Samstag, 4. Juli 2015

Tag 1 Czech Gasshuku 2015

Die doch recht lange Anfahrt lohnte sich schnell beim Anblick der wunderbaren Landschaft in und um Prachatice! Das ist doch kein Vergleich zum Czech-Gasshuku-Ort in Sporice letztes Jahr! Wunderschön! Zusammen mit unserer Karatefreundin Margot machten Tosten und ich am Abend erstmal einen kleinen Rundgang durch den Ort und trafen natürlich an jeder Ecke auf bekannte Karateka! In einem Restaurant gesellten wir uns zu einer Gruppe und aßen dort zu Abend.

Am ersten Morgen hatten wir dann das Vergnügen bei Sensei Richard Ruzicka zu trainieren, einem exzellenten tschechischen Karateka, der u. a. in 2014 Europameister war. Zunächst gab es eine Übung zum korrekten Hüfteinsatz, die sehr banal wirkte, es aber dann doch irgendwie in sich hatte! Wir starteten im Shizen Tai mit der klassischen Hüft-Rotation im Stand. Die meisten von uns hatten hierbei den Oberkörper locker und die Arme unbeteiligt gelassen. Als nächstes sollten wir die Arme in Kamae-haltung nehmen und die Ellenbogen jetzt analog zur Hüfte bewegen. Schließlich sollten wir die Ellenbogen durch den Hüft-Kick strecken und die Faust nach vorne schießen lassen. Dies ein-, zwei- oder dreimal hintereinander - wir sollten darauf "hören", was uns die Hüfte vorgibt. Klingt einfach - war es aber nicht. Am besten gelang es mir, wenn ich mich darauf konzentrierte, dass "die Hüfte im Oberschenkel" liegt.

Als der Sensei mit uns hinsichtlich dieser Übung einigermaßen zufrieden war, führten wir die Bassai Dai aus. Die Stunde war da schon etwa halb herum - aber dennoch gelang es Richard, uns auf zahlreiche Feinheiten hinzuweisen: Dass wir den zuvor geübten Hüfteinsatz bewusster ausführen sollten, versteht sich von selbst - ebenso die Gleichzeitigkeit der Bewegungen von Hüfte und Ellenbogen. Interessant war die Ausführung des Nagashi Uke und des fünften Soto Uke mit der Drehung nach rechts - Richard wies uns an, den Nagashi Uke nicht mit zu viel Kime auszuführen, also nicht mit geschlossenen Füßen die Blocktechnik zu stoppen. Wir sollten vielmehr mit den Beinen rechts zur Seite gleiten - also quasi "fließend am Standbein vorbei" - habe ich das nicht schonmal irgendwo gehört? :-) Wichtig war dem Sensei zudem auch, dass wir nach dem Gedan Nukite nicht zu lange warten, sondern auch dort nach einer ganz kurzen Kime Phase wieder rauskommen und uns aufrichten. Bei der nachfolgenden Wendung sollten wir darauf achten, die hintere Schulter möglichst spät zu bewegen und dann den rechten Arm nicht als Gedan Barei auszuführen, sondern als Otoshi Uke, also nicht mehr am Ohr ausholen, sondern direkt von oben nach unten schlagen. Beim Yama Tsuki sollten wir  darauf achten, dass nicht nur die Arme nach vorne geworfen werden, sondern auch hier der Impuls aus der Hüfte kommt, der ganze Körper eingesetzt wird.

Die Einheit war technik-fokussiert und bot so rein konditionell keine Herausforderung. Ob sich das in Einheit zwei ändern würde? Ich kann mich noch gut an das Czech Gasshuku im vergangenen Jahr erinnern: Hier wurden wir an den ersten beiden Tagen so lang gemacht, dass ich dachte, ich übersteh' die Woche nicht! Die weiteren Trainingstage waren dann allerdings erheblich "entspannter"!

In der zweiten Einheit hatten wir Okuma Sensei. Der sympathische Japaner begeistert mich immer wieder! "We do Taiykoku Shodan", begrüßte er uns. Da diese Kata eigentlich in den Anfängerbereich gehört, dachten sich wohl schon die meisten von uns, dass die Kata hier nur ein Mittel zum Zweck sein würde! Schließlich hatten wir auch bereits bei Naka Sensei und auch bei den Senseis Nakayama und Heselton die Heian Shodan zur Übung bestimmter Schwerpunkte genutzt! Und so war es auch hier: Nachdem wir den einfachen Ablauf zweimal durchexerziert hatten, wies uns Okuma Sensei an, nicht mit dem linken Bein links seitlich raus zu starten, sondern mit dem rechten Bein zurück nach rechts raus in ZK (mit Blick aber nach links, wie gewohnt). Bei jeder Wendung sollten wir so verfahren, wobei (nicht nur) mir bei den folgenden Wendungen manchmal etwas durcheinander ging! :-)

Im Folgenden versuchten wir uns dann an diesen Übungsvariationen:
- den Übergang vom Gedan Barei zum Oi Tsuki fließender - ohne abgehackten Stopp zwischen den Positionen
- Start nicht mit Gedan Barei, sondern rechten Fuß nach rechts hinten gleiten mit Uraken, dann überlaufenen Gyaku Tsuki (NICHT: Oi Tsuki, auch wenn das hier häufig verwechselt wurde!), im Stand Kizami Tsuki, vor mit Gyaku Tsuki - hier bestand schnell mal die Gefahr, dass man mit dem falschen Bein vorne stand, weil man einen Schritt vergaß
- Start nicht mit Gedan Barei oder Uraken, sondern mit dem rechten Fuß wieder kurz nach rechts steppen und das Gewicht verlagern, um mit dem vorderen Bein Mawashi Geri zu treten, dann .....?
- Schließlich wurde der Schwierigkeitsgrad etwas zurückgeschraubt und wir machten Kizami Mawashi Geri und nachfolgend Mae Geri mit dem hinteren Bein

Ich hatte bei dieser Einheit das spezielle Vergnügen, mich genau zwischen den beiden Top-Karatekas Giovanni Macchitella und Emanuele Bisceglie zu befinden, die die Übung ausführten, als hätten sie die letzten 20 Jahre nichts anderes gemacht und - sich gegenseitig anfeuernd - mit einem sichtlichen Spaß zur Sache gingen!

Da Okuma Sensei zu Beginn der Einheit voraussagte, dass wir auch Kumite machen würden, hätte ich wetten können, dass wir aus den Richtungswechseln der Kata in Verbindung mit der geübten Gewichtsverlagerung eine Okuri-Kumite-Geschichte entwickeln würden. Vielleicht war es auch nur der zum Ende der Einheit knapp werdenden Zeit geschuldet, dass es nicht dazu kam, sondern wir nur mit einem Partner folgende Übungen machten:

A steht im Kamae, B steht seitlich zu A, ihm die linke Schulter zuwendend, Bewegung also nach links ausgerichtet, wie zu Beginn der Kata; B berührt ein-, zweimal mit der offenen Hand die vordere Faust des A und steppt mit dem linken Fuß in Richtung A. Dann führt B mit rechts einen überlaufenen Gyaku Tsuki aus und überrent A dabei quasi.

Als nächstes sollte A mit Kizami angreifen, B blockt den Kizami nach unten weg und kontert mit dem überlaufenen Gyaku Tsuki. Als Variante sollten wir versuchen, beim Konter ein wenig aus der Achse zu gehen, also uns leicht nach rechts zu bewegen. Wir sollten bei dieser Übung ganz extrem darauf achten, dass der vordere Fuß sich nicht von der Stelle bewegt, wir beim Block des Kizami nur unser Gewicht nach hinten verlagern ("Kokotsu Dachi") und dann wieder nach vorne ("Zenkutsu Dachi"). Ich persönlich fand es irre schwer, den Kizami nach unten zu blocken, da ich ja meist Partner habe, die größer sind als ich. Aber wenn man den Kizami mit Soto Uke Jodan wegwischte, passte der überlaufene Gyaku Tsuki nicht mehr. Da man bei dieser Übung sehr nah an den Partner ran kommt, erforderte der Konter ein Höchstmaß an Kontrolle bzw. der Tsuki konnte oft nicht ganz ausgeführt werden.

Die Einheit hatte es also in mancher Hinsicht in sich. Dadurch, dass sie von vorne bis hinten didaktisch erstklassig durchstrukturiert war, wurden wir aber sehr gut durch die Übungen geführt.

Das zweite Training am Nachmittag hatte ich meiner Knie-Gesundheit geopfert und mich sehr geärgert, als ich hörte, dass Naka Sensei die Gruppe mit herausfordernden Übungen zum Kochen gebracht hatte. Wie gerne wäre ich dabei gewesen! Aber es war sicher gut, vernünftig zu sein und auf diese Einheit zu verzichten, denn am nächsten Morgen konnte ich voller Elan und mit Vollgas zum Katatraining gehen.

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