
Meine Schwester wunderte sich zu Recht: Bisher gar kein Karate-Eintrag im November? Und es stimmt - ich war mit Kids, Vorbereiten meiner Karateanfänger auf die Prüfung und meinem grippalen Infekt so beschäftigt, dass ich selber gar nicht zum Training kam! Da sich sowohl November, als auch Infekt dem Ende zuneigten, beschloss ich kurzer Hand, am Thomas Schulze Lehrgang hier in Münster teilzunehmen. Alternativ wäre ich auch gerne zu Ristos Weihnachtslehrgang nach Frankfurt gefahren und hätte bei der Gelegenheit meine Schwester besucht. Aber so fit fühlte ich mich auch wieder nicht und es war besser, ggf. nach einer Einheit hier in Münster notfalls den Lehrgang zu schmeißen, als mit Schüttelfrost in Frankfurt festzuhängen.
Also Sensei Schulze! Mit Freude vernahm ich den heutzutage schon fast günstigen Lehrgangspreis in Höhe von 15 Euro! Na, dann kann man ja erst Recht das Risiko eingehen, den Lehrgang eventuell nicht voll durchziehen zu können. Dafür lohnt sich ja schon fast der Besuch nur der einen Einheit!
In der Halle sah ich dann mit Freude meine alte Kampfgefährtin Diana Gindele. Sie war auch die höchste Dan-Trägerin und ich mogelte mich direkt neben sie, so dass ich im Partnertraining eine Erinnerung an alte Zeiten hätte.
Thomas begann mit absolut klassischer Aufwärmgymnastik, die mich (das kann auch an meinem schlechten Trainingszustand gelegen haben) allerdings nicht wirklich warm machte.
Bei dem, was anschließend trainiert wurde, schieden sich offenbar die Geister: Meiner Meinung nach war es ein absolutes Basic-Training - Diana bestand aber darauf, dass es Kumite-Training auf hohem Niveau war.
Im Prinzip übten wir Kizami-Tsuki und Gyaku-Tsuki. Wir starteten in einem kurzen Zenkutsu-Dachi, mit gestrecktem Aushol-Arm. Dann hieß es, mit dem vorderen Bein vorzugleiten und den Kizami- bzw. Gyaku-Tsuki auszuführen. Anschließend Bein und Arm wieder zurück in die Ausgangsposition, also den Körper wieder voll zurückziehen. Soweit, so gut. Ich versuchte hierbei immer, die Kraft und den Impuls aus dem hinteren Bein kommen zu lassen und hörte im Geiste Ristos Stimme "Wenn man weniger als einen Meter vorgleitet, dann ist das etwas ganz besonderes!".
In soweit war mir der Trainingsinhalt also vertraut. "Im Prinzip" war mir auch der Trainingsschwerpunkt von Sensei Thomas geläufig: Es ging im Wesentlichen um Spannung und Entspannung. Seit ich Karate betreibe war wohl selten die Körperspannung mein Problem - sondern eher immer die unzureichende Entspannung zwischendurch. So kam mir natürlich dieser Lehrgang wie gerufen. Ich bemühte mich auch, die Spannung zwischendurch herauszunehmen und fand mich eigentlich auf einem guten Weg. Umso vernichtender traf mich nach dem Training der Kommentar Dianas, die meinte:"Boh, Du bist aber immer total angespannt!" Na toll! Sensei Thomas versuchte uns zwischendurch bildhaft zu veranschaulichen, wie wir das Geheimnis von Spannung und Entspannung entschlüsseln könnten. Er beschrieb uns einen Lichtschalter: Schalter ein = Strom, Schalter aus = kein Strom. Üben durften wir z. B., in dem wir zehnmal hintereinander mit Tsuki vor- und wieder zurückgleiten sollten - und das möglichst schnell. Das funktioniert nur - wenn des denn funktioniert -, wenn man zwischendurch total locker bleibt und die Kime-Phase tatsächlich nur auf den winzig-kleinen Moment des Auftreffens reduziert. Hier hatte ich immer meinen Sensei Michael Jarchau vor Augen, der auch sehr häufig versucht, uns diesen Trainingsschwepunkt im Dojo nahezubringen. Weiterer Fokus: Arme weit strecken, also quasi ein Stück aus dem Schultergelenk raus. Das kam mir auch wieder risto-like-bekannt vor!
Wir übten die Kizami-/Gyaku-Tsuki-Geschichte dann zunächst endlos alleine und wiederum endlos mit einem Partner, bevor wir dann die Partner durchwechselten. Für mich kein Problem, schließlich hatte ich ja die ganze Einheit lang schon mit Diana auf höchstem Niveau geübt und arbeitete mich nun bis zu den Violettgurten "herunter". Aber es war auch hier durchaus interessant, wen man hier jeweils vor sich hatte. Ein Training mit wechselnden Partnern hat immer durchaus seinen Reiz, da stets höchste Flexibilität gefordert ist! Vermutlich hatten also sowohl Diana als auch ich Recht: Es war sowohl reines Basistraining und doch auch Kumite auf hohem Niveau. Basis, weil Sachverhalte vermittelt wurden, die man schon zig Mal gehört hat und hohes Niveau, weil es schwer ist, alle wichtigen Dinge zu kombinieren und vor allem den entsprechenden Schwerpunkt herauszuarbeiten.
Den Abschluss bildete dann nach Kihon und Kumite der dritte Karate-Baustein: Kata. Auch dieser war absolut "Basic", nämlich Heian Shodan. Und doch war auch hier das Level durchaus "advanced", nämlich mit besonderem Schwerpunkt: Nach jeder Technik hieß es wieder vorgleiten mit Gyaku-Tsuki und zurückziehen in die Ausgangsposition.
Nachmittags konnte ich den Lehrgang nicht besuchen, da ich mit Johanna eine Veranstaltung besuchen musste.
Also Sonntag wieder los: Nachdem wir von Madeleine alle schön aufgewärmt waren, wiederholten wir die Tsuki-Geschichte vom Vortag und auch die Heian-Shodan mit Gyaku-Tsuki. Anschließend kam noch der Mae-Geri als Kihon-Element hinzu. Diesen übten wir dann mit der beliebten Partnerübung, bei der der eine sich vor den anderen kniet und klein macht. Der nicht kniende Partner darf dann möglichst nah an das auf dem Boden liegende Bündel heran treten und Mae-Geris darüber treten. Boh, anschließend war ich schon ganz gut "durch"! Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die komplette erste Trainingshälfte noch zum Aufwärmen diente.
Richtig aufmerksam wurden wir wohl alle wieder, als Sensei Thomas uns eine Kihon-Kombination aus der Gojushihosho laufen ließ: vor mit Zenkutsu-Dachi und Nukite, dann zweimal Handwechsel Nukite. Dazu gabs dann auch noch eine Bunkai-Übung, die mir wie immer schwer fiel. Aber tatsächlech gelang es dem Trainer doch tatsächlich, in einer guten halben Stunde mit uns noch die Gojushihosho einzuüben - und ich konnte sie hinterher tatsächlich ganz gut mitlaufen! Eine Augenweide waren natürlich dabei die Kata-Freaks unter uns, wie z. B. Florian Müller!
Alles in allem ein schöner und bereichernder Lehrgang - viele Basics gepaart mit hohem Niveau. Es war wohl für jeden etwas dabei!
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