Mittwoch, 20. Mai 2015

Training bei Shihan Ochi


Einmal im Jahr gibt unser Chief Instructor Shihan Ochi, 8. Dan, einen Karatelehrgang in Münster. Neben der Tatsache, dass dies eine der Möglichkeiten ist, eine Dan-Prüfung abzulegen, bedeutet ein Lehrgang mit unserem „Chef“, wie wir Herrn Ochi liebevoll nennen, auch immer eine Gelegenheit, bei einer wahren Karate-Legende zu trainieren. Menschen, die heute neu mit der Kampfkunst Karate beginnen, können vermutlich gar nicht einschätzen, wie wertvoll diese Trainings sind und was für einem besonderen Menschen wir in diesen Einheiten gegenüberstehen. Umso mehr hat es mich gefreut, dass auch einige unserer Mitglieder am diesjährigen Lehrgang in Münster teilnahmen und zwei unser Karate-Kinder dort sogar ihre Prüfung zum Gelbgurt ablegten


Ochi Sensei heute 
Ja, genau: Kinder. Ochi Sensei hat einen wunderbaren Zugang zu Kindern – aber ebenso führt er die Karate-Jugend an und auch die Fortgeschrittenen bis hin zum Schwarzgurt und weit darüber hinaus. Auf seinen Lehrgängen scheint man in einer riesigen Trainingsgruppe von mehreren hundert Karateka zu verschwinden – umso wertvoller sind mir die Trainings „Auge in Auge“ mit Ochi Sensei, wenn wir in Bottrop bei ihm „zu Hause“ trainieren. Ist er uns 08/15-Karatekas gegenüber immer nachsichtig und geduldig oder allenfalls väterlich-streng, so möchte ich mir dennoch nicht ausmalen, mit welch einer zielführenden und unbarmherzigen Trainingshärte er in den 1970er und 1980er Jahren das National-Team zu Welterfolgen gebracht hat! 

Ich überlege grade, wie ich vorhin auf den Begriff „Legende“ kam und ob diese Terminologie zutrifft. Eine Legende ist ja eigentlich eine dem Märchen oder der Sage ähnliche Textsorte, was spätestens dann irreführend ist, wenn man im Training von Shihan Ochi (Jahrgang 1940) ganz real und leibhaftig eine liebevolle Kopfnuss empfängt. Einigen wir uns darauf, dass die Karatelaufbahn dieses japanischen Meisters in Bezug auf seinen unermüdlichen Einsatz für unsere Kampfkunst und nicht zuletzt auch hinsichtlich der sensationellen Erfolge (u. a. zweifacher Weltmeister der JKA in 1966 und 1967 sowohl in Kumite, als auch in Kata) heute kaum noch nachvollziehbar und insofern beinahe unglaublich und damit gewissermaßen märchenhaft ist. Dann passt das mit den Begriffen Legende und legendär! Zudem beginnen Märchen ja meist mit der Redewendung „Es war einmal....“ und spielen in der Vergangenheit – mir wird nämlich grade bewusst, dass Herr Ochi seine größten Erfolge zu einer Zeit erkämpfte, als ich noch nicht einmal auf der Welt war! 


Ochi Sensei in den 1990ern 
Mein Karate-Partner Torsten und ich haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Karatelehrgänge mit den verschiedensten Trainern besucht, von denen jeder mehr oder weniger eine besondere Botschaft, einen speziellen Fokus oder Trainingsstil vermittelt. Meiner Meinung nach ist es auch sehr wichtig, ab einer gewissen Trainingsreife viele Karate-Eindrücke zu sammeln. Trainings bei Shihan Ochi sind aber immer wieder wie ein Nach-Hause-Kommen – sei es in Ochi Senseis Dojo Arawashi in Bottrop oder bei einem seiner Lehrgänge.     


So war es auch in Münster wieder: Die heimische Atmosphäre, bekannte Gesichter von Menschen, die zum Teil hunderte von Kilometern gefahren sind, um bei Ochi Sensei zu trainieren und schließlich auch die vertraute Stimme des zuweilen strengen, zuweilen sich auch schelmisch über unsere Fehler oder Unkonzentriertheiten amüsierenden Instructors. Auch das Training war wieder „typisch Ochi“ – traditionelles Karatetraining - vielleicht ein weiterer Grund, warum die Hallen in seinen Trainings immer so voll sind: Es gibt vordergründig keine großen Überraschungen hinsichtlich der Trainingsinhalte. Wie gewohnt erwartete uns auch in Münster der klassische Mix aus Kihon, Kata und Kumite in den bekannten Formen und Strukturen. Optimal, um das Training „fließen zu lassen“, Körper und Geist in einen Zustand des „Moving Zen“ zu versetzen, der gleichzeitig schweißtreibenden und doch federleichten Entrücktheit, die einen wunderbaren Ausgleich zum Alltag bietet. 

Moment – was hat er grade gesagt? Rechts vor mit Gedan Barei? Mist, ich steh wieder links vor! Und schon erklingt das fröhliche Lachen Ochi Senseis in mein Ohr, der sich diebisch freut, dass viele von uns ihm einmal mehr auf den Leim gegangen sind. Ich habe immer das Gefühl, er sieht jeden, aber auch wirklich jeden Fehler, jede auch noch so kleine Ungenauigkeit – und da kann man auch ganz hinten rechts in der letzten Reihe stehen – er sieht’s! 



Absolut empfehlenswert: Ochi - ein japanisches Paar von Fritz Wendland, z. B. bei www.saikosports.de 

Bei beinahe jedem Lehrgang kann man zudem davon ausgehen, dass Ochi Sensei sich wieder ein paar neue Nucancen im Kihon- und Kumite-Training überlegt hat, die selbst erfahrene Schwarzgurte an den Rand der Verzweiflung führen: 10 – 12 Schrittwechsel in verschiedenen Karateständen hintereinander mit unterschiedlichen Faust- und Fußtechniken, mal vorwärts und mal rückwärts, mal vorne oder auch mal hinten herum gedreht und dann, wenn man denkt, man kann das jetzt, heißt es „Augen zu!“ und plötzlich ist alles wieder neu! Wie befreiend ist es dann, wenn – wie etwa beim Instructor-Lehrgang in Bochum – am Ende der Einheit Jiyu-Ippon-Kumite auf dem Programm steht und das Kommando lautet „Abwehr und Konter frei!“ – da kann man dann zumindest aus Ochi Senseis Sicht nicht viel verkehrt machen :-)


Ein äußerst informatives Nachschlagewerk mit der Biografie Ochi Senseis und weiterer berühmter Karatemeister: masters bei schlatt-books, ISBN 978-3-937745-17-6
Ochi Senseis Ansagen bestehen meist aus Kommandos und Korrekturwünschen, eher selten in Erklärungen nach dem Motto: „Die Technik ist so und so auszuführen.“ Und noch seltener bekommt man erklärt, warum das so ist. Das muss man sich schon selber erarbeiten – es wird uns nichts „vorgekaut“, wir müssen uns selber „durchbeißen“. Und daher ist das Training bei Ochi Sensei für meine Begriffe weder leicht (weil es vielleicht „immer dasselbe“ ist), noch eintönig oder weniger lehrreich, es ist vielmehr die höchste Stufe des Eigenstudiums und der Selbsterkenntnis – oder schlicht gesagt: Budo Karate! Oss!



Sonntag, 17. Mai 2015

Technik Details Samurasi Spirit und Osterlehrgang


Freitag, 1. Mai (zwei Einheiten von 16 bis 19 Uhr mit einer Stunde Pause zwischendurch) und Samstag, 2. Mai (vier Einheiten von 10 bis 18 Uhr mit Pausen)

Malcolm: Schwerpunkt auf anwendungs- und selbstverteidigungsbasiertes Karate - wie man es in Johannesburg braucht! Drop and execute - Schwerpunkt senken und angreifen. Weiterer Schwerpunkt: Maximale Hüft-Rotation (sehr ungewohnt, weil fast schon zu viel für unseren Geschmack, vielleicht sogar schon etwas "gegen die Bewegung"). Ganzheitliches Karate-Konzept, das funktioniert und in allen Bewegungsmustern wiederzufinden ist, sei es im Kihon, in der Kata oder im Kumite

Freitagabend: Einleitung mit einem Mondo.
Richtiger ZK: hüftbreiter Stand, vorderer Fuß leicht nach innen gedreht, hinterer Fuß möglichst weit nach vorne, Winkel nach außen maximal 20 Grad. Vorderes Knie über dem großen Zeh. Spannung nach innen und unten.

Beim Gyaku Tsuki noch deutlichere Spannung nach innen, ohne das Knie nach innen fallen zu lassen.  Malcolm möchte aber nicht, dass die Schulter nach vorne ragt - auch beim Gyaku Tsuki soll die vordere Faust nicht weiter rausragen, als die andere, wenn wir zur Kontrolle den anderen Arm strecken.

Bei allen Uke Bewegungen, z. B. auch beim Gedan Barei, soll das Hikite, die Vorspannung, so groß sein, dass der Oberkörper fast 90 Grad zur Laufrichtung einnimmt. Das hintere Knie kann ruhig gebeugt sein, es muss aber nach vorne, in Laufrichtung zeigen.

Übung Selbstverteidigung: kein Tsuki, sondern Haken von außen - ich hatte einen sehr großen, starken Karateka als Partner (Helmut aus Siegen). Sensei wollte auswechseln, aber ich wollte bei meinem Partner bleiben, da mir diese Konstellation (für mich) realistisch erschien. Mein Dickkopf urde mit starken Hämatomen "belohnt"... Aber realistisch war es wohl ;-)

Übung: Schwinger mit rechts und mit links. Tori dreht sich maximal zur Hamni Seite ein und blockt auf Kopfhöhe mit beiden Armen, Handflächen offen (mein Partner hatte leider immer mit den Handkanten geblockt, was in der Selbstverteidigung sicherlich effektiver ist - man sollte es aber im Partnertraining nicht zu oft üben....). Dann maximale Drehung zur anderen Seite mit demselben Block und dann Konter mit rechts. Die zweite Drehung kann auch gesprungen werden.

Später: Konter Gyaku Tsuki mit Gedan Uke und gleichzeitigem Konter Chudan

Übungen von Malcolm mit Yahara-Style: Angriff Tsuki Chudan, Block Soto Uke, Drehung (mit Drehung des kompletten vorderen Fußes!) und Uraken und nochmal Drehung zurück mit Uraken

Hieraus wurde dann Okuri-Kumite-Übung zu fünft: Angriff jeweils Tsuki Chudan - erster Block der Doppelblock von eben, zweiter Angreifer ist im Uhrzeigersinn der nächste - dafür Drehung hinten rum um 270 Grad mit Yoko Geri sofort um die eigene Achse drehen, Knie des tretenden Beins oben lassen, der nächste Angreifer steht in 180 Grad vom vorigen (auf "neun Uhr" vom ersten Angreifer aus gesehen). Tsuki mit Mae Tobi Geri stoppen, dann Drehung links rum auf "6 Uhr" und Block mit Soto Uke und weit ausgedrehter Hüfte - Vorspannung - und dann nach vorne schnellen zum Gyaku Tsuki.

Thomas Schulze:
Schrittfolgen von Thomas und Kumite von Thomas: Tori Angriff Tsuki Chudan, dann Druck auf vorderes Bein und 45 Grad rausgleiten mit demselben Arm Gedan Barei, dann Gyaku Tsuki

Variante: Tori Angriff Tsuki Chudan, vorderes Bein schräg nach hinten ziehen und mit dem anderen Arm Gedan Barei, Gyaku Tsuki.

Das dann mit Partner, wobei der Partner nur zurück geht mit Soto Uke und kontert
Die zweite Tori-Kombination war erheblich schwieriger am Partner auszuführen, da die Distanz meist nicht optimal war. Habe mir ein schönes Ründchen mit Vladi gegönnt ;-)

In der letzten Einheit: gab es direktere Konter, mehr auf dem Weg zum Freikampf hin: Angriff Kizami Tsuki, Block Soto Uke Jodan mit Gewichtsverlagerung und direkt mit demselben Arm rausschießen Kizami Tsuki und Gyaku Tsuki



Schrittfolgen Emanuele vom Osterlehrgang (alle 8 bei uns üblichen Bewegungsrichtungen enthalten):

li vor stehend:
1. vorgleiten Suri Ashi
2. zurück
3. einen Schritt vor im Zk
4. zurück
5. nach rechts hinten raus mit Tai Sabaki und Suri Ashi
6. das gleiche auf der Stelle gedreht rückwärts
7. einen Schritt rückwärts
8. einen Schritt vor und dabei um 180 Grad drehen
Wieder ausrichten nach vorne mit dem anderen Bein nach vorne

Kata Special 2015 - Details

Bunkai Sochin bei Toribio Osterkamp:
Uke:  erste Technik der Kata, allerdings schnell, nicht langsam wie in der Kata ausführen; dann Drehung nach links in KK mit Manji Uke, Umsetzen zu ZK mit Gyaku Uraken auf die Schläfe des Gegners; hinten rum drehen in KK mit Manji Uke, wieder umsetzen mit Gyaku Uraken wie eben; linkes Bein umsetzen in KK mit Shuto Uke, einen Schritt schräg vorwärts gehen mit KK und Shuto Uke gefolgt von nem leichten Suri Ashi mit Te Osae Uke und Nukite Jodan im ZK; jetzt Kizami Mae Geri und beim Absetzen Griff an die Kehle des Gegners (wie in der Hokkyokuko); Umsetzen mit Drehung Uchi Uke, Gyaku Uchi Uke. Mae Geri, hinten absetzen, mit einer Hand den anderen ranziehen und Fauststoß zur Kehle des Gegners

Tori: Angriff mit rechts Tsuki Jodan; dann an Ukes rechte Seite stellen, Mae Geri mit rechts, dasselbe an der anderen Seite, aber Mae Geri mit links, rechts um Uke herum gehen und Angriff Tsuki chudan mit links (?), Nochmal vor Angriff Tsuki Chudan plus Gyaku Tsuki; von der anderen Seite kommen, Angriff mit links (?) Chudan Tsuki


Bunkai Gojushiho Dai bei Julian:
Uke steht li vor, ihm gegenüber stehen zwei Angreifer, etwa in V-Stellung aus Sicht des Uke; der von Uke aus linke Angreifer steht rechts vor, der andere links vor (beide vordere Beine quasi nebeneinander); der linke Angreifer packt Uke mit dem linken Arm am Kragen, Uke schlägt dem Tori mit der linken (?) Hand ins Gesicht und wischt den Griff Gedan-Barei-ähnlich ab; es folgt ein Angriff Tuki Jodan von dem anderen Angreifer. Uke blockt zunächst diesen Angriff mit einer Art Age Uke nach rechts weg, schlägt dann den Arm weiter nach unten und kontert dann mit einem Tettsui Uchi

Kihon Omura Sensei
Im Shizentai mit Fausttechniken in verschiedene Richtungen - ähnlich den Naka-Sequenzen, Fokus auf Hüfteinsatz
Aus Shizentai mit li und re abwechselnd zurück in ZK mit Age Uke / Gyaku Tsuki, bereits beim Absetzen mit Age Uke auf Hüftrotation achten!
Im Shizentai seitlich ausholen zu Shuto Uke und dann auch im Stand so zur Seite ausführen; dann andere Seite - Hüftrotation beachten - sehr anspruchsvoll! Dann seitlich rausgehen mit KK und Shuto Uke
Verschiedene weitere Kombinationen.....im Kiba Dachi doppelter Tsuki, dann 45 Grad raus mit Tsuki?! wieder zurück, dann in andere Richtung.....

Kata Special Course 2015 in Groß Umstadt

Unser Karateverband hat jährlich zwei ganz große Trainings-Events anzubieten – neben dem Gasshuku, welches regelmäßig Anfang August stattfindet, gibt es mit dem Kata Special Course noch eine Veranstaltung, die sich an dem verlängerten Wochenende um Christi Himmelfahrt herum ausschließlich mit der Trainingsform Kata beschäftigt. Wie auch beim Gasshuku wechseln die Austragungsorte jährlich und stets werden recht malerische Orte oder Orte, die auch für mitreisende Familien einen besonderen Freizeitwert besitzen, ausgesucht. In diesem Jahr war – bereits zum 10. Mal – Groß Umstadt im Odenwald Ort des Geschehens. Natürlich hatten auch Torsten und ich uns im Vorfeld Lehrgangskarten gesichert und eine Unterkunft reserviert. Aus organisatorischen Gründen reisten wir diesmal getrennt an, was sich im Nachhinein als sehr günstig erwies.


Unsere Unterkunft, das Gästehaus Regina, ist – naja, ich würde mal sagen: bedingt zu empfehlen und vor allem für Trainierende mit schmalem Geldbeutel günstig, die auch einen kurzen Weg zu den Trainingshallen wünschen. Ansonsten muss man schon ein Fan skurriler Baukunst und gefliester Schlichtheit sein, die vergeblich versucht, ihren Ausgleich durch recht schrille Wanddekorationen zu suchen. Ganz erstaunlicher Weise gewöhnte ich mich aber doch nach einer Weile an die Unterkunft, die mir zum Abschied beim Bezahlen mit einer recht günstigen Rechnung wie zur Versöhnung die Hand reichte.


Zauberhafte Wanddeko im Gästehaus Regina
Groß Umstadt ist ein nettes Örtchen mit einer umfangreichen Gastronomie – an jeder Ecke gibt es ein Restaurant, ein Eiscafé oder ein Bistro. Langeweile kommt so zwischen den Trainingseinheiten nicht auf und man trifft ja auch alle Nase lang Menschen in Karate-Gis, mit denen man in alten Zeiten schwelgt, oder die man neu kennen lernt.

Nachdem Torsten und ich den ersten Abend bei gutem Essen und einem Glas Wein hatten ausklingen lassen, ging am nächsten Morgen um sehr angenehme 10 Uhr das erste Training für uns los. Nach dem Motto „das Beste kommt zuerst“ hatten wir direkt 90 Minuten Training bei unserem „Chef“, Shihan Ochi. Ich kann nicht sagen, woran es liegt, aber die Trainings bei Ochi Sensei begeistern mich immer mehr! Ich hatte in den vergangenen Wochen mehrfach die Gelegenheit, in seinem Dojo in Bottrop trainieren zu dürfen und konnte auch zwei Einheiten unter seinen Anweisungen beim Instructor-Lehrgang in Bochum genießen. Auch der Lehrgang mit unserem Chief Instructor in Münster war für mich ein spitzenmäßiges Erlebnis und das vor einigen Wochen in Dresden stattfindende Karate-Seminar Takudai (Ochi Sensei mit  Naka Sensei und anderen Großmeistern, die zum Teil schon zu Lebzeiten wahre Karate-Legenden sind!) gehört für mich in die erste Liga der Karate-Events überhaupt. Es sind Trainings mit einem hohen Anspruch an die Konzentration und Koordination – sei es durch eine Abwandlung im klassischen Kumite oder durch neue und längere Kihon-Variationen – manchmal sind es nur Nuancen, die die gewohnten Bewegungsmuster aufbrechen und zu etwas Neuem werden lassen. Es ist immer empfehlenswert, in diesen Trainings besonders gut zuzuhören, sonst kann es schon einmal eine liebevolle Kopfnuss setzen oder es wird einem symbolisch der Schwarze Gürtel abgenommen. Ochi Sensei startete mit einer der höchsten Katas unserer Stilrichtung, der Gojuishiho Scho. Neunzig Minuten lang scheuchte uns der Karate-Großmeister durch die Halle und sorgte für einen fulminanten Start des Karate-Großereignisses!

Auch am Nachmittag wurde die Gruppe ab 2. Dan hinsichtlich der Trainingszeiten verwöhnt: Unsere zweite Einheit begann um 14.30 Uhr und war um 16.00 Uhr beendet, so dass noch genügend Freizeit für Gespräche, Ausflüge oder Entspannung blieb. Am ersten Tag ging es gleich hochkarätig weiter mit Training bei Sensei Toribio Osterkamp und einer meiner Lieblingskatas: Sochin! Sensei Toribio überraschte uns mit abgewandelten Kata-Sequenzen, aus denen heraus er mit uns  eine anspruchsvolle Bunkai-Übung erarbeitete. Ich kann mir vorstellen, dass diese Übung auch mit bis zu fünf Trainierenden funktioniert. Vermutlich wollte Toribio uns das Training aber erleichtern und hat uns die Sequenz daher zu zweit ausführen lassen, wobei jeweils einer den Part des Uke inne hatte, der andere von verschiedenen Seiten aus angreifen musste. Hier wurde mein Kampfgeist geweckt und am Ende hatte ich in meiner Vorstellung all meine Gegner zur Strecke gebracht – auch wenn ich manchmal in der Hitze des Gefechts rechts und links verwechselte oder eine ganz neue Technikvariante einbaute. Natürlich führten wir auch die Kata mehrfach aus und gingen dann glücklich-erschöpft in den Nachmittag.

Der zweite Trainingstag begann dann nicht so schön, da Torsten krankheitsbedingt abreisen musste. Ein Kata Special ohne meinen „Kata-Mann“ konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen – nichts desto Trotz machte ich mich tapfer auf zur ersten Einheit: Nijushiho mit unserem National Coach Sensei Thomas Schulze. Sein Fokus lag – wie auch schon beim Samurai Spirit Seminar in Siegen – auf Techniken mit viel Spannung und tiefer Basis – dies muss nicht zwingend bedeuten, tiefer zu stehen, aber wir sollten eine stabile Mitte haben und viel Kraft aus dem Hara generieren. All dies wurde gepaart mit einer Lockerheit im Oberkörper und heraus kam eine kraftvolle, dynamische und explosive Nijushiho! Ein super Training, ein motivierender Trainer und eine auf diese Art auch für mich schöne Kata. Ein bisschen wehmütig dachte ich zwischendurch daran, wie sehr mit Sicherheit auch Torsten diese Einheit gefallen hätte, da die Nijushiho zu seinen Kata-Favoriten gehört!

Sensei Julian Chees ist immer ein Garant für exquisites Kata-Training! So freute ich mich schon sehr auf seine Einheit am Nachmittag. Es stand die anspruchsvolle Gojushiho Dai auf dem Programm, die, wenn man sie nicht (wie schon einmal bei einem Chees-Lehrgang in Münster geschehen)  „ura“ ausführt, für eine extreme Kräftigung des linken Oberschenkels sorgt. Wir begannen mit der wohl schwierigsten Stellung der Kata: der Wendung im Neko Ashi Dashi. Julian Sensei riet uns, die Wendung aufzuteilen und zunächst den hinteren Fuß zu drehen, um für Stabilität zu sorgen. Es gab zahlreiche weitere Tipps und Basisübungen – aber was wäre ein Kata-Training bei Julian, wenn es nicht auch kniffelige Bunkai-Sequenzen hätte? So übten wir zu dritt und beherzt eine Anlehnung an die Starttechnik der Kata – Backpfeifen inklusive :-) 

Leider wurde das Training gut fünf Minuten vorzeitig abgebrochen, als wir grade mit einer zweiten Bunkai-Übung begonnen hatten, die wir so leider nicht vertiefen konnten: Unser DJKB-Präsident nutzte das Ende der Einheit dazu, dem Ausrichter des Groß-Umstädter-Lehrgangs für seinen Einsatz zu danken und überreichte ihm eine Urkunde. Eine mit Sicherheit verdiente Ehrung, aber meiner Meinung nach hätte diese besser im Rahmen einer Lehrgangsfeier vorgenommen werden können – so wären nicht nur die Trainierenden der Gruppe ab 2. Dan Zeuge der Laudatio geworden und wir hätten noch ein bisschen mehr vom Training bei Julian gehabt.


Den Nachmittag verbrachte ich dann alleine mit einem Mix aus Kultur und Wellness – sprich: Ich holte das nach, was Torsten und ich eigentlich am Vortag gemeinsam hätten unternehmen wollen. Also machte ich mich alleine auf die Suche nach der Ausgrabungsstätte der römischen Villa Haselburg und bestaunte bei herrlichstem Sonnenschein die Relikte aus alten Zeiten. Auf dem Weg dorthin war ich ich bereits eher zufällig auf die Veste Otzberg gestoßen, eine mittelalterliche Burgruine, und konnte auch hier ehrfurchtsvoll durch die alten Gemäuer spazieren. Schließlich hatte ich mir dann eine Erholung in der Odenwaldtherme verdient – eine kleine, aber feine Saunalandschaft im beschaulichen Ort Bad König, in der mich vor allem die vierteilige Aufgussprozedur namens „extra heiß“ kreislaufmäßig vollends forderte.




Burgruine Veste Otzberg 

Römische Villa Hasenburg (Ausgrabungsstätte) 
Gut erholt sprang ich am nächsten Morgen dann bereits um 7 Uhr aus den Federn, um die Einheit bei Shihan Omura um 08.30 Uhr mitzunehmen. Über den charismatischen Nationaltrainer Thailands hatte ich über meine Senseis Michael Jarchau und Andreas Klein schon viel Beeindruckndes gehört und so war ich sehr gespannt auf sein Training der Kata Gankaku! Ich hatte mich zu diesem Zweck der Gruppe bis 1. Kyu angeschlossen.


Nach dem Aufwärmen durch einen jungen Braungurt begann der Shihan direkt mit sehr anspruchsvollen Kihon-Kombinationen, bei denen es ihm vor allem auf den korrekten Hüfteinsatz ankam. Offensichtlich sah er bei uns hier noch einen erhöhten Trainingsbedarf – und er ging vielleicht auch davon aus, dass der Ablauf der Schwarzgurtkata, die das Bild eines Kranichs auf dem Felsen symbolisiert, schon bekannt ist. Jedenfalls verblieb für das eigentliche Kata-Training leider nur eine knappe halbe Stunde.


Omura Sensei auf den Plakat des diesjährigen Kata Special 
Zu Demonstrationszwecken suchte Omura Sensei einen fortgeschrittenen Karateka, der die Kata bereits beherrscht. Seine vortreffliche Wahl fiel auf Jakob Schmidt, der mit einer bewundernswerten Leichtigkeit und Akkuratesse Technik für Technik ausführte und sich dafür einen dicken Applaus verdiente! Das war Karate auf allerhöchstem Niveau und hinterließ einen optimalen Eindruck davon, wie die Kata aussehen kann! Wir anderen versuchten uns dann anschließend an der Ausführung der Kata, die über einige anspruchsvolle Drehungen und Wackelgefahr bergende Einbein-Stände verfügt. Insgesamt hätte sich wohl der Großteil der Gruppe noch eine weitere Vertiefung der Kata gewünscht – manchmal sind 90 Minuten einfach zu kurz – vor allem, wenn man das seltene Vergnügen hat, bei einem der im Ausland lebenden, japanischen Großmeister zu trainieren. Mir persönlich hat es sehr gut gefallen, dass der Shihan den Unterricht auf Englisch und ohne Übersetzung abhielt. So werden unnötige Trainingspausen verhindert und viele Aspekte lassen sich – mal abgesehen davon, dass Englisch den meisten Trainierenden geläufig ist – ja auch durch Zusehen und Nachahmung erkennen und ableiten.

Da ich bereits am späten Samstagnachmittag abreisen musste, hatte ich mir als letzte Einheit und weiteren Höhepunkt eine weitere Einheit in der Gruppe bis 1. Kyu ausgesucht: Chinte bei dem von mir sehr geschätzten Sensei Jean-Pierre Fischer. Der aus Frankreich stammende und heute in Luxemburg lebende Kata-Spezialist ist seit langem einer der Lieblingstrainer von Torsten und mir. Für ihn nahmen wir sogar vor etwa vier Jahren die Strapazen einer langen Autofahrt nach Crosne bei Paris auf uns und wurden dort mit einem erstklassigen Lehrgang bei ihm und seinem langjährigen Trainingspartner Jean-Michel Blanchard belohnt! Jetzt also mein aktueller Kata-Favorit Chinte bei Jean-Pierre – ich war sehr gespannt! Nach dem von Jean-Pierre persönlich ausgeführten Aufwärmtraining begannen wir mit Kihon-Übungen, bei denen der Sensei uns aufforderte, möglichst stabil und tief zu stehen. Vor allem bei Schritt- oder Stand-Wechseln sollten wir den Schwerpunkt auf einer Höhe lassen. Dies brachte natürlich ruckzuck unsere Oberschenkel zum Brennen und sorgte für eine gute Trainingsvorbereitung. Anschließend gab es – viele kannten es schon von dem Wahl-Luxemburger – verschiedene Sequenzen der Kata „auf der Stelle“, also lediglich die Armtechniken und Kicks der Kata aus dem Shizen Tai heraus. Schließlich fügten wir Stände und Techniken zusammen und führten die Kata Stück für Stück aus. Der Sensei ließ es sich nicht nehmen, uns umfassend zu korrigieren und da er meine Vorliebe für die Kata kannte, durfte auch ich vor der Trainingsgruppe eine Sequenz vorführen. Leider stießen die Feinheiten, die ich mir in den letzten Wochen und Monaten für die Chinte angeeignet hatte, bei Jean-Pierre nicht vollumfänglich auf Gegenliebe und so gab es zahlreiche Änderungswünsche, die mich zum Teil irritierten. Ich werde in den nächsten Wochen daran arbeiten, mir hier eine korrekte und zu mir passende Ausführungsversion zu überlegen.


Nachdenklich und etwas weniger euphorisch als zwischen den übrigen Einheiten trat ich den Heimweg an. Die vergangenen Tage waren ein Mix aus Technik und Kampfgeist, Ausführung und Partnertraining, Bekanntem und Neuem, Sicherheit und Zweifel – sechs eindrucksvolle Trainings, nicht immer nur in der eigenen Wohlfühlzone. Ich denke, so muss Karate sein, denn wie sagte mein Sensei Risto einst so schön? „Karate fängt dann an, wenn die Selbstzweifel schneller wachsen, als das Können.“ Oss.