„Es heißt die leere Hand und nicht der leere Kopf!“
Der finnische „Karate-Professor“ Risto Kiiskilä in Frankfurt/Main
Im Jahr 1985 entdeckte ich für mich die Kampfkunst Karate. Schnell konnte ich mich als 16-jährige mit jugendlichem Enthusiasmus für Karate begeistern und war dankbar für eine Freizeitbeschäftigung in einem geselligen Verein, die mich so richtig auspowerte.
Karate oder Karate-do, was direkt übersetzt "leere Hand" bzw. "der Weg der leeren Hand" bedeutet, ist eine grundsätzlich waffenlose Kampfkunst. Man lernt Abwehr- und Angriffsmethoden und stärkt den Körper durch ausgiebiges Training mit vielen Gymnastik- und Krafttraining-Elementen. Karate dient jedoch auch der Charakterbildung: Die Karate-Philosophie lehrt Respekt, Disziplin und Verständnis. Irgendwann auf dem Weg zum „schwarzen Gürtel“ wurde dann auch für mich Karate zu einem wichtigen Lebensinhalt, den ich mir heute gar nicht mehr wegdenken kann. Und dann lernte ich Risto Kiiskilä kennen!
Ich hatte grade eine „Babypause“ hinter mir, als ich im Jahr 2002 einen Karatelehrgang in meiner Heimatstadt Münster/Westfalen besuchte. Der Name des Trainers war mir bekannt, schließlich war Risto auch damals schon einer der wichtigsten Karate-Trainer Deutschlands. Trainiert hatte ich bei ihm allerdings bislang noch nicht. Ich sah mich um und bemerkte viele bekannte Gesichter. Männer und Frauen, jung und alt. „Schön, dass sich auch noch ältere Herrschaften hier hertrauen“, dachte ich bei mir. Denn einer der Karateka war sichtlich angegraut, mit Schnäuzer und bestimmt über 50 Jahre alt.
Ich staunte nicht schlecht, als dieser Herr sich dann vor dem Training nicht bei uns einreihte, sondern für die Kurz-Meditation uns gegenüber abkniete: es war Risto Kiskilä! Dass ein fortgeschrittenes Alter keinen Verlust von Ausstrahlung, Kampfgeist oder Fitness bedeuten muss, merkte ich dann sehr schnell! Der Lehrgang bestand aus drei Trainingseinheiten á 90 Minuten und ca. 260 Minuten lang hatte ich nicht viel mehr als lauter Fragezeichen im Kopf! Was will mir dieser Trainer sagen? Anfangs war ich recht frustriert – wieso versteh´ ich, immerhin als Trägerin des „braunen Gürtels“ keine Anfängerin mehr, nur „Bahnhof“? Zehn Minuten vor Schluss des Lehrgangs purzelten dann die Erkenntnis-Münzen bei mir und es stellte sich ein großes AHA-Erlebnis ein!
Häufig noch war ich zunächst ratlos zu Beginn eines Lehrgangs oder einer Trainingseinheit. Dann aber wurde ich von Risto aufgeklärt: "Das ist alles ganz einfach - da steckt ein System hinter". Und es stimmt - richtig betrachtet werden alle Übungen, die Risto in seinem Training verwendet, nach einem bestimmten System entwickelt.
Seitdem versuche ich, möglichst oft bei Risto zu trainieren. Sei es bei einem Lehrgang hier in Münster, bei meinen Karatefreunden in Berlin, in Ristos eigenem Verein in Frankfurt oder aber auch bei seinen Sommer- und Winterlehrgängen in Finnland. Zwar lehrt Risto traditionelles Shotokan-Karate, er hat jedoch seine eigene Herangehensweise.
Wer dieses System einmal entschlüsselt hat, der kann fast alle Techniken und Bewegungen für sich selber daraus ableiten. "Das System ist einfach, die Entwicklung war es nicht." Das glaube ich gerne. Denn die Logik, die dahinter steckt, beruht nicht nur auf dem Ableiten von Theorien aus bekannten Lehrbüchern. Es ist vielmehr eine Art System-Baukasten, mit dem man sich selber sein eigenes Karate "konstruieren" kann. Und „Professor“ Risto ist der Karate-Ingenieur. Alles ist auf wissenschaftlichem Niveau durchdacht. „Das heißt die leere Hand und nicht der leere Kopf!“, rief Risto dann auch einmal im Training, als wir eine Übung so gar nicht verstehen wollten. Zudem werden alle Techniken und Theorien auch von Risto persönlich „qualitätsgesichert“ – am eigenen Sandsack im Karate-Dojo. Denn: „Im Sandsack liegt die Wahrheit.“ Funktioniert hier die Technik mit der richtigen Kraftübertragung und allen anderen wichtigen Einzelheiten, so ist sie auch im Freikampf effektiv.
Wer also Karate nur als Ausgleichssport betreibt, der ist bei Risto falsch. Bei Risto wird „trainiert, worauf es ankommt“ – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Karate ist hier nicht nur für den Körper anstrengend, sondern erfordert auch echtes Mitdenken.
Eine japanische Kampfkunst in Deutschland mit einem finnischen Trainer – Risto zeigt, dass sich dies durchaus verbinden lässt. So hat er unter anderem auch eine eigene Kata entwickelt, eine Art Form oder „Kampfkunst-Choreografie“. Er nannte sie Hokkyokuo. Das ist japanisch und bedeutet Polarlicht!
Risto wurde am 04.05.1047 im südfinnischen Lahti geboren. Er begann sein Karatetraining 1970 während seines Studiums in Frankfurt/M. Sein erster Trainer, Shinzuke Takano, war ein Perfektionist und selten mit seinen Schülern zufrieden. Kihon (Grundschule) war am Anfang der Schwerpunkt des Trainings und wurde monatelang geschliffen. Ein Bambustock war damals als wichtiger Bestandteil zur Motivation bei jedem Training mit dabei. 1973 wurde Risto vom Karate-Bundestrainer Shihan Ochi in den Nationalkader berufen und krönte seine siebenjährige Wettkampfkarriere mit dem Vize-Weltmeistertitel (Tokio 1977). In den Jahren 1977 bis –79 war er Deutscher Meister. Schließlich machte Risto Karate zu seinem Beruf. Es folgten Trainingsaufenthalte in Japan, in der berühmten Takushoku Universität und in Süd-Afrika (Johannesburg und Kapstadt). Der Austausch mit weltbesten Karatekas ergänzten seine Ansichten über Karate und bestimmte seinen zukünftigen Weg. Er war tätig als Landestrainer in West-Berlin, Technischer Berater für Karate in der damaligen DDR, Honorar- und Jugendtrainer im Deutschen Karate Verband und Trainer des Stützpunktes Ost.
Heute ist er als Verbands-Trainer und Instructor des Deutsch-Japanischen-Karatebundes (JKA) unter Bundestrainer Shihan Hideo Ochi tätig. Er ist ständig bundesweit als Trainer unterwegs, aber auch in Estland und natürlich in Finnland. Von montags bis freitags unterrichtet er in seiner eigenen Karateschule Dojo Ippon Frankfurt/Main, Alt Nied 6, 65934 Frankfurt/M., Tel: 0171-4212428.
Erwachsene Anfänger trainieren montags um 19.00 Uhr. Kinder können dienstags und freitags um 16 Uhr vorbeikommen. Weitere Informationen gibt’s unter www.kd-ippon.de
Ristorismen:
o Man kann die Dinge auch gleich richtig machen - es ist die gleiche Arbeit
o Den Weg zu gehen, ist das Ziel
o Wer tritt ist langsam, wer trifft ist schnell
o Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein
Andrea Haeusler, Münster
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