Dienstag, 28. Oktober 2008

Wer im Glaß-Haus sitzt...


...sollte nicht mit Steinen werfen! Dies jedenfalls war der Eindruck den wir bei dem diesjährigen Lehrgang vom 17. bis 19.10.2008 von und mit Jochen Glaß (5. Dan Shotokan-Karate) bei uns im Dojo bekamen. ...denn der Jochen kann sich wehren - und zwar ordentlich! Jochen reist einmal jährlich extra aus Konstanz an, um mit uns Karate zu trainieren und uns viele Dinge zu zeigen, die er selber von seinem Trainer Hanskarl Rotzinger gelernt hat. Die Beziehung Münster-Konstanz ist schon fast so alt wie meine Karatelaufbahn und Jochen, der ursprünglich in Münster wohnte, war mein erster Sensei, als ich 1985 dem Anfängerlehrgang entschlüpfte. Wenig später verlegte er seinen Lebensschwerpunkt an den Bodensee - aber sein Kontakt zu unserem Dojo ist sehr eng geblieben! Auch diesmal kam Jochen nicht allein zu uns, sondern hatte drei sehr engagierte Karateka mitgebracht, darunter auch Steffen Maier, amtierender Vize-Europameister im Kumite.

Alle Trainer unseres Dojos waren am Freitagabend eingeladen, ein spezielles Trainertraining unter Jochens Leitung zu absolvieren. Nachdem wir von Steffen ordentlich und recht unkonventionell aufgewärmt wurden, lag der Schwerpunkt der Einheit auf den Wendungen in einigen Katas. Wir übten diese erst in Kihon-Kombinationen, die es schon zum Teil ganz schön in sich hatten! Dann fanden wir uns in Vierergruppen zusammen und setzten das soeben Gelernte in Partnerübungen mit je zwei Gegnern in zwei verschiedene Richtungen um. Wenn sich das hier schon kompliziert anhört - in Wahrheit war es noch viel vertrackter! Als man grade das Gefühl hatte, "jetzt klappt´s", hieß es "Einen aufrücken" und schon hatte man eine ganz andere Aufgabe in andere Richtungen mit anderen Techniken und neuen Partnern! Geschont wurden wir wahrlich nicht und als wir dann nach gut 90 Minuten das Dojo verließen, hatten wir uns den abendlichen Ausgeh-Snack redlich verdient!

Samstag schulte Jochen Unter- und Oberstufe unseres Vereins getrennt. Hier gab es einen ganz anderen Fokus als am Vorabend: Selbstverteidigung! Verschiedene Hebel, Würfe, Fußfeger und andere Schmakazien forderten besonders die Anfänger, aber auch so manchen von uns "alten Hasen" mächtig heraus! Bei all den kleinen Blessuren, die so ein Training zwangsläufig mit sich bringt - man sah es uns an: Es machte mächtig Spaß, Karate einmal abseits von Kihon, Kata und klassischem Kumite auszuprobieren! Wo es mit den Übungen noch nicht so klappte, half Jochen geduldig nach. War die Übung offenbar für viele von uns ungewohnt, scheute er sich auch nicht, sich den Steffen zu schnappen und auf eine grenzwertig-herzliche Art dermaßen zu malträtieren, dass uns allen Ablauf und Effektivität der Techniken bewusst wurde. Ich sag ja: Jochen sollte man lieber nicht ohne Grund herausfordern! Abends saßen wir dann in großer Runde bei uns im Dojo-Bistro, ließen uns kulinarische Köstlichkeiten vom Pizzataxi schmecken und auch so manchen "isotonischen" Durstlöscher mit oder ohne Alkohol. Besonders stolz, alleine mit den "Großen" dasitzen zu dürfen und so manchen Schwank aus "Papa" Matthes' Vergangenheit zu hören zu bekommen, war Fabian Elzinga, der als einziger (warum eigentlich?) Jugendlicher am Lehrgang teilnahm.

Sonntag ging es dann um humane 10.30 Uhr zu einem furiosen Finale! Es trainierten diesmal Unter- und Oberstufe gemeinsam und im Wesentlichen wiederholten und verfeinerten wir die Übungen des Vortages. Dann hieß es "Spalier bilden" und es stellten sich 20 Karateka in zwei Reihen, die Gesichter einander zugewandt, an einer Dojoseite auf. Durch diese hohle Gasse musste er nun gehen, der arme Karatefreund, der jeweils an der Reihe war und das Spalier schlug unbarmherzig zu, oder trat oder rempelte einfach. Nur Festhalten war verboten. Es bedurfte schon einiger Kraft und auch mentaler Stärke, sich durch die kampfeslustig blickenden Reihen zu wagen! Wer das durchgestanden hatte, der konnte sich, wenn er Glück hatte, ein paar Momente lang ausruhen - denn das "dicke Ende" kam erst noch: Jochen hatte parallel zu dem Spalier einen Kreis von neun Karateka bilden lassen und derjenige, der grade das Spalier geschafft hatte, durfte nun dort in die Mitte. Hier hieß es dann Angriff frei mit Oi-, Gyaku- oder Kizami-Tsuki von den im Kreis stehenden. Der in der Mitte wehrte ab, so gut es ging und konterte. Das Motto lautete: "Nicht schön, sondern schnell und hart" und so blieb nie viel Zeit zum Überlegen oder zum Einschätzen des Partners. Drei Runden hatte man zu überstehen, dann hatte sich der in der Mitte zu Boden fallen zu lassen und durfte die wohl härteste Probe über sich ergehen lassen: Der Kreis durfte ihn (kontrolliert!) mit Füßen treten und wurde immer enger, so dass der Mittlere kaum entweichen konnte! Klappte es einmal gar nicht und schien der Ärmste in der Mitte in auswegsloser Lage, half natürlich Jochen und befreite ihn mit einem erlösenden "Yame!".

Allen Karatekas hat der Lehrgang unglaublich viel Spaß gemacht und sicher Geschmack auf mehr! Wir hoffen, dass Jochen auch im nächsten Jahr wieder den Weg nach Münster findet.

Andrea Haeusler
Shotokan-Karate-Dojo Münster e. V.

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