anstrengung! Zwar nur kurz - mein Popo tut mir allerdings heute noch weh :- o

Schön waren auch wieder deine Risto-Schritte: auch letztes Jahr und beim Gasshuku durften wir diese schon üben, so dass sie mir jetzt schon wie alte Bekannte vorkamen! Links vor stehen, Gewicht erst aufs Standbein verlagern, dann rechts seitlich rausgleiten, Gewicht nach hinten, vorderes Bein nach rechts versetzen, wieder Gewicht nach vorne. Dies übten wir dann zu dritt. Zwei Partner stellten sich nebeneinander und der dritte griff beide unmittelbar nacheinander mit Gyaku-Tsuki an. Bei dieser Übung durfte ich wieder einmal mit Heide trainieren. Wahnsinn, ist die Frau schnell!!! Zu zweit übten wir anschließend eine Gyaku-Tsuki/Ushiro-Geri Kombination: Tori greift an mit Gyaku-Tsuki, linkes Bein vorn, dann Gewicht nach hinten, also auf das rechte Bein verlagern und auf dem rechten Bein drehen, mit dem linken Ushiro-Geri treten. Die zweite und dritte Einheit sollten uns Kumite-Kombinationen näherbringen, die den Ashi-Barai beinhalteten. Wir sollten rückwärts mit Soto-Uke rausgleiten, dann Gyaku-Tsuki, dann mit dem vorderen Bein Ashi Barai und Gyaku-Tsuki auf den -hoffentlich- am Boden liegenden Partner. Der Ashi-Barai musste im Winkel von 45° am Fuß des Partners angesetzt werden, sonst funktionierte es nicht! Wir sollen den Fußfeger auch nicht allein durch unser vorderes Bein ausführen, sondern dadurch, dass wir die Hüfte aus dem ersten Gyaku-Tsuki ruckartig zurückreißen. Wenn du es vorgemacht hast sah es immer so einfach aus...!
Ich glaube, es war bei dieser Kombination, als du einen Trainingsteilnehmer nach vorne batest. Du versprachst ihm, binnen zwei Minuten sein Karate wesentlich zu verbessern. So recht glauben konnte das von uns aber wohl keiner, am wenigsten vermutlich dein Demonstrations-Subjekt! Er stellte sich mit seinem Partner auf und sollte Soto-Uke rückwärts rausgleiten, um den Angriff des Partners zu blocken. Soweit, so gut. Dann sollte er mit Gyaku-Tsuki kontern. Er tat dies so, wie ich es vielleicht auch gemacht hätte, mit einem passablen Hüfteinsatz, kam aber nicht an seinen Partner heran, weil er bei der Abwehrtechnik ja nach hinten herausgeglitten war und ihm jetzt gut 30 cm fehlten! Risto wies ihn an, bei einem erneuten Versuch nicht nur die Hüfte, sondern auch den gesamten Oberkörper vorzuschmeißen. Nach zwei oder drei Versuchen änderte sich plötzlich die Gesichtsfarbe des Partners und er stieß ein halb überraschtes, halb bewunderndes WOW! aus. Der letzte Tsuki hatte voll gesessen! Hey, das gab einen echten Szenen-Applaus!



So undankbar es auch ist, lieber Risto, wenn du einen von uns nach vorne holst und quasi unsere Schwächen und Fehler auf dem Präsentierteller darbietest: der Lerneffekt ist doch nicht zu überbieten! Selbst bei mir ist nach dieser Demo hier ein kleines Cent-Stück gefallen und ich hatte das Gefühl, viel besser zu kontern! Risto, du bist ein echter Kumite-Mann! Unglaublich, wie du, der eine doch recht stattliche Körpergröße und -masse besitzt, so leichtfüßig über den Boden gleitest! Diese Fähigkeit kommt dir allerdings auch bei Kata nicht ungelegen: bei dem recht kurzen Kata-Teil des Lehrgangs legtest du Wert auf die Übergänge in den Katas. Dies sind z. B. Ausholbewegungen, die nicht abgehackt ausfallen düfren, sondern schnell beginnen und geschmeidig zu Ende geführt werden sollen. Alles schon mal gehört, klar, aber wenn man jetzt plötzlich merkt, wie oft solche Übergänge vorkommen, fällt einem doch auf, dass man so manche Kata noch nicht oft und gut genug geübt hat. Ach, seufz, Karate ist schon echt ein Fass ohne Boden! Aber es macht riesig Spass, wenn man mal wieder ein Erfolgserlebnis hat! Und für mich waren bei deinem Lehrgang mal wieder ein paar echte Highlights dabei! Ich habe mir jetzt wieder ein paar Sachen gemerkt, die mir hoffentlich im regulären Training immer mal wieder ein- und auffallen und an denen ich arbeiten kann.

Also, VIELEN DANK, RISTO und bis zum nächsten Mal!

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