Montag, 23. November 2015

Zen Meditation im Jugendkloster Bottrop Kirchhellen

Am 22.11.2015 folgte ich mit einigen Fujis und Gästen der Einladung meiner Freundin Katharina Gaßmann in das Jugendkloster Bottrop Kirchhellen. Katharina und ich haben uns vor einigen Jahren (es muss Januar 2008 gewesen sein) bei einer zufälligen Begegnung im Zug nach München kennen gelernt. Als sie mir damals berichtete, dass sie Zen Lehrerin sei, war mir sofort klar, dass wir uns nicht mehr aus den Augen verlieren durften! In den Folgejahren wurde die ein- bis zweimal im Jahr stattfindende Zen-Meditation in Bottrop zu einer schönen Tradition für mich und viele andere.

Wer glaubt, dass es sich bei der Zen-Meditation um reine Entspannung handelt, geht fehl!  Das „Sitzen“ im Zen bedeutet für mich vollständige Konzentration auf das Loslassen aller Gedanken und Befindlichkeiten. In unserem hektischen Alltag sind viele von uns es gewohnt, ständig mit den Gedanken irgendwo anders zu sein, nur nicht bei dem, was wir grade tun, nicht im „Hier und Jetzt“. Wenn wir essen, lesen wir gleichzeitig in der Zeitung oder sehen fern. Beim Autofahren wird Radio gehört oder gegessen und getrunken. Beim Joggen lenken wir uns durch Musik ab. Beim Spazierengehen unterhalten wir uns. Beim Geschirrspülen überlegen wir schon, was wir gleich einkaufen etc. pp. Das alles lässt sich meist gar nicht verhindern, wenn wir zielgerichtet und effizient durch den Alltag  kommen wollen. Allerdings ist es wichtig, gelegentlich aus diesem Gedankenkreisel auszusteigen, um Ruhe zu finden. Andernfalls kann dies zu Schlaflosigkeit, fehlender Entspannung und unzureichender Regeneration führen und auf Dauer zu großer Unzufriedenheit . Ich bin keine Ärztin, meine aber behaupten zu können, dass dieses Gehetztsein auch (psychosomatische) Erkrankungen fördern kann.

Gedanken loslassen, also. Katharina kennt mich und weiß, wie schwer grade mir das fällt! Dennoch nimmt sie auch mich immer wieder liebevoll und mit nachsichtigem Lächeln in die Meditationsrunde auf. Die Meditation findet in der beschaulichen und stimmungsvollen Atmosphäre eines Bewegungsraums in der Anlage des Jugendklosters Bottrop Kirchhellen statt. Jede/r von uns sucht sich zu Beginn einen schönen Platz aus. Es ist dabei gar nicht so unwichtig, wie man sich auf Stuhl, Meditationskissen oder –bänkchen platziert! Ich hatte mich z. B. beim letzten Mal zunächst eine Zeit lang so ausgerichtet, dass ich mit halb geöffneten Augen immer ein „halbes Fenster“ und eine „halbe Gardine“ vor mir hatte. Menschen, denen das Meditieren leicht fällt, nehmen die äußeren Umstände vielleicht gar nicht mehr wahr, aber mich hat dieser Anblick so durcheinander gebracht, dass ich mich erst ein Stück weiter nach rechts setzen musste, wo ich vor eine leere Wand blicken konnte.

Da „die Münsteraner“ nicht zu Katharinas wöchentlichen Meditationsteilnehmer/inne/n gehören, werden wir meist behutsam durch die Meditationen geführt und wenn wir dabei sind, gestaltet sie die Sitz- und Schweigephasen vermutlich recht kurz: Katharina und die Menschen aus ihrer regulären Meditationsgruppe nehmen nämlich regelmäßig an mehrtägigen Meditationsveranstaltungen teil und dort wird meist mehrere Stunden am Stück gesessen und geschwiegen.

Für mich persönlich ist die Art und Weise, wie wir bei Katharina meditieren, auch so schon sehr anstrengend: Wir sitzen schweigend – entweder mit geschlossenen oder halb geöffneten Augen – und versuchen, nicht an Gedanken festzuhalten. Dies gelingt am Besten, wenn man sich auf das Ein- und Ausatmen konzentriert. Wir Karateka kennen das ja schon von unserer Kurzmeditation am Anfang und Ende jeder Trainingseinheit. Während wir aber in unserem Dojo nur kurz „versinken“, soll es im Kloster über eine längere Zeit gelingen. Das klingt so einfach und ist doch so schwer! Ich helfe mir, in dem ich z. B. zehn Atemzüge zähle – und dann wieder von vorne beginne. Auch das liest sich vermutlich viel einfacher, als es ist. Denn meist klopft  bereits nach kurzer Zeit wieder der ein oder andere Gedanke an und schiebt sich in das Bewusstsein. Oder mein Rücken, den wir ja bei der Meditation aufrecht halten sollen, meldet sich und quengelt nach einer Pause.  Manchmal begehrt auch das innere Kind in mir auf und fragt: „Boah, wie lange denn noch?“ Oder ein pubertierender Trotz kommt auf: „Schei.... auf Ein- und Ausatmen – die Gedanken sind schließlich frei, oder? Also kann ich denken, wann und was ich will!“ „Das ist das Ego,“ so Katharina. "Das Ego spielt sich auf, drängt sich in den Vordergrund und will Aufmerksamkeit. Wenn wir loslassen wollen, müssten wir lernen, das Ego auszuschalten." Bei unserer ersten Meditation vor einigen Jahren formulierte sie das sehr eindrucksvoll mit der Aussage: „Das Ego stirbt auf dem Kissen.“

Sehr dankbar bin ich Katharina dafür, dass wir nicht nur im Sitzen meditieren, sondern auch im Schreiten. Kinhin nennt sich diese Meditationsform, bei der man sehr bewusst immer einen Fuß vor den anderen setzt und so unzählige Kreise um den Sitzkreis herum zieht. Auch eine Entspannungsmediation im Liegen wurde durchgeführt, bei der ich aber leider gnadenlos eingeschlafen bin! Wer mag, kann in der etwa halbstündigen Pause schweigend oder sich leise unterhaltend durch den Klostergarten schreiten und sich bei Obst und Tee stärken. Dann geht es auf zur zweiten Runde. Und wieder gibt es nur das Sitzen oder Schreiten und vor allem das Schweigen.

„Wo bist Du mit Deinen Gedanken?“ klingt es plötzlich mahnend in die Stille hinein. Und wieder fühle ich mich von Katharina erwischt wie ein kleines Kind am Honigtopf! Natürlich war ich grade in diesem Moment wieder mit den Gedanken irgendwoanders! Aber Katharinas Stimme holt mich zurück in die Gegenwart und lässt mich wieder bewusst ein- und ausatmen!


Zum Abschluss des Tages reflektieren wir in der Gruppe über das Erlebte. Ich bin dann immer ganz beruhigt, dass nur wenige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer von wirklich erhabenen Erlebnissen berichten wie:"Ich habe total die Zeit vergessen!" Oder:"Ich fühlte, wie alle Anspannung von mir abfiel." Bei den ersten Meditationstreffen war ich enttäuscht, weil  mir das Stillsitzen und Abschalten so schwer fiel! Ich hatte mich anfangs immer noch über mich selbst geärgert – es wollte mir einfach nicht gelingen, meine Gedanken auszublenden! Mittlerweile bin ich immerhin schon in dieser Hinsicht gelassener geworden: Ich kann inzwischen nachsichtig über mich und meinen unruhigen Geist lächeln und setze dann, wenn ich merke, dass ich die Ruhe verloren habe, einfach wieder neu an. Einatmen und Ausatmen. Mehr ist es nicht. Und es ist doch so viel.

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