Sonntag, 7. September 2008

Der Finne, der die Tradition modernisiert

Am 6. und 7. September 2008 war es wieder soweit: Risto Kiiskilä sollte uns in unserer Heimatstadt seine Karate-Schmakazien zeigen und erklären! Rund 60 Teilnehmer fanden sich in der Paul-Gerhard-Schule ein, um sich - zu etwa gleichen Teilen - getrennt nach Unter- und Oberstufe von Risto unterrichten zu lassen. Hielt Risto uns auch wieder einmal den ein oder anderen Kurz-Vortrag über die Unsinnigkeiten der angeblichen Karate-Traditionalisten, so war er doch im Großen und Ganzen recht gut gelaunt und ging recht gnädig mit unseren Unzulänglickeiten um. Zwar hörte ich hin und wieder "Icky, mach mal so und so..." quer durch die Halle, insgesamt kam ich aber ganz gut weg. In der dritten Einheit wurde ich sogar zum Vormachen nach vorne geholt - und zwar diesmal NICHT als abschreckendes Beispiel :-) Auch die anderen Karateka, die zu Übungszwecken der ganzen Mannschaft etwas "vormachen" durften, wurden nicht so "vorgeführt", wie es sonst schon mal vorgefallen ist.

Zum Trainingsinhalt kann zusammen gefasst werden: Es gab im Grunde genommen Basics, diese allerdings wie immer auf einem verdammt hohen Niveau! Kizami-Tsuki und Gyaku-Tsuki - wir wurden z. B. darüber belehrt, dass es viele verschiedene Arten des Gyaku-Tsuki gibt: den unmittelbaren Konter-Tsuki und verschiedene für unterschiedliche Distanzen. Risto wies an verschiedenen Stellen darauf hin, dass sich die Techniken im Laufe der Zeit ändern, im Sinne von "optimieren". So wird der Tsuki heute mehr aus der Schulter gestreckt, als früher. Auch dies entspräche immer noch der Tradition, denn selbst der Tradition muss es erlaubt sein, sich zu entwickeln und zu optimieren. Das Richtige und Beste bleibt über die Zeit.

Beim Kizami übten wir die absolute Körperspannung und bekamen erklärt, warum diese nur mit nach vorne gehobenen Becken möglich ist. Wir übten dies dann durch Druckausüben gegen die Turnhallenwand.

Und immer wieder: Hüfte, Hüfte, Hüfte! Zum regelmäßigen Training empfahl der JKAa-Instructor uns verschiedene tägliche und/oder mehrmals wöchentliche Hüftübungen aus seinem Powerpack-Programm. Ganz Hüfte war die zweite Einheit am Samstag: Es ging um Ashi-Barai. "Wie wird der Ashi-Barai in unserer Stilrichtung gelehrt?" Schweigen. "Es gibt keine offizielle Lehrmethode!" Also konnte uns Risto ohne Skrupel seine Art des Ashi-Barai erklären, pardon: Seine Arten! Denn auch hier gibt es verschiedene Variationen, die wir ausprobieren durften. Ungewohnt für viele von uns: den Fuß dabei strecken, wie ein "Ballettfüßchen", also mit dem großen Zeh nach unten. Ashi-Barai also mit dem hinteren Bein und mit dem vorderen und dann beides kombiniert, in dem mir schon bekannten, musikalischen Rhythmus: Tam, tatataataa, tam, tam! Äh, ich meine natürlich: ha, hahahaahaa, ha, ha - denn auch auf die korrekte Atmung wies der Meister aus Lahti immer wieder hin.

Karate besteht aus Kihon, Kumite und Kata. Risto machte deutlich, dass es Blödsinn ist, zu sagen "ich bin ein Kata-Mann" oder "...Kumite-Mann". Es muss alles trainiert werden. So kamen wir natürlich auch in den Genuss des Katatrainings und zu meiner besonderen Freude gab es die Hôkyokkukô, Risto's eigene Halbfreikampfkata! Hier kam mir schon manche Passage vertraut vor und es war mal ein schönes Gefühl, der Mehrheit der Trainierenden ausnahmsweise mal ein kleines Stückchen voraus zu sein.

Etliche Karateka kamen offenbar zum ersten Mal in den Genuss all dieser Risto-Rismen und Spezialitäten. Das merkt man immer sehr schnell, wenn jemand versucht, des Meisters rhetorische Fragen ernsthaft zu beantworten. Viele fanden aus Billerbeck, Coesfeld und auch dem Ruhrgebiet nach Münster. Mit jeder Einheit wuchs die Begeisterung über das logische Karatekonzept Ristos. Ganz bestimmt hat er auf diesem Lehrgang einige neue Anhänger gefunden. Meiner Meinung nach sehr bedenklich: Es fanden sich im Schnitt nur sechs Dan-Träger zu den Einheiten ein! Hat die Meisterklasse wirklich nichts mehr dazuzulernen?

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