Sonntag, 2. September 2007

Blue Man Group 31.08.2007

Am 31.08. diesen Jahres hatte ich die Möglichkeit mir die Blue Man Group anzuschauen. Die Karte war Teil einer Incentive-Veranstaltung: Zusammen mit einigen Kollegen hatte ich im vergangenen Jahr an einem Projekt mitgearbeitet und für dieses gab es nun zur "Belohnung" einen Abend mit lecker Essen, Getränken - und eben der Vorstellung der Blue Man Group. Bereits im Vorfeld hatte man ja schon einiges über diese Performance gehört. Zuletzt schließlich von meiner Kollegin Vroni, die einräumte, sie hätte selten etwas so sehr bereut, wie den Kauf dieser Eintrittskarten! Meine Erwartungen waren daher eher gedämpft. Aber das muss ja nicht unbedingt schlecht sein.

In aufgeräumter Stimmung fuhr ich dann zusammen mit meinen 6 männlichen Kollegen und meinem Abteilungsleiter in zwei Autos nach Oberhausen. Ich stehe ja grundsätzlich nicht so auf Shopping-Malls wie das oberhausener Centro. Aber der Begriff Centro wird auch dort wohl inzwischen vermieden und man schreibt viel mehr von der "Neuen Mitte". So tobte dort auch an diesem Freitagabend schon recht emsig der Bär: die Promenade, an der sich neben vielen anderen Gastronomiestätten auch das von uns gewählte Steakhaus befand, erinnerte etwas an Playa del Ingles auf Gran Canaria und allein schon die Milieustudie der dort herumlaufenden Leutchen war diesen Abend wert - ist schon echt ein anderes Völkchen dort im Ruhrgebiet!

Nach einem leckeren Essen und Bier in unglaublichen Schlagzahlen ging es dann wohl genährt und leicht angeheitert in das Metronom-Theater. Schnell noch ein Bierchen im Stehen und dann ab in den Veranstaltungssaal. Bereits vor der Vorstellung bekam man via Leuchtbänder einen kleinen Vorgeschmack auf die Show: Hier wurde gebeben, nicht zu filmen und keine Fotos zu machen. Aber auch, bitte nicht zu spät zu kommen (wir durften später erleben, was denen widerfuhr, die tatsächlich zu spät kamen: die Show wurde in Helge-Schneider-Manier unterbrochen, die Zu-Spätkommer angestrahlt und via Leinwand konnten wir alle verfolgen, wie sie sich peinlich berührt auf ihre Plätze begaben). Zudem waren -angeblich- einige Personen im Saal, die z. B. an diesem Tag Geburtstag hatten und wir sollten bitte Happy Birthday sagen (aber bitte nicht singen!). Ob das alles so der Wahrheit entsprach oder nur gefälliger Showgag war sei dahin gestellt - das oberhausener Publikum jedenfalls ging mit und war für jede Aktion zu begeistern.

Bei Betreten des Saales hatte jeder einen kleinen Streifen weißen Krepppapiers erhalten, ohne nähere Anweisung, wie hiermit zu verfahren sei. Während ich meinen Papierstreifen mehr oder weniger achtlos in meine Tasche steckte, wickelte sich unser Abteilungsleiter sein Zelluloseband um den Kopf. Wir erfuhren nie, wozu diese Streifen dienten, lediglich via Textanzeige, dass es sich bei dem während der Show verwendeten Papier ausschließlich um "Umweltpapier" handele. Gleich ging die schmunzelnde Diskussion los, was denn bitte schön Umweltpapier sei...Recyclingpapier, das kennt man - aber Umweltpapier.....entstammt nicht jedes Papier irgendwie der Umwelt? Besonders umweltbewusst produziert war es m. E. jedenfalls nicht, da es auf jeden Fall gebleicht war. Das Papier kam dann auch nie wieder zum Einsatz und erst zum Schluss der Vorstellung tauchte wieder Papier dieser Art auf: Es wurde in unzähligen Bahnen von hinten bis vorne quer über den Zuschauerraum gespannt, so dass wir nach und nach alle auf diese Art und Weise vernetzt waren! So war nun auch wohl der Bogen zu den kleinen Papierstreifen am Anfang gespannt!

Als erstes warfen sich die blauen Gestalten, die ausschließlich pantomimisch und ohne Dialoge aktiv waren, gegenseitig Kaugummikugeln in die Münder. Einer der Drei spuckte nach Empfang unverzüglich eine Kugel mit Farbeffekt aus. Der andere fing lediglich die Kugeln auf - bis die Kapazität seines Mundes erschöpft war. Anschließend ließ er die Kaumassse auf einem Stehtisch entweichen - sie ähnelte einem Haufen weißer Sch.....! Anschließend holte er aus dem Nichts eine Tafel mit der Aufschrift "4.000 €" hervor und bepreiste so sein "Werk". Sehr schön passend zu meinem derzeit recht ambivaltenten Kunstverständnis anlässlich der aktuellen Skulptur-Projekte in Münster!

Die Blauen Männer ähnelten alles in allem Außerirdischen, die zufällig auf der Erde gelandet waren und den hiesigen Begebenheiten und Gegenständen mit einer naiven Neugier und einem kindlichen Entstaunen entgegenblickten. Hierdurch wirkten sie clownesk und hatten schon durch ihre Mimik und Gestik viele Lacher auf ihrer Seite.

Vielleicht sollte man sich grundsätzlich nicht allzu viele Gedanken um einen eventuellen intellektuellen Hintergrund der Show machen - schließlich wurde bereits zu Beginn angekündigt, dass es sich um eine Rock'n Roll Show handelte - und nicht etwa um Schopenhauers gesammelte Werke! Aber die ein oder andere Aktion stimmte denn doch nachdenklich. So wurden wir in einem Teil der Vorstellung auf unterhaltsame Art und Weise über den Aufbau der Sehnerven informiert und auch über die Verarbeitung von Reizen. Es wurden verschiedene Textpassagen auf die Leinwand projeziert, die allgemein über die Menge der zu verarbeitenden Informationen unterrichteten, aber auch darüber, dass wir viele Dinge nur unbewusst wahrnehmen und grade mit diesem Phänomen (z. B. in der Werbung) gerne gearbeitet wird. So tauchte in diesem Info-Text mit biologischen Fakten plötzlich, ich zweifelte kurz, ob ich mir das nur eingebildet hatte, der Text "nackte Menschen" auf. Wenigstens einem anderen Kollegen war dies allerdings auch aufgefallen, so dass hier nicht von einer Sinnestäuschung meinerseits die Rede sein kann!

Vom Tempo und auch von der Lautstärke her erinnerte die Show mich an die Vorstellungen des Circus Flic Flac. Die einzige Stelle, die ein wenig langatmig wurde, war die mit der aus dem Publikum geholten Frau, die mit den Blauen Männern kokettierte und von ihnen vorgeführt wurde. Das hätte ruhig etwas kürzer ausfallen können.

Modernes Infotainment, Reizüberflutung - dies war das Thema jener Passage, als auf der Bühne drei unterschiedlich beschriftete Tafeln ausgestellt wurden, deren Text unterschiedlich schnell wechselte. Zu Beginn wurde der Betrachter gebeten, sich für eine einzige Tafel zu entscheiden, was aber vermutlich niemand machte. Jeder war doch neugierig, was ihm entging und fühlte sich dann wohl ein wenig ertappt, als genau dies grade auf seiner jetzt ausgewählten Tafel zu sehen war!

Ebenfalls zum Thema wurden die Medien, als aus dem Nichts ein Fernseher erschien, der einen blauen Kopf auf dem Bildschirm hatte. Dieser schwebte auf die Bühne und erhielt Gesellschaft von zwei Blauen Männern, die ihre Köpfe in Fernseher-Formen verborgen hielten. Nun begann ein witziges Spiel der "drei" Fernsehköpfe, die sich gegenseitig z. B. einen weißen Schaum ins Gesicht spritzten: die Männer mit Fernsehköpfen konnten sich den Schaum selber abwischen, da sie ja auch über Rumpf und Arme verfügten - nur der Arme "nur Kopf" stand, pardon: schwebte hilflos da und war mangels Arm nicht in der Lage, sich zu reinigen!

Immer wieder gab es zwischendurch einge Feuerwerke aus Sound und Farbe, z. B. rhythmischem Cornflakes-Essen oder dem sehr effektvollen Schlagen von mit Farbe bekleckerter Drums! Der farbliche Höhepunkt sollte dann wohl mit dem Teil der Show erreicht sein, als ein Zuschauer hinter die Bühne geholt wurde. Via "Live-Aufzeichnung" konnten wir im Publikum beobachten, wie der arme Mann vollständig mit blauer Farbe bemalt und dann - quasi als Ganzkörperkunstwerk - an den Füßen aufgehängt und kopfüber gegen eine weiße Leinwand geschleudert wurde. Ob nun tatsächlich diese Mensch aus dem Publikum auf der Leinwand zu sehen war, muss ernsthaft bezweifelt werden - da er zuvor komplett mit weißem Schutzanzug und Helm umhüllt wurde, konnte man ihn auf dem Film auf keinen Fall wiedererkennen! Zudem würde eine solche Behandlung von Zuschauern nicht nur in den USA Klagen zur Folge haben! So blieb es ein wenig ein Rätsel, warum die Blauen Männer diesen Gag etwas hektisch in die Show einbauten. Vielleicht aber ganz passend zur heutigen TV-Kultur, wo die Zuschauermasse nur noch mit Sensationen und Skandalen zu begeistern ist.

Fazit: eine rasante Show mit Witz und Hintergrund. Ein Spiel mit Farben, Sound und Medien rund um Konsum, Reize, Informationsflut - sehr intensiv und sehr zeitgemäß.

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