Vom 02. - 06.07.2016 fand das 11. Gasshuku in Tschechien statt. Für Torsten und mich war es dritte Gasshuku in unserem Nachbarland und zum ersten Mal hatten wir mit Sarah und Alex zwei Fuji San Trainer mit dabei. Austragungsort war diesmal die kleine Stadt Kadan, etwa 50 km von Chemnitz entfernt. Mit den Senseis Naka und Okuma waren auch diesmal wieder zwei der derzeit angesehensten und vermutlich auch beliebtesten Karate-Meister aus der Keimzelle unserer Stilrichtung, dem Honbu Dojo in Tokyo, tonangebend. Begleitet wurden diese beiden von dem erst 25 Jahre alten Instructor Ogane Sensei, der schnell seine anfängliche Zurückhaltung und Befangenheit verlor und ein sehr interessantes Training gab.
Was ist das Besondere an diesem Karate-Event, für das wir eine recht weite Anreise auf uns nehmen? Ich würde sagen, das Alleinstellungsmerkmal war bei den vergangenen Czech Gassukus die Übereinstimmung der Trainingsinhalte bei den verschiedenen Instructoren. Während man bei anderen Großveranstaltungen vielleicht grade die Vielfältigkeit der verschiedenen Trainerinnen und Trainer auf sich einwirken lassen kann, erhält man bei dem vielleicht etwas kleineren tschechischen Gegenstück Karate aus einer Hand, mit denselben Prinzipien und ähnlichen Bewegungsmustern, die von Einheit zu Einheit aufeinander aufbauen und sich ergänzen.
Gleichwohl haben alle Instructoren die Freiheit, eigene Schwerpunkte zu setzen. Naka Sensei war wieder ganz unbestritten der Garant für Motivation und für Karate wie von einem anderen Stern! Und wer dachte, Naka Senseis Karate-Konzept durch zahlreiche Lehrgangsbesuche bereits verinnerlicht zu haben, wurde mit neuen Bewegungsarten überrascht: Naka Sensei führte sozusagen eine dritte Dimension hinsichtlich unserer Karate-Beweungsmuster ein. Hatten wir durch ihn bereits die Drehung an unseren drei Körperachsen kennengelernt und Karatetechniken mit dem für ihn so berühmten Double-Twist an der Hüfte, so lernten wir jetzt, dass wir - je nach Schlaghöhe - den Oberkörper auch horizontal, mit einer Art wellenförmiger Kompression, unserer Schlagtechnik anpassen sollten. Wenn ich ehrlich bin, war auch dies nicht ganz neu und mein Trainingspartner Torsten erinnerte sich daran, dass Naka Sensei diese Idee bereits beim Lehrgang mit Risto Sensei in Berlin vor einigen Jahren vorgestellt hatte. Aber so intensiv wie jetzt in Tschechien war er damals nicht auf dieses Thema eingegangen. Und daher hatten viele von uns reichlich damit zu tun, das neue Bewegungsmuster umzusetzen. Natürlich hatte Naka Sensei auch wieder viele Themen im Gepäck, die wir zumindest schon einmal gehört hatten (ich wage mich nicht zu schreiben, dass wir sie umsetzen können....): Das Ausnutzen der Schwerkraft, um schneller zu werden, wurde wieder ausgiebig geübt und wir führten - wie auch schon in Dresden - einige Kata "einhändig" aus, also mit einer Hand am Obi fixiert, um uns für die Aktionen der jeweils aktiven Hand zu sensibilisieren. Sehr schön war es dann auch, einige Kata einhändig und ura auszuführen! Besonders gut gefallen haben mir auch die Anwendungssequenzen, die Naka-Sensei immer wieder ins Training einfließen ließ. Diese kamen in den eigentlichen Kata-Einheiten am Morgen für meine Begriffe vielleicht etwas zu kurz. Im letzten Katatraining am Mittwochmorgen konnten wir eine Idee davon bekommen, in welchen Sphären sich Naka Sensei hinsichtlich seines Karate-Studiums bewegt: Er spannte einen Bogen über die Jion-Ji'in-Jitte-Gruppe, um anschließend auf die Gojushiho Dai einzugehen und sie der Sho gegenüberzustellen. Seine Unterscheidung zwischen den Formen Sho und Dai wich von den mir bereits bekannten Darstellungen in "klein" und "groß" ab. Naka Sensei unterschied vielmehr zwischen "traditionell" und "weniger traditionell/neuer". Naka Sensei ging in dieser Einheit auch auf seine aktuellen Studien zur Jion-Ji'in-Jitte-Gruppe ein. Es war für mich sehr beeindruckend, mal auch nur ansatzweise zu erfahren, über welches Hintergrundwissen er verfügt, welche Gedanken er sich macht - während die meisten von uns noch bemüht sind, Bewegungsabläufe zu verinnerlichen und Techniken korrekt auszuführen.
Für Ogane Sensei war das Czech Gasshuku der zweite "Auslandseinsatz", nachdem er bereits im vergangenen Jahr in England unterwegs war. Kein Wunder also, dass er anfangs vielleicht ein wenig zurückhaltend wirkte und eventuell etwas schüchtern zwischen den beiden großen Instructoren. Zu dieser Zurückhaltung gab es aber absolut keinen Grund, denn Ogane Senseis Training war motivierend, fundiert und sehr interessant! Wir übten unter seiner Anleitung einige Kihon-Varianten, bei denen wir den Fokus auf die Veränderung des "Druck-Beins" legen sollten. Darauf aufgebaut folgten zahlreiche Kumite-Kombinationen, die zum Teil sehr anspruchsvoll waren! Erstmals tauchte im Training bei Ogane Sensei die Aufgabe auf, Kata korrekt zu zählen. Ohne noch näher darauf einzugehen, sollten wir partnerweise üben, abwechselnd die Bassai Dai auszuführen, während der andere zählte.
Ich muss gestehen, dass ich in den letzten Jahren Okuma Sensei immer mehr in mein Trainings-Herz geschlossen habe! Sein sympathisches, zuweilen leicht ironisches Auftreten motiviert mich ungemein! Aber auch seine Trainingsmethodik und -didaktik lassen nichts zu wünschen übrig! Er legte zunächst einen Fokus auf Schnelligkeit und wir übten anhand der Taikyoku Shodan mit zahlreichen Ausführungsvaianten, unsere Beine flink zu bekommen. Diese simple Basis-Kata nutzte Okuma Sensei im weiteren Lehrgangsverlauf auch als Übungsform für Gewichtsverlagerung. All dies mündete in anspruchsvollen Kumite-Übungen und - für mich natürlich besonders spannend und schön - in einigen Runden Randori! Kumite auf größeren Lehrgängen ist immer eine hervorragende Gelegenheit, um den eigenen Standpunkt festzustellen - wie funktioniert das Gelernte, wie funktionieren die Bewegungsmuster mit wechselnden Trainingspartnern und in der freien Bewegung? Eigentlich schade, dass besonders der freiere Kampf so selten geübt wird. Sicher eine Frage des Verletzungsrisiko - aber dies nimmt, so meine ich, eher ab, wenn die Routine zunimmt. In unserer Einheit am Dienstagnachmittag überraschte Okuma Sensei uns wohl alle! Schon ein wenig erschöpft hatten wohl viele von uns noch einmal alle Energien für eine anstrengende Einheit zusammengenommen. Und dann gab es weniger Training für den Körper, als für den Kopf. Im Fokus der Einheit stand nämlich die "Philosophie des Zählens" - Okuma Sensei griff den roten Faden aus Ogane Senseis Training auf und erläuterte uns zunächst ausführlich die große Bedeutung des Kata-Zählens: Durch das korrekte Zählen und die richtige Stimmlage könnten wir das Tempo und die Ausstrahlung eines Kata-Trainierenden "dirigieren". Wir kennen es alle: Schnell und stark auszuführende Techniken werden mit lauterer Stimme und großer Betonung gezählt, während langsame Techniken mit einer ruhigeren und etwas tieferen Stimme gezählt werden. Bei langsamen Techniken sollten wir darauf achten, auch in der einzelnen Zählzeit die Stimme korrekt zu intonieren - langsame Techniken starten schnell und laufen dann langsamer aus. So sollte auch die Stimme klingen. Alle Kata sollten wir dann im Zehner-Rhythmus zählen, also immer von eins bis zehn durch und dann wieder bei eins starten. Ich stellte mit Beruhigung fest, dass ich nicht die Einzige war, der hier die Übung fehlte! Etwas neu war zum Teil die JKA-Zähl-Variante, die gelegentlich von der im DJKB praktizierten Zählweise abweicht. Aber da hatte ich mit Melissa einen echten Profi an meiner Seite: Durch ihre große Wettkampferfahrung kannte sie alle Besonderheiten und konnte sie in unser Training mit einfließen lassen. Okuma Sensei gab uns genau vor, welche Kata wieviele Zählschritte umfasst und achtete penibel darauf, dass wir mit der richtigen Zahl endeten. Diese Einheit war für mich einfach brillant! Es war Trainertraining auf ganz hohem Niveau! So eine Einheit könnte ich mir auch gut auf einem Instructor-Lehrgang des DJKB vorstellen.
Man ahnt es schon: Mein persönliches Fazit des Czech Gasshuku fällt extrem positiv aus! Ich habe viele neue Trainingsimpluse bekommen, viele Aspekte zum Nachdenken und Rekapitulieren, zahlreiche unglaublich nette Menschen wiedergetroffen und neu kennen gelernt. Das besonders schöne Drumherum in der netten kleinen Stadt Kadan mit unserem erstklassigen Hotel Split und der abendliche Ausflug nach Prag haben die Trainingswoche perfekt abgerundet. Ein großer Dank geht an dieser Stelle an die Organisatoren und Helfer des Czech Gasshuku, allen voran Richard, David und Jana sowie an meinen Trainingspartner Torsten für die unermüdlichen Chauffeur-Dienste und last but not least an die drei erstklassigen Instructoren Naka Sensei, Okuma Sensei und Ogane Sensei. Im nächsten Jahr bin ich ganz sicher wieder dabei! Oss!
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