Boom-tschi-Boom
Bericht vom Trainingslager mit Michael Jarchau
Von Icky
...so schlägt das Herz des Karatekas! Zumindest während des diesjährigen Trainingslagers unter der Leitung von Michael Jarchau wurden unsere Herzen und damit eigentlich auch Körper und Geist in diesen Rhythmus gebracht. Besonders zum Schluß der letzten Trainingseinheit am Samstag Nachmittag war in meinem Kopf kein Platz mehr für andere Gedanken als eben boom-tschi-boom, in etwa gleichzusetzen mit Angriff, Block, Konter. Kaum ein anderer Trainer hat diese Begabung, Techniken und ihre Ausführung so lautmalerisch und plastisch zu demonstrieren wie Michael! Es wird meist nicht lange umschrieben, was zu tun ist, sondern kurz vorgemacht mit entsprechenden Ausdrücken, die auch whooomm, bamm oder ähnlich lauten können. Schön ist es auch, wenn die von Michael ausgeführte Technik dann auch noch zu diesen Lauten passt. Versuche ich anschließend, z. B. einen Yoko-Geri wie vorgemacht auszuführen, höre ich im Geiste zwar diese Laute, sie bilden aber leider keine Einheit mit meiner Technik! Da muß noch viel geübt werden.
Das Trainingslager bot jedenfalls wieder unglaublich viel für alle, am meisten aber wohl für alle Dan-Anwärter/-innen! Das Prüfungsprogramm zum 1. Dan war nämlich ein Schwerpunkt, sei es in der Grundschule als auch beim Kumite. Aufgelockert wurde das Training meist durch originelle und abwechselungsreiche Aufwärmübungen und -spielchen.
Bei der ersten Trainingseinheit am Freitagabend wurde viel Khion trainiert. Es gab anspruchsvolle Kombinationen, und Michael wies jeweils auf besondere Schwierigkeiten bei den Kombinationen hin oder gab uns Tipps, wie die Techniken besser auszuführen sind. Bei der Kombination Kokotsu-Dachi mit Shuto-Uke, Kizami-Mae-Geri, ist es besonders wichtig, dass die Knie im KK eine starke Aussenspannung haben. Wenn das Knie des tretenden Beines dann noch vorher richtig hochgezogen wird, passt die Technik eigentlich immer...Hauptsache, ich denke auch in der Prüfung immer schön dran...
Bei den anschließenden Kumite-Übungen wurde schnell klar, dass es mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad auch zunehmend Distanzprobleme gibt. Harmonierte das Partnertraining beim Gohon-Kumite noch einigermassen, und beim Khion-Ippon-Kumite vielleicht auch noch, fehlten doch beim Jiyu-Ippon-Kumite oft ein paar Zentimeter. Zum Abschluß der Einheit wurden wir in Gruppen zu ca. 4 Personen aufgeteilt. Einer stellte sich frontal den anderen gegenüber, die anderen drei in einer Reihe hintereinander. Die drei in der Reihe griffen dann nacheinander den gegenüberstehenden mit Kizami-Tsuki an und dieser blockte und konterte. Hier kam dann schon massive Kritik: bereits vor dem Angriff standen die meisten von uns schon viel zu nah am Partner, so dass sich der Angreifer selbst schon im Gefahrenbereich befindet und leicht quasi vorab abgekontert werden konnte!
Am nächsten Morgen, gnadenlose 8 Uhr früh, war mein System irgendwie noch nicht hochgefahren und ich hatte echte Koordinations- und Konditionsprobleme. Mit dem netten Klaus aus Wesel machte ich interessante Partnerübungen, bei denen es sich meist um Kata-Bunkai handelte. Tori griff beispielsweise an mit Yodan-Tsuki, Uke blockt mit der Ausholbewegung zum Age-Uke, und der Age-Uke selber war dann ein zum Kinn des Partners gerichteter Angriff. Dergleichen gab es einige Übungen, die oft einfach "mal anders" waren, als das, was man sonst so übt. Zum Abschluß der zweiten Einheit liefen wir einige Katas und es gab die obligatorischen 10 Tsukis im Kiba-Dachi.
Dritte Einheit, so, endlich, nach dem ausgiebigen Frühstück, war ich so richtig wach und hoch motiviert. Diesmal kein großartiges Aufwärmen, zu Beginn gleich Partnerübung Ashi-Barai, Kizami-Tsuki/Gyaku-Tsuki! Zu meiner Genugtuung hatte ich zufällig Pom als Partner! Nach einigen "frauenfeindlichen" Frotzeleien im letzten Dojo-Info und beim Frühstück hatte ich ihm unmittelbar vor der Einheit schon einiges Versprochen, sollte er mich im Training als Partnerin bekommen. Tja, und da stand er nun und grinste gequält bei meinem Anblick... dennoch war es ein sehr harmonisches Partnertraining, bei dem wir uns allerdings auch nichts geschenkt haben. Auch in dieser Einheit übten wir viele interessante Block-Konter-Variantionen am Partner. Diesmal konnte ich aber etwas besser folgen. Bei der letzten Kombination sah ich dann aber doch wohl etwas alt aus. Wir sollten Ushiro-Geri blocken, indem wir rückwärts rausgleiten und den Tritt mit offenen Händen herunterblocken, anschließend mit Mae-Tobi-Geri kontern. Naja, perfekt war das wahrlich nicht, was ich da versucht habe, hat aber echt Spaß gemacht. Während und nach dieser Einheit stand ich dermassen unter Strom, ich hätte stundenlang weitertrainieren können! Trotz zum Teil deutlichen Körperkontakts tat nichts weh, ich war hochmotiviert und wollte eigentlich am liebsten alle Übungen nochmal durchgehen. So ging ich unter Kopfschütteln der meisten anderen mit Heide noch ein wenig vor den Sandsack wo wir noch ein paar Fußtritte übten.
Während der Mittagspause wurden die Glückshormone in meinem Körper dann allmählich abgebaut. Es zwickte hier und da und boh, guck mal der blaue Fleck und so weiter. Nach gemäßigter Nahrungszufuhr stellte sich dann auch pünktlich zu Beginn der letzten Einheit dann leider mein obligatorisches Mittagstief ein.... Aber, keine Gnade! Michael-typisch wurde aus einer relativ einfachen Komination, nämlich Kizami/Gyaku-Tsuki, nach und nach ein vielfältiges Kampfgeschehen mit von Durchgang zu Durchgang wechselnden Techniken entwickelt. Hier musste man echt verdammt aufpassen, dass man alles auf den Schirm kriegt und sich nicht buchstäblich "verhaut". Meine super-starke Partnerin Diana (1. Dan, Nachnamen weiß ich leider nicht) holte das letzte aus mir heraus, hier gab es wirklich kein Pardon! Jeder schlechte Block verursachte Schmerzen, jeder Chudan-Treffer war ein echter Erfolg, Schweiß lief in Sturzbächen über mein Gesicht, brannte in den Augen, nahm mir die Sicht. Vor Erschöpfung rauschte es schon in meinen Ohren und die Kopfhaut fing an zu prickeln....aber DURCHHALTEN, noch kam kein YAME. Und weiter, und noch ein Angriff und Konter und boh, wo nimmt die Frau die Kraft her??? Ich habe glaub ich bisher noch nie so lange an einem Stück so hart trainiert wie in dieser Einheit! Als dieser Teil dann vorbei war und die Pratzen für die letzte Gib-nochmal-richtig-Gas-Übung rausgeholt wurden, war ich echt am Ende meiner Kräfte. Freiwillig und gerne bot ich mich an, als lebender Sandsack zu fungieren und dachte, so ein wenig Kraft tanken zu können. Leider hatte ich nicht mit so vielen so starken Techniken gerechnet! Keine Chance, sich zu erholen! Als es dann an mir war, gegen die Pölsterken zu treten und zu schlagen, ging es nur noch darum, nicht zusammenzubrechen. Ich taumelte nur noch von Pratze zu Pratze. Ist das der Sieg des Geistes über den Körper? Dann fiel der Sieg aber recht jämmerlich aus... Naja, bis zu diesem ultimativ letzten Teil hatte ich mich ja recht wacker geschlagen und so kam ich nach dem Duschen zu dem Schluß, dass ich zwar nicht jedes Wochenende so einen Lehrgang vertragen könnte, aber vielleicht einmal im Monat!!?!?!?!!
Zum Schluß möchte ich an ALLE Oberstufen-Teilnehmer appellieren, sich diesen Lehrgang nächstes Jahr NICHT entgehen zu lassen. Wenn sich der eine oder andere vielleicht von meiner "dramatischen" Schilderung abgeschreckt fühlt: Übertreibung ist ja auch ein rhetorisches Mittel....und in wieweit man sich verausgaben möchte und alles geben will, das bleibt ja jedem selbst überlassen. Diesmal haben sich wohl viele Teilnehmer sehr kurzfristig angemeldet, so dass es sehr schwierig war, den Lehrgang -besonders in Bezug auf das Essen- vorzubereiten. Wenn ich bei dem einen oder anderen das Interesse geweckt habe, nächstes Jahr mitzumachen, meldet euch bitte fristgerecht an!
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