Die Münsteraner Karateka können sich wahrlich nicht über einen Mangel an attraktiven Karate-Lehrgängen vor Ort beklagen: Regelmäßig beehren uns Bundestrainer Shihan Ochi, JKA-Instructor Risto Kiiskilä, Nationalcoach Thomas Schulze und Kata-Weltmeister Julien Chees in unserer Provinzstadt. Dass aber auch die Münsteraner Karate-Trainer einiges zu bieten haben, bewies wieder einmal eindrucksvoll Jörg Gantert (4. Dan Shotokan-Karate), der am Samstag, 25.10.2008, seinen 3. Kata-Bunkai-Lehrgang gab.
Am Abend zuvor war mir merkwürdig fröstelig zumute. Dies und die häufigen Nieser sowie meine beginnende Triefnase ließen nichts Gutes ahnen – bitte jetzt, vor dem Lehrgang, keine Erkältung! Vor dem Zubettgehen warf ich mir daher eine gnadenlose Überdosis Zink und Vitamin C ein – eine Kombination, die bei mir stets zuverlässig hilft. So auch diesmal, denn als ich am Samstag erwachte, war ich zwar nicht topfit, aber nach dem ersten Kaffee soweit genesen, dass es keinen Grund mehr gab, zu Hause zu bleiben.
Jörg hatte die Halle der Paul-Gerhard-Realschule mit Shomen und sogar einem kleinen Bambus nett herrichten lassen, so dass trotz Turnhalle ein wenig Dojo-Atmosphäre aufkam. Ich freute mich sehr, so viele bekannte und noch unbekannte Karateka zu sehen! Der Lehrgang umfasste zwei Einheiten, in denen alle Graduierungen gemeinsam unterrichtet werden sollten. Da es sich um einen Bunkai-Lehrgang zur Kata Kanku-Dai handelte, war dies sicherlich ein mutiges Unterfangen! Allein der Ablauf der Kata ist ja schon nicht jedem Karateka unterhalb - sagen wir - 3. Kyu vertraut. Und dazu noch entsprechende Bunkai-Übungen? Na, ich war gespannt!
Das Aufwärmtraining war dann auch gleich ein "echter Gantert" - von wegen "locker auf der Stelle laufen" oder "Hampelmann" zum Warmwerden! Gleich ging es los mit Partner: Einer nahm den Obi ab, faltete ihn vierfach hielt ihn in verschiedene Positionen, so dass sein Partner munter darauf ein schlagen oder treten konnte. Anschließend legten wir den Obi in einer Linie auf den Boden und sprangen, die Beine abwechselnd leicht gegrätscht bzw. gekreuzt darüber. Als wir hiermit fertig waren, konnte ich gar nicht mehr genau sagen, ob ich jetzt Schweißausbrüche wegen des Infekts oder wegen der Übung hatte! Jedenfalls waren alle meine Zipperlein im Nu vergessen. Die Kanku-Dai liefen wir in kleinen Abschnitten, so dass auch jeder Anfänger und sogar die vielen Kinder, die am Lehrgang teilnahmen, gut mithalten konnten. Jede Passage wurde zig-mal wiederholt. Mit diesen Vielfach-Wiederholungen ist das so eine Sache: Beim dritten oder vierten Mal denkt man vielleicht "Wie, jetzt? Nochmal dasselbe?" Dann kommt eine Phase, wo die Muskeln müde werden und irgendwann - es ist fantastisch, denkt man gar nichts mehr! Das ist schon toll und hat echt was Meditatives an sich. Nach jeder neuen Etappe gab es dann von Jörg die Erklärung einer passenden Abfolge von Bunkai-Techniken. Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass Bunkai-Übungen für mich lange Zeit nicht zu der Lieblingsbeschäftigung im Karate gehörten. Das lag wohl daran, dass ich einfach oft überfordert war. Mittlerweile finde ich dieses "Entschlüsseln" einer Kata aber sehr spannend und der ein- oder andere Bewegungsablauf hat sich bei mir auch schon fast ein wenig automatisiert. Sprich: Ich muss nicht mehr so furchtbar viel nachdenken, sondern einige Sachen ergeben sich fast selbstverständlich wie ein Konter-Tsuki im Kumite. Dann macht so ein geballtes Bunkai-Programm natürlich riesig Spaß!
Zur Philosophie des Karate passend begann jede Bunkai-Übung mit einer Block-Technik. Es folgten entsprechend des Ablaufs der Kanku-Dai eine Reihe von Konter- oder Fixier-Techniken, Hebeln und Fußfegern. Ziel jeder Kombination war es, den Gegner kampfunfähig zu machen. "Kontrolle ist die höchste Instanz", so Trainer Jörg, und daher waren wir mit unserem Gegner erst dann "fertig", wenn dieser so am Boden lag, dass er sich nicht mehr rühren konnte ohne durch ein Ziehen oder Stechen z. B. in Arm- oder Schultergelenk "bestraft" zu werden.
So lag es also nicht an grippalen Symptomen, dass ich, nachdem der erste Adrenalinschub in der Mittagspause verflogen war, doch leichte Spannungen in allen denkbaren Körperregionen verspürte. Bestimmt hätte es mir jeder auch nachgesehen, wenn ich mit meiner Erkältung in den Knochen die zweite Einheit hätte sausen lassen. Aber ich war doch zu gespannt darauf, auch die restlichen drei Bunkai-Kombinationen kennen zu lernen, die sich Jörg für den Nachmittag aufgehoben hatte. Und wie das dann immer so ist, war ich dann froh, mich auch ein zweites Mal aufgerafft zu haben! Auch wenn Jörg betonte, dass der Schwerpunkt dieses Lehrgangs nicht darauf lag, die Kata vom Ablauf her sicher zu beherrschen, so hatten wir sie insgesamt so oft wiederholt, dass ganz bestimmt auch bei den Anfängern etwas hängen geblieben war! Und die Fortgeschrittenen unter uns wurden mit jeder Wiederholung der Bunkai-Techniken sicherer und konnten diese dann auch schnell nach einem Partnerwechsel mit dem neuen Gegenüber umsetzen. Vielleicht waren manche Eltern der mittrainierenden Kinder oder auch die anderen Zuschauer, die am Rand der Halle auf den Bänken Platz genommen hatten, ein wenig erschrocken über unseren recht "ruppigen" Umgang miteinander, die lauten Kiais und auch manchen "Hollywood"-Schmerzensschrei. Mich persönlich hatten aber alle Übungspartner mit soviel Kontrolle und Umsicht "traktiert", dass ich hinterher nicht nur meine Schniefnase fast vergessen hätte - sondern auch durch den Lehrgang meinen Bunkai-Horizont wieder ein gutes Stück erweitern konnte.
Oss, Icky
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1 Kommentar:
was ist los, im November kein Karate ??
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