Mittwoch, 22. November 2017

- Entwurf - Karate mit mehr Effektivität II

Rotation und Kompression

Im ersten Teil dieses Blog-Themas hatte ich Bodenkraft und Schwerkraft als Quelle für Stärke und Dynamik von Karatetechniken beschrieben.

Zwei weitere Ideen, besonders viel Kraft für die eine finale Ippon-Technik zu generieren sind Körperdrehung und Kompression des Körpers.

I. Rotation
1. Hüftrotation
Zur Körperdrehung fällt natürlich gleich als erstes die Hüftdrehung ein, die wir ja bereits im Anfängerbereich erklärt bekommen, als Grüngurt in unserer Stilrichtung vertiefen und spätestens als Danträger beherrschen sollten.

Häufige hier gemachte Fehler zeugen zumeist aus der Übungsweise der "alten Schule": Vor rund 30 Jahren, als ich mit dem Karatetraining begonnen hatte, hieß es zur Stellung Zenkutsu Dachi z. B. noch: hinteres Bein durchstrecken - sowohl bei Hüftstellung Hanmi, als auch bei Shomen. Die Hüftrotation wurde mir so erklärt, dass ich bei Hanmi-Stellung die Oberschenkel außen anspannen sollte und bei Shomen innen. Das vordere Knie sollte leicht nach außen gedrückt sein, so dass ein Lot, wenn es von der Außenseite des Knies herabfiele, außen neben der Fußkante landen würde. Vielleicht wurde nur mir das so erklärt oder nur ich habe es so falsch verstanden - allerdings habe ich auch beim Lehrgang der BAE in Bünde einige Karateka in etwa meinem Alter gesehen, die die Stellung so eingenommen hatten (also mit Knie nach außen). Wenn jetzt bei zwingend gestrecktem hinterem Bein die Hüfte gedreht wird, ist nicht nur der Radius relativ klein - zumindest bei mir stellten ich nach längerem Üben Schmerzen im Hüftbereich ein. Vielleicht eine Ursache für die vielen Hüftschäden bei Karateka meiner Generation?

Risto Kiiskilä Sensei erklärte mir erstmals eine sinnvolle Ausführung der Hüftrotation: Durch seine Metapher "die Hüfte liegt im Oberschenkel" prägte er seinen Schülerinnen und Schülern ein für die meisten vermutlich neues Bewegungsmuster ein. Hierbei ist das hintere Bein eben nicht voll durchgestreckt, sondern ermöglicht ein gewisses Maß an Spiel. Bei der Ausdrehung der Hüfte in die Hanmi-Stellung wird nun der Oberschenkel in der Form nach außen gedreht, dass die Vorderseite des Schenkels zur Seite zeigt. Unterschenkel und Knie bleiben möglichst in der ursprünglichen Position. Durch diese Variante der Hüftrotation wird der Bewegungsradius erheblich vergrößert. Zudem schont diese Ausführung die Hüftgelenke (ein Orthopäde oder Physiotherapeut kann sicher genauer erklären, warum das so ist, ich habe jedenfalls das Gefühl, dass die Knochen im Gelenk bei dieser Dreh-Variante nicht aneinander reiben - bei der "alten" Version schon).
Durch Druck der Ferse in den Boden wird anschließend nacheinander Kraft übertragen auf Fußgelenk, Knie, Hüfte, Wirbelsäule, Schulter und Ellenbogen, bis die Faust ins Ziel trifft. Hierbei muss darauf geachtet werden, dass die Muskulatur der Oberschenkelinnenseiten die "Leiste schließt".  Seit ich selber ein bisschen in der Karatewelt herumgekommen bin und mich von vielen verschiedene Senseis inspirieren ließ, habe ich diese Ausführung inzwischen auch wiederholt erklärt bekommen - vor allem auch von Naka Sensei, Okuma Sensei, André Bertel Sensei. Vielleicht ist es einfach auch so, dass Anfang der 1970er Jahre, als Karate sich in Westeuropa etablierte, im Training nicht viel "rumgeschnackt", sprich: erklärt wurde, sondern einfach vom Sensei abgeguckt und nachgemacht wurde. Das ein oder andere Detail bleibt dabei vermutlich einfach auf der Strecke.

Häufige Fehler, die auch bei dieser Ausführung noch gemacht werden können sind folgende: Das Bein wird hinten doch noch durchgestreckt (entweder aus alter Gewohnheit oder weil es noch nicht ausreichend geübt ist). Die Hüfte ist beim Schließen schief (bei mir leider häufig zu beobachten). Beim Eindrehen der Hüfte wird zwar der hintere Beckenknochen nach vorne, fälschlicherweise aber der vordere Beckenknochen nach hinten gezogen, so dass Druck und Energie verloren gehen und Distanz fehlt. Ein ähnlich negativer Effekt tritt ein, wenn das Becken nach Schließen der Leiste nicht hochgekippt ist und das Gesäß dabei nach hinten herausragt. Häufig ist auch zu beobachten, dass das vordere Knie beim Eindrehen der Hüfte nach innen fällt.

Ich kann mich noch gut erinnern, als beim Gasshuku 2012 in Konstanz der japanische Sensei Ogata in der Schwarzgurt-Trainingsgruppe diese Variante der Hüftrotation erklärte - vor allem bei der Erklärung, dass das hintere Bein nicht ganz durchgestreckt werden dürfe, erklang empörter Protest aus den Reihen der höheren Dan-Träger: Hatte man doch jahrzehntelang so trainiert! Das könne doch nicht sein, dass jetzt alles anders ist! Vermutet wird allerdings, dass schlichtweg ein Übersetzungsfehler dazu geführt hat, dass wir Europäer oder vielleicht auch nur Karateka in Deutschland zur falschen Ausführung geführt hat.

Durch die beschriebene Variante der Hüftrotation und der Anspannung der Muskulatur in als Kettenreaktion, in der Ferse beginnend und in der Faust explodierend ist eine enorme Kraftübertragung möglich.

2. Rotation des Oberkörpers

Rotation des Oberkörpers unterstützt Dynamik, allerdings sollte der Oberkörper auch unabhängig von der Hüfte gedreht werden können (Risto-Übungen). Beim überlaufendnen Gyaku Tsuki par exccellence! Begnadeter Körper, mit der Schulter reden vor und zurück

Yahara-Style / Malcolm Dorfman Sensei: Compression by hip rotation – Beim Hikite wird die Hüfte noch um einiges mehr nach hinten abgedreht – Risto würde vielleicht sagen, das sei gegen die Bewegung. Als Übung alle Male interessant!

  • Joint Compression" = Hierbei wird - z. B. bei Blocktechniken - der vordere Fuß ein Stück weit rangezogen und der Körper auf der Stelle in allen Gelenken bis zum Maximum komprimiert, so dass eine extreme Vorspannung entsteht, die bei der Auflösung ein Höchstmaß an Kraft freisetzt.
  • "Compression by body rotation" = ein Ausnutzen der Zentrifugalkraft durch schnelles und starkes Verdrehen des Oberkörpers 


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