Sonntag, 5. Oktober 2008

Young @ Heart

Heute sah ich mir mit Frank den Film Young @ Heart an, eine Road-Doku über ein gleichnamiges Chorprojekt in den USA, das jüngste Mitglied ist 67 und das älteste 92Jahre alt. Der Film handelt im Wesentlichen davon, wie der äußerst ambitionierte Chorleiter Bob Cilman seine liebe Mühe damit hat, den klassik- und musicalverliebten Senioren Songs aus den Bereichen R&B, Rock und Punk näherzubringen und auf eine Aufführung vorzubereiten.

Sehr beeindruckend fand ich die Interviews mit den Solisten, die glaubhaft versicherten, das Singen halte sie jung und vital und sie würden nicht vor dem letzten Atemzug damit aufhören. Charmant auch z. B. die Flirtversuche der im Film 92-jährigen (inzwischen verstorbenen) Eileen oder die Beschreibung Fred Knittles und seiner Frau über ihre Ehe. Etwas bedenklich hingegen war m. E. das Vorhaben des Chorleiters, zwei ehemalige Mitglieder (Fred Knittle und Stan Goldman) wieder zu den Proben und zu den Auftritten zu holen, die bereits aus gesundheitlichen Gründen ausgestiegen waren. Zwar machte auch diesen beiden Männern das Singen eine unübersehbare Freude, bei Stan ließen aber bereits während der Proben die Kräfte soweit nach, dass er sein Solo nicht mehr singen konnte. Kurz darauf wurde er noch einmal während einer Bluttransfusion gefilmt und interviewt. Dann starb er. Fred hingegen beeindruckte nicht nur durch seine unglaubliche Leibesfülle, sondern auch durch seine wunderschöne Stimme! Es war allerdings schon makaber, wie er nur mit Beatmungsgerät auf die Bühne gehen konnte. Also irgendwie, ich weiß nicht....ist das nun besonders cool, trotz dieses Handicaps aufzutreten und zeugt es von einem unerschütterlichen Durchhaltewillen oder bezeugt so ein Act schon eine gewisse Leichtsinnigkeit und ein Spiel mit dem Leben?

Ein weiterer Sänger verstarb während der Dreharbeiten und das ist ja auch an sich bei dem hohen Durchschnittsalter kein großes Wunder. Es war insgesamt sehr beeindruckend, wie die Darsteller in den Interviews ihren Umgang mit dem Alter und dem nahen Tod darlegten. Alle schienen relativ gelassen auf ihr nahes Ende zu blicken, kommentierten Altersgebrechen wie knackende Knochen, Nierensteine oder Inkontinenz mit schwarzem Humor und Sarkasmus. Allesamt machte die Truppe eine positive Ausstrahlung, ganz nach dem auch von ihr aufgeführten Lebensgefühl nach James Brown "I feel good".

Dennoch fuhren wir nach dem Film mit gemischten Gefühlen heim: einerseits diese positive Stimmung, die das Chorprojekt versprühte, andererseits aber auch die ständige Gegenwart von Gebrechlichkeit und Tod und schließlich noch der Kontrast der Generationen. Leute, die Anfang des letzten Jahrhunderts geboren wurden singen recht aktuelle Pop, Rock und Punksongs. Der Filmemacher selber räumt ein, dass die Sänger sich z. B. bei Schizophrenia von Sonic Youth überhaupt nicht im Klaren waren, was sie da sangen.

Der "Witz" und die Wirkung des Chorprojekt basieren zwar grade auf diesem Kontrast und dem Gegensatz zwischen alten Menschen und junger Musik. Dies wirkt aber eigentlich dann am Besten, wenn mit der alten Menschen eigenen Gelassenheit über Dinge gesungen wird, die sie selber augenzwinkernd aus einer anderen Perspektive sehen können als die jüngeren Generationen und z. B. singen: "We are on a Road to Nowhere" oder "Forever Young". Sobald sich an Songs herangewagt wird, bei denen diesen älteren Menschen gar nicht klar sein kann, welche Intention damit beabsichtig wurde und welches Lebensgefühl vermittelt werden sollte, gleitet die Darbietung schnell ins Lächerliche ab. Dann geht es nur noch um den Kontrast und Provokation, die eigentliche "Message" geht verloren und die Darsteller karikieren sich nur noch selber.

Keine Kommentare: