Freitag, 28. September 2007

Berlin - wie im Movie-Park!

Herbstferien - sie bieten sich an für einen Urlaub oder für eine Kurz-Städtereise, warum nicht mal nach Berlin?

Darum hatte ich kurzer Hand Bahn-Tickets für meine Kids und mich besorgt (mit BahnCard 75 Euro für alle zusammen, Hin- und Rückfahrt) und einen praktischen Reiseführer.

Berlin liegt ja nicht grade vor den Toren Münsters und darum hieß es am Donnerstag, den 27.09.2007 morgens früh um 04.30 Uhr aufstehen, denn um 05.38 Uhr sollte der Zug losfahren. Glücklicher Weise brachte uns die Oma zum Bahnhof und der Zug wartete schon auf uns, da er erst in Münster startete. Wir konnten uns also in Ruhe Plätze suchen (reserviert hatten wir wegen der frühen Zeit nicht) und uns niederlassen.

Ich hatte müde Kinder erwartet, die die kurze Nachtruhe durch ein Nickerchen im Zug ausgleichen. Daher hatte ich extra Kuschelkissen mitgenommen, die aber mehr auf dem Boden herumflogen, als dass sich jemand sein Köpfchen darauf gebettet hätte - natürlich waren meine Kids hellwach und sorgten dafür, dass alle anderen Reisenden es auch bald waren. Um uns die "gefühlte" Fahrzeit zu verkürzen, begaben wir uns dann hinter Hannover in das Board-Restaurant, um uns einen Kakao bzw. einen Kaffee zu gönnen.

Der neue Hauptbahnhof Berlin beeindruckte vor allem wieder mal Felix, der versuchte, seine Begeisterung auf Johanna zu übertragen. Für die kleine Maus war alles aber wohl "unfassbar" groß und gewaltig und sie konnte darum gar nicht nachvollziehen, was denn jetzt genau so toll an diesem Bauwerk sein sollte.

Um halb 10 morgens sollte doch wohl noch keine so lange Schlange vor dem Eingangsbereich des Reichstagsgebäude sein, oder? Oh doch! Und so erwogen wir kurz, den Insider-Tipp mit der linken Tür ("für Gruppen oder Vorstellungen") zu nutzen. Die Schlange war aber genau so lang und wir entschlossen uns daher, an der "richtigen" Schlange anzustehen. Ein Mann mit Informationsprospekten zum Reichstag sprach mich an, wie alt denn Johanna sei. "7", war die Antwort. "Na, für Familien mit Kindern bis 6 Jahre ist der Eingang rechts vorgesehen, damit die nicht so lange anstehen müssen", sagte er und zwinkerte mir vielsagend zu. "Sagen sie einfach, dass ich sie geschickt habe und dann dürfen Sie da auch durch." Na, das nenn ich Service im Sinne des Bürgers - und so zogen wir ohne Wartezeit an der langen Schlange vorbei in das geschichtsträchtige Gebäude. Mit dem Aufzug ging es hinauf in die Kuppel. Dort gab es allerhand Informatives rund um die Geschichte des Reichstages zu sehen. Über den spiralförmigen Aufgang ging es dann zum Kuppeldach. Felix war ganz fasziniert davon, dass dieses oben offen ist und dass es quasi hineinregnen kann. "Das Loch ist für die Abluft aus dem Plenarsaal", klärte uns ein Angestellter auf. Und man weiß ja, wie viel "heiße Luft" Politiker fabrizieren können ;-) "Manchmal regnet es tatsächlich bis unten hinein und die oberen Sitze sind nass." Johanna musste plötzlich Pipi und Felix lief mit ihr ganz unbedarft (und ohne zu Fragen) in das angrenzende Nobel-Café Käfer. Den ausdrücklichen Hinweis an der Eingangstür "Toilettennutzung nur für Gäste des Cafès" hatten sie wohl übersehen. Beim Café Käfer hatte Franziska ihren ganz persönlichen kleinen Triumph - hatte ich doch aus irgendeinem Grund mit ihr gewettet, dass wir allerhand zu sehen bekommen werden "bloß keinen Marienkäfer" - und hier war nun Café Käfer mit vielen Marienkäfern auf den Servietten und sonstigen Deko-Utensilien!

Anschließend wollten wir zum nahe gelegenen Brandenburger Tor laufen. Auf dem Weg dorthin entdeckte ich jedoch Hinweisschilder zum Jüdischen Denkmal, welches sich unweit des Stadttores befinden sollte. Also erstmal dorthin. Die unterschiedlich hohen grauen Stelen luden natürlich Johanna geradezu dazu ein, zwischen ihnen Verstecken zu spielen! Der Besuch des zum Denkmal gehörenden Museums hätte eine Wartezeit von 30 Minuten zur Folge gehabt, auf die wir gerne verzichteten. Also kein Jüdisches Museum, sondern stattdessen ab zum Alexanderplatz, genauer genommen zum Fernsehturm. Der Weg dorthin zog sich ganz schön hin, obwohl wir den "Telespargel" schon von weitem sehen konnten. Die relativ langweilige Umgebung auf der Parallelstraße zu "Unter den Linden" förderte dann natürlich das Quengeln der Kids, vor allem bei Johanna. Aber endlich war der Turm - pünktlich zur Mittagspause - erreicht. Im Vergleich zu den Frankfurter Main-Towers war der Turm zumindest designtechnisch eine herbe Enttäuschung: vermutlich erbaut in den 1960er Jahren strahlte das Innere im Spießerdesign mit Resopal-Wandverkleidung, grünem Teppich im Aufzug und ziemlich hässlichen Butzenglasscheiben. Da es leicht diesig war, konnten wir die tolle Aussicht von der Panoramaetage nur bedingt genießen. Immerhin wiesen uns aber Hinweisschilder auf die von oben zu sehenden Gebäude bzw. Stadtbezirke hin. Da konnte man sogar den Ost-Bahnhof und den Stadtteil Marzahn sehen (kann das wirklich sein???)! Wie gerne hätte ich jetzt dem dortigen Karate-Dojo einen Besuch abgestattet! Die wahre Attraktion war allerdings nicht nur die atemberaubende Aussicht, sondern das sich auf einer Drehplattform befindliche Restaurant. Hier waren die Kinder nicht mehr zu bändigen und tobten aufgeregt herum. Einem Herrn am Nachbartisch platzte daraufhin der Kragen und er rief sie zur Raison. Ich fragte mich nur wieder einmal, warum andere Kinder still und artig mit ihren Eltern am Tisch sitzen und essen, während meine so lebhaft herumquietschten. Temperament? Schlechte Erziehung? Seufz!

Nachdem wir in luftigen Höhen jeder ein Getränk genossen und die Kids mal von meiner Berliner Weiße mit Waldmeister-Schuss gekostet hatten, zogen wir weiter, erst einmal beim gegenüberliegenden Nordsee-Restaurant etwas essen (ungleich preiswerter als im Fernsehturm-Restaurant!).

Nun hieß es, langsam den Rückweg antreten, denn um 15.30 Uhr wollten wir auf Johannas ausdrücklichen Wunsch hin mit einem Ausflugsboot noch einmal professionelles Sightseeing genießen! Für den Rückweg nutzten wir die Prachtallee Unter den Linden. Felix war beeindruckt ob der vielen historischen Gebäude. "Sieht aus wie im Movie Park, Mama!", meinte er (dort war er kürzlich gewesen und fand es witzig, dass die Kulisse aus nachgebauten Weltstädten bestand). Unterwegs kamen wir an der Museumsinsel vorbei. Hier lockte uns das Historische Deutsche Museum und wir machten eine kleine Stippvisite bei Karl dem Großen, Martin Luther und co. Leider drängte die Zeit und wir mussten schon nach einer Dreiviertelstunde weiter. Jetzt aber flott Richtung Brandenburger Tor! Wir mussten wirklich rennen und bald versagten Johanna die kleinen Füßchen! Also nahm ich sie auf die Schultern und rannte mit ihr weiter. Ganz knapp erreichten wir das Boot und als wir endlich saßen und Luft holten, froh, das Boot noch erwischt zu haben, kam Johannas Kommentar: "Boh - ist das hier langweilig!" Also, manchmal könnte man sie ja......! Ich fand die Fahrt dann aber sehr schön, denn über Lautsprecher wurden interessante Details zu den an uns vorbeiziehenden Sehenswürdigkeiten mitgeteilt. Wir fuhren zunächst zurück Richtung Unter den Linden. Dort am Palast der Republik vorbei, "Erichs Lampenladen", der wegen Asbestverseuchung derzeit abgerissen wird. Interessant auch Details zu den verschiedenen Brücken, unter denen wir her fuhren. Leider fuhren wir nicht durch die Schleuse, sondern drehten kurz vorher um, um wieder zurück zu fahren. Wir fuhren dann am Startpunkt (dem Hauptbahnhof gegenüber) vorbei durch das Regierungsviertel. Dort erfuhren wir z. B., dass ein aufwändiges, eigens für Regierungsangestellte errichtetes Wohngebäude nur zum Teil von diesen bewohnt wird und nun auch an Externe vermietet wird. Im "Garten" des Kanzleramts konnte man ein ca. 10 Meter hohes, graues Metallgebilde sehen: ein Glockenturm, und zwar der höchste freistehende Glockenturm Europas. Dieser wurde Berlin zur 750 Jahrfeier geschenkt und zwar von der Firma Daimler Chrysler. Im Volksmund wird das Glockenspiel daher "Big Benz" genannt.

Nach einer Stunde war die Bootsfahrt beendet und wir stiegen im leichten Nieselregen aus. Wir hatten noch knapp 90 Minuten Zeit, bis der Zug ging und nutzten diese, um zum dritten Mal an diesem Tag zum Brandenburger Tor zu laufen. Dort machten wir ein paar typische Touristenfotos und bewunderten die Wechselskulptur auf dem Vorplatz des Tores. Anschließend ging es noch in den -recht günstigen- Souvenir-Shop, wo sich jeder ein Andenken aussuchen durfte und ich mir ein Buch über die Berliner Mauer zulegte.

Nun wieder im Pendlerstrom Richtung Bahnhof, schnell noch ein Eis auf die Hand und ab zum Gleis 13. Ganz schön naiv hatte ich erwartet, nun müde, ruhige Kinder bei mir zu haben - aber sie waren durch das Erlebte nun so überdreht, dass sie echt anstrengend waren. Als ich es satt war, sie zur Ruhe zu rufen und mich aufzuregen, weil sie nicht hörten, flüchtete ich irgendwann einfach in das Zugrestaurant, genoss dort einen Kaffee und mein neues Buch und versuchte, die abwechselnd in verschiedenen Richtungen an mir vorbei fliegenden Kinder zu ignorieren!

Der Zug hatte eine kleine Verspätung. Der Fahrkartenkontrolleur teilte uns aber mit, dass unser Anschlusszug in Hamm auf uns warten würde, dies sei soeben per sms bestätigt worden. Auf dem Bahnsteig in Hamm fragten wir noch schnell das dortige Bahnpersonal nach dem richtigen Gleis. "Gleis 4, aber sie müssen sich beeilen, sie haben noch genau 30 Sekunden!" Interessant, was die Bahn unter dem Begriff "warten" versteht! Nun also im gestreckten Galopp von Gleis 10 zu Gleis 4. Felix und Franziska rannten vor und ich mit der armen kleinen Johanna am Ärmel hinterher. Die Treppe hoch hörten wir schon den Pfiff für die Abfahrt! Felix hatte glücklicher Weise schon fast die Lok erreicht und der Schaffner stand noch davor und wies uns an, schnell zu ihm zu kommen! Wie die Blöden starteten wir zum Endspurt und - erreichten in letzter Sekunde die Tür! Mit zum Platzen geweiteten Lungen sanken wir japsend aber glücklich auf die Sitze!

In Münster holte uns dann Frank vom Bahnhof ab. Daheim erst mal ein Pott Nudeln gekocht und vom Erlebten erzählt. Gegen 23 Uhr fielen die Kids dann komatös in ihre Bettchen und konnten am nächsten Tag zum Glück ausschlafen!

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