Mit Core-Training und Plyometrie auf dem Weg zu einem dynamischen Karate
Robert Lazarevic vom Budokan Gerlingen hatte vor ein paar Wochen via facebook eingeladen zum "International Double Impact Shotokan-Karate Seminar mit Richard Heselton und Takeo Nakayama". International-was??? Nun, der Lehrgangstitel war ungewöhnlich für eine Ausschreibung eines Karatelehrgangs in Deutschland, machte aber irgendwie auch neugierig. Double Impact - also, ein doppelter, ja - was denn eigentlich? Für "impact" gibt es verschiedene Übersetzungen, z. B.: Wirkung, Aufprall, Einschlag, Wucht. Aha - es schien also schon im Vorfeld klar zu sein, dass es sich nicht um einen herkömmlichen Karatelehrgang handeln sollte. Und "doppelt" bezog sich offenbar auf die zweifache Trainerversorgung? Jetzt war ich aber doch gespannt. Und spätestens der Hinweis darauf, dass beide Instructoren Schüler des charismatischen Karatemeisters Tatsuya Naka sind, ließ meinen Trainingspartner Torsten Uhlemann und mich dann nicht mehr lange zögern, zwei Hotelzimmer zu buchen und uns auf die Reise ins ferne Stuttgart zu machen.
Am Freitagabend sollten die beiden Gast-Instructoren das reguläre Karatetraining im Budokan Gerlingen leiten. Falls wir es schaffen würden, rechtzeitig anzureisen, wären wir herzlich eingeladen, daran teilzunehmen. Wir schafften es - so grade! Und allein schon diese Trainingsstunde machte deutlich, dass wir es an diesem Wochenende tatsächlich mit einem "Einschlag" der brandaktuellen Trainingsmethoden aus Japan zu tun bekommen würden, der mit aller "Wucht" auf uns "einwirken" sollte! Das Warmup leitete Sensei Richard höchstpersönlich und zwar mit Übungen aus dem Bereich Core-Training / Funcitonal Training sowie plyometrischen Übungen - also weg von Hampelmann, Grätsche und co.
Core-Training ... schon wieder etwas für den Übesetzer ;-) Nun, core bedeutet Kern, Körpermitte und trainiert werden die unteren Bauch-, Rücken- und Beckenmuskeln. Im Gegensatz zum herkömmlichen Bauch- oder Rückentraining (z. B. Situps) erfolgt die Kräftigung nicht durch Bewegung, sondern durch statisches Halten. Das Training erfolgt nicht für einzelne Muskeln, sondern im funktionellen Zusammenspiel ganzer Muskelketten (daher auch der alternative Begriff "functional training") und wirkt sich vor allem auch auf die Tiefenmuskulatur aus, die beim klassischen (Einzel-)Muskeltraining nicht unmittelbar angesprochen werden. Bei vielen der Core-Übungen meint man gar nicht, dass es sich um Übungen für die für uns Karateka so wichtige Körpermitte handelt, denn die Extremitäten sind meist mit eingebunden. Ein Klassiker unter den Core-Übungen ist der Liegestütz, bei dem der Körper auf den gebeugten Unterarmen ruht und z. B. 30 Sekunden lang unter Vollspannung in dieser Situation gehalten wird. Variante: Auf den Bauch legen, Arme nach vorne lang ausstrecken, Füße auf die Ballen stellen und jetzt versuchen, durch Maximalspannung des gesamten Körpers, diesen vom Boden abzuheben. Die Übungen, die in diese Trainingsgruppe passe und das kräftigen, was zwar nicht die Welt aber doch unseren Körper im Innersten zusammenhält, ist sehr umfangreich und beinhaltet unter anderem auch Klassiker, die wir alle aus dem Turnunterricht kennen wie z. B. die "Kerze".
Ein weiterer Bestandteil des Trainings - beginnend bereits in der Aufwärmphase - war die Plyometrie (Reaktivkrafttraining). Hierbei handelt es sich um spezielles Schnellkrafttraining, das unter anderem auf dem Dehnungsreflex der Muskeln, Bänder und Sehnen beruht. Ich selber bekam den Effekt bereits am Morgen nach dem ersten Training zu spüren: Ich bemerkte ein ungewohntes Kribbeln in den Händen, so, als wären diese eingeschlafen. Karate-Doc Peter Schuler klärte mich auf, dass dies eine Art "Nerven-Kater" ist, der darauf hinweist, dass der Körper beginnt, sich auf die neue Belastung einzustellen. Tatsächlich verschwanden die Symptome wie bei einem Muskelkater nach weiteren Trainings derselben Art rasch wieder. Zum Aufwärmen gab es folgende Übung: In einer Art Liegestütz, bei der Rumpf und Beine in einem 90 Grad Winkel zueinander stehen sollten (Gesäß also etwas höher als sonst bei einem Liegestütz) sollten wir uns so vorwärtsbewegen, dass die Arme "laufen" und die Beine abwechselnd vom Boden abprallen. So ging es einmal zum Hallenende und rückwärts wieder zurück. Eigentlich war man jetzt schon warm :-) Jetzt ging es aber noch weiter: Wieder wie eben im Liegestütz, jetzt aber die Beine beugen und wie Spiderman vorwärts und wieder zurückkrabbeln. Ganz simpel, eigentlich, quasi "Kindergarten"-Niveau...aber aaaanstrengend :-) Plyometrie läßt sich aber auch komplett ins Karatetraining integrieren, etwa in dem man im Shizen-Tai Tsukis ausführt, hierbei die Pausen ("dead time") minimiert und z. B. das Hikite der einen Technik direkt als Schwung für die nächste ausnutzt. Und natürlich ist auch die Gruppe der plyometrischen Übungen äußerst umfangreich! Allerdings muss vor Beginn eines Trainings mit diesen Übungen meiner Meinung nach der Körper bereits eine gewisse Grundspannung haben, um Verletzungen vorzubeugen. Meiner Meinung nach läßt sich diese hervorragend durch das zuvor beschriebene Core-Training aufbauen.
Kombiniert mit dem klassischen Karatetraining und der Nutzung der natürlichen Schwerkraft ("Use gravity! It's all around here. And it's free!") wiesen uns die Trainingskomponenten Core-Training und Plyometrie an diesem Wochenende den Weg zu einem dynamischeren und explosiven Karate. ZWEI Meister, ZWEI Methoden, ZWEI Tage Karate vom Feinsten, das mit aller "Wucht" auf uns "einschlug" und lange "wirken" wird - deshalb "Double Impact", also - jetzt weiß ich Bescheid! :-)
Montag, 16. Juli 2012
Double-Impact 2012
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