Samstag, 31. März 2007
Mittwoch, 28. März 2007
Dan-Vorbereitung bei Risto Kiiskilä März 2007
Dan-Vorbereitung bei Risto Kiiskilä
Am 17.03.2007 reizte mich wieder einmal die Herausforderung: sollte ich mich dem kritischen Blick Risto Kiiskiläs stellen? Es sollte in seinem Dojo in Frankfurt ein Dan-Vorbereitungslehrgang stattfinden. Moment – Dan-Vorbereitung? Ich hab doch schon den „Schwarzen“. Aber der Kurs, den Risto regelmäßig im Frühjahr abhält, ist nicht nur für die Vorbereitung zum 1. Dan geeignet und gedacht. So fanden sich diesmal mit mir gleich vier Übungswillige ein, die schon die „Endfarbe“ erlangt hatten. Einer von uns bereitete sich gar auf die Prüfung zum 4. Dan vor.
Das Khion-Programm war jedoch auf die anwesenden Braungurte ausgerichtet. Zunächst wurde uns der einfache Tsuki „beigebracht“, dann Sanbon-Tsuki und schließlich wurden Kombinationen wie „Age-Uke, Mae-Geri, Kizami-Tsuki, Gyaku-Tsuki“ unter Ristos kritischem Blick ausgeführt. Vom 3. Kyu bis zum 3. Dan - es gab immer noch Verbesserungsvorschläge.
Risto machte uns zu Beginn des Kurses klar, dass wir für uns entscheiden müssten, was unser Ziel ist. Wollen wir nur auf das Bestehen der nächsten Prüfung hinarbeiten? Oder wollen wir unser Karate grundsätzlich und nachhaltig verbessern? Ich kann wohl für alle Teilnehmer sprechen: Wir wollten die zweite Option!
Wer Risto kennt, weiß: Es ist sehr schwer, in seinen Augen alles „richtig“ zu machen. Dies liegt sicher zum einen daran, dass Risto wirklich jeden Fehler sieht. Eine weitere Ursache liegt aber darin, dass Risto zumindest meiner Meinung nach das Karate "revolutioniert". Anstatt nur das Training und Lehrgänge durch Variationen von Übungen interessant zu gestalten, geht er noch einen Schritt weiter und hinterfragt das bisher Praktizierte. Kritiker könnten behaupten, dies sei ketzerisch und entspräche nicht der „wahren Lehre“ Funakoshis. Wer aber Ristos Erklärungen folgt, kann bald nachvollziehen, dass dies nicht zutrifft. Im Gegenteil. Ristos Interpretationen des Karate-Do sind vielmehr die logische Konsequenz der ursprünglichen Lehrmeinung. Wie sich auch in unserem Alltag jede technische Konzeption ständig weiterentwickelt, so muss auch dem Karate-Do die Möglichkeit gegeben werden, einen Fortschritt erleben zu können. Es ist ganz natürlich, dass hierbei Verwirrung bei allen aufkommt, deren bisheriges Karatebild dadurch ins Wanken gerät.
Glücklich ist dann derjenige, der Ristos Ideen schnell umsetzen kann. So war eine junge Dan-Trägerin unter uns, die sich auf den zweiten Meistergrad vorbereitete. Sie war technisch sehr gut und die Nidan-Prüfung wird eine gerechtfertigte Bestätigung ihrer Karatekenntnisse werden. Sie war nun zum ersten Mal bei einem Lehrgang von Risto Kiiskilä. Plötzlich erhielt sie eine solche Fülle an Verbesserungs- oder konkreter: Veränderungsvorschlägen, dass sie sichtlich überrascht war. Beneidenswerter Weise besaß sie nun aber die Fähigkeit, die in der letzten Ausgabe des JKA-Magazins von DJKB-Prüferreferent Rolf Hecking als „Gewandtheit“ bezeichnet wurde: Sie konnte Ristos Anweisungen sehr schnell umsetzen und ging so vermutlich nicht frustriert, sondern um eine Fülle neuer Erkenntnisse bereichert ins heimatliche Dojo. Sie hatte zudem das Glück, dass Risto ihr bei der Übung ihrer Kata Chinte eine ganze Weile seine volle Aufmerksamkeit widmete. Ich selbst saß zu dem Zeitpunkt leider bereits auf der „Verletztenbank“. Dennoch konnte ich allein durchs Zuschauen auch viel für mich mitnehmen.
Kihon, Kata, was fehlt noch? Na klar: Kumite! Auch hier hatte Risto den Schwerpunkt auf die Prüfung zum Shodan gesetzt. Es ging also um den Halbfreikampf, Jiju-Ippon-Kumite. Wie immer legte Risto hier viel Wert darauf, dass ein deutlicher Unterschied zum Kihon-Ippon-Kumite deutlich wird und dass diese Kumite-Form ein erkennbarer Schritt auf dem Weg zum Freikampf ist. Suri-Ashi, Block und Konter – Risto zeigte uns eine handvoll effektiver Abwehrtechniken, die für alle im Prüfungsprogramm vorkommenden Angriffstechniken ausreichen. Nur eine handvoll? Wer das nicht spektakulär findet, der sei daran erinnert, dass bei Risto nur das geübt wird, „worauf es ankommt“! Und hier reichen Age-Uke , Soto-Uke, Nagashi-Uke und Gedan-Barei. Risto erklärte, wann sich welche Technik empfiehlt und auch, dass es bei bestimmten Angriffstechniken einige „No-Go’s“ gibt. So sollte man z. B. einen vom Partner mit links getretenen Mae-Geri nicht mit Gedan-Barai nach links blocken, da man dann logischer Weise in den Tritt hineinläuft.
Mir persönlich erteilte Risto dann noch kurz vor der Abreise eine „Lektion“, indem er meinen Tsuki neu erfand. Ich stand schon vollständig umgezogen und reisebereit vor ihm, um eigentlich nur „tschüß“ zu sagen, da wurde ich noch mal eben so „in Form gedrückt“, bis ich im Zenkutsu-Dachi mit einem Oi-Tsuki vor ihm stand, der seinen Anforderungen im Ansatz entsprach. Ich konnte den Tsuki dann noch die gesamte Rückfahrt über spüren und weiß jetzt in etwa, wie er sich anfühlen sollte, wenn er richtig ist.
Auch sonst habe ich mir wieder viele „Hausaufgaben“ gemerkt, an denen ich arbeiten werde. Wer weiß, vielleicht stellt sich ja irgendwann ein gutes Karategefühl ein, wenn ich mich wieder einmal der Herausforderung stelle, bei Risto zu trainieren.
Oss, Icky
Am 17.03.2007 reizte mich wieder einmal die Herausforderung: sollte ich mich dem kritischen Blick Risto Kiiskiläs stellen? Es sollte in seinem Dojo in Frankfurt ein Dan-Vorbereitungslehrgang stattfinden. Moment – Dan-Vorbereitung? Ich hab doch schon den „Schwarzen“. Aber der Kurs, den Risto regelmäßig im Frühjahr abhält, ist nicht nur für die Vorbereitung zum 1. Dan geeignet und gedacht. So fanden sich diesmal mit mir gleich vier Übungswillige ein, die schon die „Endfarbe“ erlangt hatten. Einer von uns bereitete sich gar auf die Prüfung zum 4. Dan vor.
Das Khion-Programm war jedoch auf die anwesenden Braungurte ausgerichtet. Zunächst wurde uns der einfache Tsuki „beigebracht“, dann Sanbon-Tsuki und schließlich wurden Kombinationen wie „Age-Uke, Mae-Geri, Kizami-Tsuki, Gyaku-Tsuki“ unter Ristos kritischem Blick ausgeführt. Vom 3. Kyu bis zum 3. Dan - es gab immer noch Verbesserungsvorschläge.
Risto machte uns zu Beginn des Kurses klar, dass wir für uns entscheiden müssten, was unser Ziel ist. Wollen wir nur auf das Bestehen der nächsten Prüfung hinarbeiten? Oder wollen wir unser Karate grundsätzlich und nachhaltig verbessern? Ich kann wohl für alle Teilnehmer sprechen: Wir wollten die zweite Option!
Wer Risto kennt, weiß: Es ist sehr schwer, in seinen Augen alles „richtig“ zu machen. Dies liegt sicher zum einen daran, dass Risto wirklich jeden Fehler sieht. Eine weitere Ursache liegt aber darin, dass Risto zumindest meiner Meinung nach das Karate "revolutioniert". Anstatt nur das Training und Lehrgänge durch Variationen von Übungen interessant zu gestalten, geht er noch einen Schritt weiter und hinterfragt das bisher Praktizierte. Kritiker könnten behaupten, dies sei ketzerisch und entspräche nicht der „wahren Lehre“ Funakoshis. Wer aber Ristos Erklärungen folgt, kann bald nachvollziehen, dass dies nicht zutrifft. Im Gegenteil. Ristos Interpretationen des Karate-Do sind vielmehr die logische Konsequenz der ursprünglichen Lehrmeinung. Wie sich auch in unserem Alltag jede technische Konzeption ständig weiterentwickelt, so muss auch dem Karate-Do die Möglichkeit gegeben werden, einen Fortschritt erleben zu können. Es ist ganz natürlich, dass hierbei Verwirrung bei allen aufkommt, deren bisheriges Karatebild dadurch ins Wanken gerät.
Glücklich ist dann derjenige, der Ristos Ideen schnell umsetzen kann. So war eine junge Dan-Trägerin unter uns, die sich auf den zweiten Meistergrad vorbereitete. Sie war technisch sehr gut und die Nidan-Prüfung wird eine gerechtfertigte Bestätigung ihrer Karatekenntnisse werden. Sie war nun zum ersten Mal bei einem Lehrgang von Risto Kiiskilä. Plötzlich erhielt sie eine solche Fülle an Verbesserungs- oder konkreter: Veränderungsvorschlägen, dass sie sichtlich überrascht war. Beneidenswerter Weise besaß sie nun aber die Fähigkeit, die in der letzten Ausgabe des JKA-Magazins von DJKB-Prüferreferent Rolf Hecking als „Gewandtheit“ bezeichnet wurde: Sie konnte Ristos Anweisungen sehr schnell umsetzen und ging so vermutlich nicht frustriert, sondern um eine Fülle neuer Erkenntnisse bereichert ins heimatliche Dojo. Sie hatte zudem das Glück, dass Risto ihr bei der Übung ihrer Kata Chinte eine ganze Weile seine volle Aufmerksamkeit widmete. Ich selbst saß zu dem Zeitpunkt leider bereits auf der „Verletztenbank“. Dennoch konnte ich allein durchs Zuschauen auch viel für mich mitnehmen.
Kihon, Kata, was fehlt noch? Na klar: Kumite! Auch hier hatte Risto den Schwerpunkt auf die Prüfung zum Shodan gesetzt. Es ging also um den Halbfreikampf, Jiju-Ippon-Kumite. Wie immer legte Risto hier viel Wert darauf, dass ein deutlicher Unterschied zum Kihon-Ippon-Kumite deutlich wird und dass diese Kumite-Form ein erkennbarer Schritt auf dem Weg zum Freikampf ist. Suri-Ashi, Block und Konter – Risto zeigte uns eine handvoll effektiver Abwehrtechniken, die für alle im Prüfungsprogramm vorkommenden Angriffstechniken ausreichen. Nur eine handvoll? Wer das nicht spektakulär findet, der sei daran erinnert, dass bei Risto nur das geübt wird, „worauf es ankommt“! Und hier reichen Age-Uke , Soto-Uke, Nagashi-Uke und Gedan-Barei. Risto erklärte, wann sich welche Technik empfiehlt und auch, dass es bei bestimmten Angriffstechniken einige „No-Go’s“ gibt. So sollte man z. B. einen vom Partner mit links getretenen Mae-Geri nicht mit Gedan-Barai nach links blocken, da man dann logischer Weise in den Tritt hineinläuft.
Mir persönlich erteilte Risto dann noch kurz vor der Abreise eine „Lektion“, indem er meinen Tsuki neu erfand. Ich stand schon vollständig umgezogen und reisebereit vor ihm, um eigentlich nur „tschüß“ zu sagen, da wurde ich noch mal eben so „in Form gedrückt“, bis ich im Zenkutsu-Dachi mit einem Oi-Tsuki vor ihm stand, der seinen Anforderungen im Ansatz entsprach. Ich konnte den Tsuki dann noch die gesamte Rückfahrt über spüren und weiß jetzt in etwa, wie er sich anfühlen sollte, wenn er richtig ist.
Auch sonst habe ich mir wieder viele „Hausaufgaben“ gemerkt, an denen ich arbeiten werde. Wer weiß, vielleicht stellt sich ja irgendwann ein gutes Karategefühl ein, wenn ich mich wieder einmal der Herausforderung stelle, bei Risto zu trainieren.
Oss, Icky
Dienstag, 27. März 2007
Tour de Lappi 2007
Der Geist des Sisu
Karate, Kultur und Kulinarisches am Polarkreis
Am 26.02.2007 fand ein Karatelehrgang von Jürgen Mosler (3. Dan) vom Bushido-Dojo-Berlin in Rovaniemi statt. Rovaniemi? Finnland? Polarkreis? Genau! Über unzählige Karatecamps von unserem Trainer Sensei Risto Kiiskilä hat Jürgen Freundschaften mit den Finnen geschlossen und gab nun schon zum zweiten Mal einen Lehrgang im Land der tausend Seen. Erstmals war auch ich dabei. Dies ist eindeutig bisher der Karatelehrgang gewesen, für den ich die meisten Kilometer zurückgelegt habe! Weil der Norden Finnlands für mich nicht grade vor der Haustür liegt, wollte ich den Aufenthalt in diesem faszinierenden Land durch eine kleine Lapplandrundreise etwas ausdehnen. Ein Bekannter aus Oulu hatte mir angeboten, mir die schönsten Orte, die Lappland im Winter zu bieten hat, zu zeigen. Und ich sollte nicht enttäuscht werden.
Etwas enttäuschend war allein die Tatsache, dass ich mich bereits am ersten Abend in Oulu so verletzt habe, dass ich Karate von da an nur unter großen Schmerzen ausüben konnte. Ich hätte wissen müssen, dass Salibandy (eine Art Hallenhockey) nicht gut für mein Knie ist! Dafür habe ich bereits bei diesem Spiel den finnischen Kampfgeist des „Sisu“ kennen gelernt. Und dabei handelte es sich nur um ein harmloses Spiel unter Hobbysportlern!
Sisu ist ein finnischer Begriff, der eine den Finnen eigene mentale Eigenschaft bezeichnet. Das Wort gilt als unübersetzbar, kann aber mit „Kraft“, „Ausdauer“ oder „Beharrlichkeit“, auch „Unnachgiebigkeit“ in besonders aussichtslos erscheinenden Situationen wiedergegeben werden. Als kulturelles Konzept ist Sisu für Finnland in hohem Maße identitätsstiftend. Ursprünglich hatte das Wort eine negative Bedeutung: So stand im Finnischen Wörterbuch von 1826, Sisu sei eine innere Gemütseigenschaft, die etwas Schlechtes, Bosheit und Hass ausdrücke. Später entwickelte sich die Wortbedeutung über „Erbarmungslosigkeit, Rücksichtslosigkeit“ zu „Mut, Kühnheit“ und schließlich „Zähigkeit und Ausdauer“. Sisu bezeichnet also eine ganz besondere Art Kampfgeist. Auf Sisu trifft man häufig, wenn man sich mit der finnischen Geschichte beschäftigt, so vor allem im Winterkrieg, als sich die finnischen Soldaten heldenhaft gegen die russische Übermacht zu verteidigen suchten. Aber auch heute ist Sisu in Finnland allgegenwärtig: man denke nur an die erfolgreichen finnischen Wintersportler z. B. bei Eishockey-Länderspielen!
Sisu also beim Hallenhockey – aber das war erst der Anfang! Zähigkeit und Ausdauer musste mein finnischer Begleiter gleich am nächsten Tag beweisen, als er mich durch die widrigen Witterungsverhältnisse des verschneiten Lapplands chauffierte: Über vereiste Straßen, die kein Ende zu nehmen schienen, ging es bei starkem Schneegestöber ca. 200 km weit beharrlich nord-östlich nach Rovaniemi, wo wir eine kleine Hütte im „Rova-Motelli“ bezogen.
Am nächsten Tag fand dann endlich der Karatelehrgang statt. Das war ein schönes Wiedersehen mit Markku, Ville, Ari, Lasse und wie sie alle heißen, die auch ich bereits von einigen Lehrgängen her kannte. Karate verbindet eben international! Die Einheit war dann ein erstes Einsatzgebiet für mein ganz persönliches Sisu! Die Schmerzen im Knie waren beinahe nicht auszuhalten und unter normalen Umständen hätte ich wohl das Training abgebrochen. Aber es war eine gerade Anzahl an Trainierenden vorhanden und wenn ich aufgehört hätte, wäre einer ohne Partner geblieben. Mit Ach und Krach schaffte ich es dann auch irgendwie, die zwei Stunden Training durchzuhalten. Das Training war perfekt konzipiert. Schon zum Aufwärmen bewegten wir uns mit Partner im Sprungwechsel (oder Wechselsprung?). Die Übung wurde im Verlauf so weit verändert, dass wir beim Springen möglichst weite Distanzen vor und zurücklegen sollten. Da freut sich das Knie! Aus dieser Sprungübung entwickelte sich dann nach und nach eine Schrittkombination aus Ristos Kata Hokkyokuko. Diese Kata bedeutet übersetzt Polarlicht (auf Finnisch „Revontulet“), was natürlich sehr gut zu der frostigen Witterung außerhalb der Trainingshalle passte! Wir Trainierenden wurden allerdings beim Üben alles andere als frostig und rasch war der Karateanzug durchgeschwitzt. Auch hier spürte ich Sisu bei meinen Trainingskameraden: es kam genau diese knisternde Spannung über, die das Kämpfen so interessant macht – der andere ist zwar Partner und nicht Gegner, die Übung ist aber kein Spaß, sondern eine ernste und hoch konzentrierte Angelegenheit!
Leider mussten wir die Freunde aus Rovaniemi viel zu früh verlassen. Mein Bekannter hatte mir noch eine wichtige Sehenswürdigkeit zu zeigen, die ich auf keinen Fall verpassen sollte, wenn ich schon einmal in Rovaniemi war: den Weihnachtsmann, auf Finnisch „Joulupukki“. Dieser freundliche Geselle in rot-weiß ist hier am Polarkreis allgegenwärtig. So gibt es einen Weihnachtsmann-Workshop (nur von November bis Januar geöffnet) und ein Christmas-House sowie die Weihnachtsmann-Postagentur. Natürlich gibt es dort reichlich Nippes und Mitbringsel zu kaufen – und dann stand ich ihm plötzlich leibhaftig gegenüber, dem Weihnachtsmann! Schüchtern konnte ich seine Fragen auf Finnisch beantworten und folgte seiner Einladung, mich neben ihn zu setzen. Vollkommen in Trance war ich in eine herrliche Touristenfalle getappt: bevor ich richtig denken konnte, war ein Foto von mir und dem Weihnachtsmann geschossen, welches ich anschließend für eine astronomische Summe käuflich zu erwerben hatte. Aber- mal ehrlich: wer kann dazu schon nein sagen!
Auf dem Parkplatz wachte ich dann langsam aus meinem Kindheitstraum(a) wieder auf und wurde durch meinen ungeduldig auf seine Armbanduhr tippenden Bekannten daran erinnert, dass wir an diesem Tag noch eine ca. zweistündige Autofahrt Richtung Skigebiet Ruka nahe der russischen Grenze vor uns hatten! Die Straße war noch eisiger als am Vorabend und die Bäume begannen, sich unter der Schneelast zu biegen! Es war einfach nur herrlich, aus dem Fenster zu blicken und die Landschaft im wahrsten Sinne des Wortes zu „erfahren“! Plötzlich fand ich das Licht ganz eigenartig und schön. Ja, meinte mein Bekannter, das sei der so genannte „sininen hetki“, der Blaue Moment, ganz kurz bevor es ganz dunkel wird. Bei wolkenlosem Himmel sei dies besonders schön. Mir hat es aber auch schon im Schneegestöber gefallen und mich seltsam angerührt.
Nach einigen Stunden Autofahrt hatten wir unsere Unterkunft endlich erreicht. Sie war so gut im tief verschneiten Wald versteckt, dass wir sie fast nicht gefunden hätten! Aber was war das für ein Traum von Blockhaus! Draußen steckte keck die finnische Flagge am Eingang als wollte sie uns willkommen heißen. Drinnen gab es alles, was das finnische Herz begehrt: Sauna, Kamin, Spülmaschine, Fernseher und natürlich gab es auch hier mitten in der Wildnis einen ausgezeichneten Handy-Empfang!
Nachdem ich an meinem ersten Abend, den ich zusammen mit der Familie meines Bekannten in Oulu verbracht hatte, bereits mit einem köstlichen Lachsgericht verwöhnt worden war, gab es nun weitere landestypische Leckereien zu kosten. Neben weiteren Fischgerichten und Aufläufen gab es nun zum Frühstück und/oder Abendessen oder einfach zwischendurch typisch finnisches Roggenbrot mit Pfefferkäse und Rentierwurst (die Betonung liegt auf UND, denn es konnte tatsächlich kombiniert werden). Und immer wieder gerne eine Unmenge von im Sommer selbst gepflückten Beeren aller Arten, darunter auch die wertvollen Moltebeeren. An Vitaminmangel konnte es also nicht gelegen haben, dass ich eines Morgens mit einem Kratzen im Hals aufwachte. Mein Bekannter schalt mich hingegen gleich: ich hätte eben nicht mit offener Jacke vor die Tür treten sollen! An meinem letzten Abend wieder in Oulu sollte ich dann noch Makkara (dicke Grillwürstchen) sowie karelische Piroggen (Pastetchen) mit Eibutter kennen lernen – sehr, sehr lecker!
Aber zuvor war noch einmal mein Sisu gefordert: ich sollte am Montagmorgen Skilanglauf erlernen! Ich bin schon nur eine ziemlich lausige Abfahrtsläuferin - Langlauf hatte ich aber noch nie ausprobiert. So ließ ich mir mit gemischten Gefühlen die Loipe in Ruka zeigen. Ruka ist ein sehr bekanntes Skigebiet in Finnland und hat wohl die einzige Erhebung weit und breit, die den Namen „Berg“ auch nur im Ansatz verdient. Trotz Schneegestöber wurde mir bald nach Beginn der Übungen bewusst, dass ich total falsch eingekleidet war mit meiner sehr warmen Tchibo-Winterjacke! Ich war irgendwie von arktischen Temperaturen ausgegangen aber jetzt wurde mir plötzlich sehr, sehr warm! Ich konnte meine Mütze unmöglich auf dem Kopf behalten und stopfte sie mir kurzer Hand unter den kopfschüttelnden und tadelnden Blicken meines Bekannten in die Jackentasche. Dann ging es los: „Nicht treten! Gleiten – und zwar nach vorne!“, hörte ich immer wieder. Das war gar nicht so einfach, denn ich versuchte immer die mir vom Inline-Skaten vertraute Bewegung. Aber die war offensichtlich hier verkehrt – und ich hatte einen sehr ungeduldigen Lehrmeister! Mir rann der Schweiß schon in Strömen am Körper herunter und die mitleidigen Blicke der an mir im Eiltempo vorbeiskatenden Kinder, Erwachsenen und auch Greise konnten meinen allmählich aufkommenden Frust nicht mildern! Aber genau genommen derartige Situationen ja genau mein Ding: Gib mir einen ungeduldigen und fordernden Trainer und mein Ehrgeiz wird geweckt, nach dem Motto: „Dir werde ich’s zeigen!“ und so auch jetzt. Vielleicht war es wirklich Sisu, dass mich durchhalten ließ und beflügelte, alles zu geben – aber nach gut 15 Minuten hatte ich den Bogen raus und es begann, richtig Spaß zu machen! Schließlich ließ mein Begleiter sich sogar zu lobenden Tönen hinreißen und er verlieh mir den „Gelben Gürtel“ im Langlaufen! Auf die noch geplante Snowboard-Lehrstunde verzichtete ich dann allerdings dankend auch angesichts meiner Knieprobleme.
Warum haben die Finnen Sisu? Es mag an dem langen, strengen und dunklen Winter liegen – allerdings haben andere nördliche Länder dies auch, ohne einen entsprechenden Kampfgeist entwickelt zu haben. Vielleicht liegt es daran, dass Finnland über viele Jahrhunderte ein Spielball der Schweden und Russen war, die durch wiederholte kriegerische Übergriffe Besitz an diesem Land ergriffen haben. Mein Begleiter berichtete mir während der langen Autofahrten ausführlich über den Winterkrieg, über Rivalitäten mit den Russen und Schweden, über von Deutschen im zweiten Weltkrieg niedergebrannte Städte (Rovaniemi). Zufälliger Weise war ich ausgerechnet am „Kalevala päivä“ in Finnland, dem Tag, an dem das Nationalepos Kalevala geehrt wird. Dies ist vielleicht vergleichbar mit der Nibelungensage, aber ungleich aktueller noch im heutigen finnischen Alltag. Auch heute scheint das Leben in Finnland ein einziger (Wett-)Kampf zu sein. Hauptgesprächsthemen sind die aktuellen Ergebnisse bei Hockey- oder Skiweltmeisterschaften – vielleicht eine Art moderner Winterkrieg? Ich war jedenfalls froh, dass ich ein wenig Finnisch kann- das half mir manchmal, die Finnen nicht nur phonetisch zu verstehen. Die Sprache ist hier wohl ein Schlüssel zur Seele: So kantig und rau wie sie klingt, muss es wohl in manchem Finnen aussehen!
Finnland, das Land der tausend Seen…..das Land der hellen Sommer und dunklen Winter…..das Land der sanften Hügel und rauen Seelen….ein Land das süchtig macht! Ich fahre auf jeden Fall wieder hin – vielleicht schon zum Karate-Sommercamp in Lohijärvi.
Karate, Kultur und Kulinarisches am Polarkreis
Am 26.02.2007 fand ein Karatelehrgang von Jürgen Mosler (3. Dan) vom Bushido-Dojo-Berlin in Rovaniemi statt. Rovaniemi? Finnland? Polarkreis? Genau! Über unzählige Karatecamps von unserem Trainer Sensei Risto Kiiskilä hat Jürgen Freundschaften mit den Finnen geschlossen und gab nun schon zum zweiten Mal einen Lehrgang im Land der tausend Seen. Erstmals war auch ich dabei. Dies ist eindeutig bisher der Karatelehrgang gewesen, für den ich die meisten Kilometer zurückgelegt habe! Weil der Norden Finnlands für mich nicht grade vor der Haustür liegt, wollte ich den Aufenthalt in diesem faszinierenden Land durch eine kleine Lapplandrundreise etwas ausdehnen. Ein Bekannter aus Oulu hatte mir angeboten, mir die schönsten Orte, die Lappland im Winter zu bieten hat, zu zeigen. Und ich sollte nicht enttäuscht werden.
Etwas enttäuschend war allein die Tatsache, dass ich mich bereits am ersten Abend in Oulu so verletzt habe, dass ich Karate von da an nur unter großen Schmerzen ausüben konnte. Ich hätte wissen müssen, dass Salibandy (eine Art Hallenhockey) nicht gut für mein Knie ist! Dafür habe ich bereits bei diesem Spiel den finnischen Kampfgeist des „Sisu“ kennen gelernt. Und dabei handelte es sich nur um ein harmloses Spiel unter Hobbysportlern!
Sisu ist ein finnischer Begriff, der eine den Finnen eigene mentale Eigenschaft bezeichnet. Das Wort gilt als unübersetzbar, kann aber mit „Kraft“, „Ausdauer“ oder „Beharrlichkeit“, auch „Unnachgiebigkeit“ in besonders aussichtslos erscheinenden Situationen wiedergegeben werden. Als kulturelles Konzept ist Sisu für Finnland in hohem Maße identitätsstiftend. Ursprünglich hatte das Wort eine negative Bedeutung: So stand im Finnischen Wörterbuch von 1826, Sisu sei eine innere Gemütseigenschaft, die etwas Schlechtes, Bosheit und Hass ausdrücke. Später entwickelte sich die Wortbedeutung über „Erbarmungslosigkeit, Rücksichtslosigkeit“ zu „Mut, Kühnheit“ und schließlich „Zähigkeit und Ausdauer“. Sisu bezeichnet also eine ganz besondere Art Kampfgeist. Auf Sisu trifft man häufig, wenn man sich mit der finnischen Geschichte beschäftigt, so vor allem im Winterkrieg, als sich die finnischen Soldaten heldenhaft gegen die russische Übermacht zu verteidigen suchten. Aber auch heute ist Sisu in Finnland allgegenwärtig: man denke nur an die erfolgreichen finnischen Wintersportler z. B. bei Eishockey-Länderspielen!
Sisu also beim Hallenhockey – aber das war erst der Anfang! Zähigkeit und Ausdauer musste mein finnischer Begleiter gleich am nächsten Tag beweisen, als er mich durch die widrigen Witterungsverhältnisse des verschneiten Lapplands chauffierte: Über vereiste Straßen, die kein Ende zu nehmen schienen, ging es bei starkem Schneegestöber ca. 200 km weit beharrlich nord-östlich nach Rovaniemi, wo wir eine kleine Hütte im „Rova-Motelli“ bezogen.
Am nächsten Tag fand dann endlich der Karatelehrgang statt. Das war ein schönes Wiedersehen mit Markku, Ville, Ari, Lasse und wie sie alle heißen, die auch ich bereits von einigen Lehrgängen her kannte. Karate verbindet eben international! Die Einheit war dann ein erstes Einsatzgebiet für mein ganz persönliches Sisu! Die Schmerzen im Knie waren beinahe nicht auszuhalten und unter normalen Umständen hätte ich wohl das Training abgebrochen. Aber es war eine gerade Anzahl an Trainierenden vorhanden und wenn ich aufgehört hätte, wäre einer ohne Partner geblieben. Mit Ach und Krach schaffte ich es dann auch irgendwie, die zwei Stunden Training durchzuhalten. Das Training war perfekt konzipiert. Schon zum Aufwärmen bewegten wir uns mit Partner im Sprungwechsel (oder Wechselsprung?). Die Übung wurde im Verlauf so weit verändert, dass wir beim Springen möglichst weite Distanzen vor und zurücklegen sollten. Da freut sich das Knie! Aus dieser Sprungübung entwickelte sich dann nach und nach eine Schrittkombination aus Ristos Kata Hokkyokuko. Diese Kata bedeutet übersetzt Polarlicht (auf Finnisch „Revontulet“), was natürlich sehr gut zu der frostigen Witterung außerhalb der Trainingshalle passte! Wir Trainierenden wurden allerdings beim Üben alles andere als frostig und rasch war der Karateanzug durchgeschwitzt. Auch hier spürte ich Sisu bei meinen Trainingskameraden: es kam genau diese knisternde Spannung über, die das Kämpfen so interessant macht – der andere ist zwar Partner und nicht Gegner, die Übung ist aber kein Spaß, sondern eine ernste und hoch konzentrierte Angelegenheit!
Leider mussten wir die Freunde aus Rovaniemi viel zu früh verlassen. Mein Bekannter hatte mir noch eine wichtige Sehenswürdigkeit zu zeigen, die ich auf keinen Fall verpassen sollte, wenn ich schon einmal in Rovaniemi war: den Weihnachtsmann, auf Finnisch „Joulupukki“. Dieser freundliche Geselle in rot-weiß ist hier am Polarkreis allgegenwärtig. So gibt es einen Weihnachtsmann-Workshop (nur von November bis Januar geöffnet) und ein Christmas-House sowie die Weihnachtsmann-Postagentur. Natürlich gibt es dort reichlich Nippes und Mitbringsel zu kaufen – und dann stand ich ihm plötzlich leibhaftig gegenüber, dem Weihnachtsmann! Schüchtern konnte ich seine Fragen auf Finnisch beantworten und folgte seiner Einladung, mich neben ihn zu setzen. Vollkommen in Trance war ich in eine herrliche Touristenfalle getappt: bevor ich richtig denken konnte, war ein Foto von mir und dem Weihnachtsmann geschossen, welches ich anschließend für eine astronomische Summe käuflich zu erwerben hatte. Aber- mal ehrlich: wer kann dazu schon nein sagen!
Auf dem Parkplatz wachte ich dann langsam aus meinem Kindheitstraum(a) wieder auf und wurde durch meinen ungeduldig auf seine Armbanduhr tippenden Bekannten daran erinnert, dass wir an diesem Tag noch eine ca. zweistündige Autofahrt Richtung Skigebiet Ruka nahe der russischen Grenze vor uns hatten! Die Straße war noch eisiger als am Vorabend und die Bäume begannen, sich unter der Schneelast zu biegen! Es war einfach nur herrlich, aus dem Fenster zu blicken und die Landschaft im wahrsten Sinne des Wortes zu „erfahren“! Plötzlich fand ich das Licht ganz eigenartig und schön. Ja, meinte mein Bekannter, das sei der so genannte „sininen hetki“, der Blaue Moment, ganz kurz bevor es ganz dunkel wird. Bei wolkenlosem Himmel sei dies besonders schön. Mir hat es aber auch schon im Schneegestöber gefallen und mich seltsam angerührt.
Nach einigen Stunden Autofahrt hatten wir unsere Unterkunft endlich erreicht. Sie war so gut im tief verschneiten Wald versteckt, dass wir sie fast nicht gefunden hätten! Aber was war das für ein Traum von Blockhaus! Draußen steckte keck die finnische Flagge am Eingang als wollte sie uns willkommen heißen. Drinnen gab es alles, was das finnische Herz begehrt: Sauna, Kamin, Spülmaschine, Fernseher und natürlich gab es auch hier mitten in der Wildnis einen ausgezeichneten Handy-Empfang!
Nachdem ich an meinem ersten Abend, den ich zusammen mit der Familie meines Bekannten in Oulu verbracht hatte, bereits mit einem köstlichen Lachsgericht verwöhnt worden war, gab es nun weitere landestypische Leckereien zu kosten. Neben weiteren Fischgerichten und Aufläufen gab es nun zum Frühstück und/oder Abendessen oder einfach zwischendurch typisch finnisches Roggenbrot mit Pfefferkäse und Rentierwurst (die Betonung liegt auf UND, denn es konnte tatsächlich kombiniert werden). Und immer wieder gerne eine Unmenge von im Sommer selbst gepflückten Beeren aller Arten, darunter auch die wertvollen Moltebeeren. An Vitaminmangel konnte es also nicht gelegen haben, dass ich eines Morgens mit einem Kratzen im Hals aufwachte. Mein Bekannter schalt mich hingegen gleich: ich hätte eben nicht mit offener Jacke vor die Tür treten sollen! An meinem letzten Abend wieder in Oulu sollte ich dann noch Makkara (dicke Grillwürstchen) sowie karelische Piroggen (Pastetchen) mit Eibutter kennen lernen – sehr, sehr lecker!
Aber zuvor war noch einmal mein Sisu gefordert: ich sollte am Montagmorgen Skilanglauf erlernen! Ich bin schon nur eine ziemlich lausige Abfahrtsläuferin - Langlauf hatte ich aber noch nie ausprobiert. So ließ ich mir mit gemischten Gefühlen die Loipe in Ruka zeigen. Ruka ist ein sehr bekanntes Skigebiet in Finnland und hat wohl die einzige Erhebung weit und breit, die den Namen „Berg“ auch nur im Ansatz verdient. Trotz Schneegestöber wurde mir bald nach Beginn der Übungen bewusst, dass ich total falsch eingekleidet war mit meiner sehr warmen Tchibo-Winterjacke! Ich war irgendwie von arktischen Temperaturen ausgegangen aber jetzt wurde mir plötzlich sehr, sehr warm! Ich konnte meine Mütze unmöglich auf dem Kopf behalten und stopfte sie mir kurzer Hand unter den kopfschüttelnden und tadelnden Blicken meines Bekannten in die Jackentasche. Dann ging es los: „Nicht treten! Gleiten – und zwar nach vorne!“, hörte ich immer wieder. Das war gar nicht so einfach, denn ich versuchte immer die mir vom Inline-Skaten vertraute Bewegung. Aber die war offensichtlich hier verkehrt – und ich hatte einen sehr ungeduldigen Lehrmeister! Mir rann der Schweiß schon in Strömen am Körper herunter und die mitleidigen Blicke der an mir im Eiltempo vorbeiskatenden Kinder, Erwachsenen und auch Greise konnten meinen allmählich aufkommenden Frust nicht mildern! Aber genau genommen derartige Situationen ja genau mein Ding: Gib mir einen ungeduldigen und fordernden Trainer und mein Ehrgeiz wird geweckt, nach dem Motto: „Dir werde ich’s zeigen!“ und so auch jetzt. Vielleicht war es wirklich Sisu, dass mich durchhalten ließ und beflügelte, alles zu geben – aber nach gut 15 Minuten hatte ich den Bogen raus und es begann, richtig Spaß zu machen! Schließlich ließ mein Begleiter sich sogar zu lobenden Tönen hinreißen und er verlieh mir den „Gelben Gürtel“ im Langlaufen! Auf die noch geplante Snowboard-Lehrstunde verzichtete ich dann allerdings dankend auch angesichts meiner Knieprobleme.
Warum haben die Finnen Sisu? Es mag an dem langen, strengen und dunklen Winter liegen – allerdings haben andere nördliche Länder dies auch, ohne einen entsprechenden Kampfgeist entwickelt zu haben. Vielleicht liegt es daran, dass Finnland über viele Jahrhunderte ein Spielball der Schweden und Russen war, die durch wiederholte kriegerische Übergriffe Besitz an diesem Land ergriffen haben. Mein Begleiter berichtete mir während der langen Autofahrten ausführlich über den Winterkrieg, über Rivalitäten mit den Russen und Schweden, über von Deutschen im zweiten Weltkrieg niedergebrannte Städte (Rovaniemi). Zufälliger Weise war ich ausgerechnet am „Kalevala päivä“ in Finnland, dem Tag, an dem das Nationalepos Kalevala geehrt wird. Dies ist vielleicht vergleichbar mit der Nibelungensage, aber ungleich aktueller noch im heutigen finnischen Alltag. Auch heute scheint das Leben in Finnland ein einziger (Wett-)Kampf zu sein. Hauptgesprächsthemen sind die aktuellen Ergebnisse bei Hockey- oder Skiweltmeisterschaften – vielleicht eine Art moderner Winterkrieg? Ich war jedenfalls froh, dass ich ein wenig Finnisch kann- das half mir manchmal, die Finnen nicht nur phonetisch zu verstehen. Die Sprache ist hier wohl ein Schlüssel zur Seele: So kantig und rau wie sie klingt, muss es wohl in manchem Finnen aussehen!
Finnland, das Land der tausend Seen…..das Land der hellen Sommer und dunklen Winter…..das Land der sanften Hügel und rauen Seelen….ein Land das süchtig macht! Ich fahre auf jeden Fall wieder hin – vielleicht schon zum Karate-Sommercamp in Lohijärvi.
Kangeiko mit Schlatt in Bremen 02.- 04.02.2007
Randale im Rebellenlager
Alles begann Ende des Jahres 2006. Immer auf der Suche nach inspirierenden Karate-Lehrgängen stieß ich auf die Internet-Seite des Kangeiko vom Shindokan-Dojo Brinkum. Shidokan - hört sich ja schon mal interessant an. Brinkum (bei Bremen) ist auch nicht weit. Und Trainer sollte Schlatt sein! Schlatt hatte ich bereits einmal als "Vertretung" auf dem Gasshuku 2003 in Oberstdorf erlebt. Er hatte für einen ultra-hochgraduierten japanischen Karateprofessor, der den Weg zur Halle offenbar nicht rechtzeitig bewältigen konnte, das Aufwärmtraining gegeben und auch das eigentliche Training begonnen. An die einzelnen Übungen in Oberstdorf kann ich mich ehrlich gesagt gar nicht mehr erinnern. Bleibenden Eindruck hat bei mir allerdings Schlatts Einstellung zu Disziplin und Etikette hinterlassen: bitte nicht während der Erklär-Phasen auf dem Boden herumlümmeln, sondern entweder im Seizan abhocken oder stehen bleiben, außerdem nicht quatschen sondern immer Sanshin! Wow - der Geist des Samurai!
Glücklicher Weise konnte ich meine Freundin Heide überreden, mich zu begleiten. Pünktlich vor Beginn der ersten Einheit erreichten wir -Dank guter Wegbeschreibung auf der Homepage des Shindokan und Dank Navi- die Trainingshalle. Diese war an der Shomen-Seite nicht nur mit der deutschen und der japanischen Nationalflagge geschmückt. Es war in der Mitte der Halle auch eine Empore aus Turnkästen aufgebaut und mit rotem Tuch umhüllt worden, auf der sich Bilder von den Senseis Funakoshi, Nakayama, Ochi und Tanaka befanden. Tanaka hatte ich ehrlich gesagt zunächst nicht zuordnen können. Hinterher fiel es mir aber dann wie Schuppen aus den Haaren und ich erinnerte mich auch, über ihn erst kürzlich in der Biografie von Stan Schmidt "Die leere Hand" gelesen zu haben. Hierzu mehr später.
In der gut besuchten ersten Trainingseinheit tummelten sich Karatekas aller Graduierungen in der Halle. Die Trainingsinhalte konnten daher nicht nicht gruppenspezifisch in die Tiefe gehen, sondern bezogen sich schwerpunktmäßig auf Kihon. Hier legte Schlatt besonderen Wert auf einen stabilen Stand und darauf, dass die Kraft aus dem Bauch kommen sollte - Hara. Ist es Zufall, dass grade dieser Trainingsaspekt mich momentan so beschäftigt? Oder ist es selektive Wahrnehmung? Egal - jedenfalls war ich froh, dass ich hier mal wieder eine Einheit lang gezwungen war, mich auf meine "Mitte" zu konzentrieren und nicht darauf, was meine Arme und Beine machten. Vom Kihon war es dann ein kleiner Schritt zum Partnertraining - Gohon-Kumite. Die Einheit war nicht nur von der Graduierung her gemischt, sondern auch von der Altersstruktur der Teilnehmer her. Von einem pfiffigen kleinen Violettgurt-Mädchen, was vielleicht grade mal zehn Jahre alt war bis zum ehrwürdigen schwarzbegürtelten Karateveteranen war alles dabei. Es war daher wohl nur menschlich, dass grade bei den jüngeren Teilnehmern die Konzentration manchmal nachließ und sie sich zu kleinen Albernheiten hinreißen ließen. Hier verstand aber Schlatt keinen Spaß: "Wer im Dojo lacht, weint auf der Straße!", zitierte er Saeki Sensei aus Kanada. Soll heißen: im Dojo konzentrieren und auf der Straße dann verteidigungsbereit sein. Witze reißen können wir dann nach dem Training. Während des Trainings betonte Schlatt immer wieder, wie wichtig es ist, sich auf seinen Partner einzustellen und rücksichtsvoll zu sein. Eindrucksvoll verdeutlichte er dies dann im "Zweikampf" mit dem kleinen Violettgurt-Mädchen: der große, starke Schlatt und das zarte Mädel! Das geht nur, wenn sie ihm vertrauen kann, dass er sie "leben" läßt. Sie hingegen muss jetzt erst Recht zeigen, dass sie einen starken Kampfgeist hat. Yake saka war das Stichwort. Das bedeutet: Die Trainingspartner schließen einen Vertrag miteinander - sie vertrauen sich gegenseitig, dass der jeweilige Partner nicht zu fest schlägt und den anderen nicht verletzt. In diesem Zusammenhang wurde uns die Bedeutung des Begriffs Kumite erklärt, dessen Bestandteil "Kumi" Gruppe bedeutet. Kumite ist demnach nicht Freikampf bis aufs Blut, sondern einfach "Training in der Gruppe".
Den ersten Abend ließen wir dann in einer größeren Gruppe beim Griechen ausklingen, wo es auf Kosten des Hauses Ouzo für alle gab. Hier lernte man sich dann untereinander etwas näher kennen. Ich war überrascht, dass sogar jemand aus Konstanz angereist war!
Glücklicher Weise bin ich ja mittlerweile Übernachtungen in Turnhallen gewohnt und konnte mich daher nach einer entspannenden Nachtruhe am nächsten Morgen auf mein Frühstück freuen. Dies wurde von den unermüdlichen Helfern des Shindokan in einer Cafeteria auf der anderen Straßenseite angerichtet. Also: besser gehts nicht!
Zweite Einheit. Jetzt nur Oberstufe. Kihon, Kata, Kumite - das volle Programm. Die Halle war wieder gut voll, obwohl die Unterstufe nicht dabei war. Im Wechsel liefen wir Grundschul-Bahnen und Kata-Runden. Schlatt bat uns, das am Tag zuvor erarbeitete nicht zu vergessen - stabilen Stand und Hara. Wir sollten jetzt aber das Kumite "tanzen" und die Kata "kämpfen". Hier wurde uns einiges abverlangt, denn die Kata hieß Gangaku! Es war ein tolles Gefühl, auf diese Art und Weise quasi in verschiedene Rollen zu schlüpfen - Tänzer und Kämpfer!
Mittags sollten wir nicht einfach relaxen. Es war ein Mondo angekündigt. Klar, was ein Mondo ist, wusste ich schon: ein Gespräch des Meisters mit dem Schüler (ursprünglich: des Zen-Priesters mit seinem Schüler). Aber ehrlich gesagt hatte ich noch nie ein "offizielles" Mondo geführt - weder als Schülerin, noch als Meisterin. Irgendwie hatte ich mich jetzt auf eine feierliche Versammlung im Seizan in der Turnhalle eingestellt - zumal doch Schlatt so viel Wert auf Etikette legt. Hier überraschte er mich aber wieder: Wir sollten uns zwanglos und in "Zivil" in der Cafeteria einfinden. Zur Einführung gab es eine Erklärung des Begriffs Kangeiko. Kan heißt kalt und keiko ist das "Üben einer Kunst". ein Kangeiko ist demnach kein "Lehrgang", sondern einfach das Üben traditioneller Künste im Winter. Im Gegenteil dazu ist Fußballtraining ein "rensho", also "nur" Training, keine Kunst. Achso!
Es folgte eine höchst interessante Frage- und Antwortrunde mit Schlatt, der als "Weltreisender in Sachen Karate" unglaublich spannende Geschichten aus aller Welt erzählen kann. Karate ist auf jeden Fall international, alle Karatekas sind "one big family". Im Ausland kann man sich problemlos mit und durch Karate verständigen, auch wenn man die Sprache des anderen nicht versteht. Karate als Code der zwischenmenschlichen Beziehungen - wunderbar!
Wie ich oben schon erwähnte, hatte ich grade erst das Buch von Stan Schmidt wieder einmal durchgelesen und zugeklappt. Die vielen interessanten Beschreibungen des südafrikanischem Meisters wurden durch Schlatts Erzählungen neu belebt. Ich hatte fast das Gefühl, selber bei Schlatts Erlebnissen dabei gewesen zu sein - in Südafrika, im Dojo von Keith Geyer und seinen Freunden (darüber stand auch ein toller Artikel in einem JKA-Magazin) - in Japan, im Honbu-Dojo. Nun erzählte er auch einige Geschichten der "großen Senseis", u. a. auch von Tanaka. Anlässlich eines Lehrgangs wies dieser einige Sempais an, 1000 Maegeris über einen Stuhl zu treten. Es stellte sich hinterher heraus, dass dies "zufällig" jene Sempais waren, die am darauffolgenden Nachmittag seine Golfgegner sein sollten - nach den vielen Geris hatten sie natürlich gegen Tanaka keine Chance mehr! Schlatts Sempais trugen zumeist Sweat-Shirts mit dem Vereinsnamen Ryozanpaku. Die Bedeutung sollte nach dem Mondo für uns kein Geheimnis mehr sein - Ryozanpaku heißt Rebellenlager! Und ein wenig fühlten wir uns wohl alle wie in einem Rebellenlager - oder zumindest wie bei einem Pfadfinderlager, wie kleine Kinder, die mit vor Aufregung geröteten Wangen und kullergroßen Augen den spannenden Geschichten des Lagerleiters nachts am offenen Feuer lauschten!
Die dritte Trainingseinheit wurde wieder für alle Graduierungen gemeinsam durchgeführt. Nun sollten wir -im Gegensatz zu der vorherigen Einheit- die Kata tanzen und das Kumite kämpfen. Schlatt beobachtete uns ganz genau und "erwischte" auch mich wieder dabei, wie ich beim Kumite eine zu angespannte Körperhaltung hatte. Wir sollten aber locker bleiben, uns vorstellen, dass wir je ein rohes Ei in der Achselhöhle hätten! Dann hieß es noch ein paarmal "1,2,3 Kamae" und auch diese Einheit war geschafft.
Anschließend lockte die versprochene Lehrgangsfete. Zunächst gab es ein zünftiges Chili in der Cafeteria und schon einmal das ein oder andere wohlverdiente Bierchen dazu. Dann sollte es wieder rüber in die Trainingshalle gehen - diese war jedoch nicht wieder zu erkennen! Sie war inzwischen in zwei Räumlichkeiten unterteilt. In der hinteren Hälfte hatten schon einige Lehrgangsteilnehmer damit begonnen, Schlafgelegenheiten auszubreiten. Die dicken blauen Matten, auf die alle zwecks bequemer Nachtruhe schon ein Auge geworfen hatten, waren aber im vorderen Teil der Halle schon zu großen Chill-Out-Zonen angeordnet. Überhaupt war die gesamte Hall mit viel Liebe zum Detail hübsch geschmückt und nicht wieder zu erkennen. Wer von uns jetzt aber Abrocken und sinnlosen Alkoholgenuss erwartet haben sollte, wurde erneut überrascht. Dojoleiter Dennis Albrecht hatte einen ruhigen und fast beschaulichen Feier-Abend geplant. Obwohl es mich ja zugegebener Maßen in den Beinen juckte und ich gerne das Tanzbein geschwungen hätte, war es auch so ein sehr schöner und geselliger Abend. Neben vielen interessanten Gesprächen gab es auch handgemachten irischen Gitarrenfolk. Superspät wurde es nicht und ich schätze mal so gegen 2 Uhr lagen die meisten im Schlaflager. Dennis hatte für alle Teilnehmer, auch für die vor Ort wohnenden Dojomitglieder, für diesen Abend eine Übernachtung in der Halle angeordnet, was natürlich das Gemeinschaftsgefühl förderte.
Morgens früh um 8 Uhr hieß es dann "alle antraben zum Morgenlauf". In gemäßigtem, für alle machbarem Tempo ging es dann durch die frische Luft. An einer Wegkreuzung wurden dann, als eventuelle Nachzügler aufgeschlossen waren, einige Tsukis im Stand gemacht. Nach dem Frühstück gab es dann die letzte Trainingseinheit, die von allen gemeinsam absolviert wurde. Die Unterstufe wurde hier hart gefordert, weil hier überwiegend Oberstufenkatas gefragt waren.
An dem dann anschließenden Saunabesuch nahmen wohl nur wenige Trainingsteilnehmer teil, da viele doch die zeitige Abreise bevorzugten. Da das Kangeiko in Brinkum aber zur festen Institiution werden soll, ist schon jetzt abzusehen, dass die "Sauna-Einheit" im nächsten Jahr an einem der anderen Abende stattfinden soll.
Ganz besonders erwähnen möchte ich unbedingt das herausragende Engagement von Sensei Dennis Albrecht. Obgleich er mit seinen 31 Jahren für einen Dojo-Leiter noch recht jung ist, konnte er seine Dojo-Mitglieder alle unglaublich motivieren und hat für eine perfekte Organisation gesorgt. Allein schon so eine "ungewöhnliche" Lehrgangsfete mit "Zwangsübernachtung" in der Halle zu planen, das hätte sich wohl nicht jeder getraut. Hut ab!
Also: ich werde nächstes Jahr ganz bestimmt wieder dabei sein, wenn es heißt "Kangeiko mit Schlatt in Brinkum".
Oss, Icky
Alles begann Ende des Jahres 2006. Immer auf der Suche nach inspirierenden Karate-Lehrgängen stieß ich auf die Internet-Seite des Kangeiko vom Shindokan-Dojo Brinkum. Shidokan - hört sich ja schon mal interessant an. Brinkum (bei Bremen) ist auch nicht weit. Und Trainer sollte Schlatt sein! Schlatt hatte ich bereits einmal als "Vertretung" auf dem Gasshuku 2003 in Oberstdorf erlebt. Er hatte für einen ultra-hochgraduierten japanischen Karateprofessor, der den Weg zur Halle offenbar nicht rechtzeitig bewältigen konnte, das Aufwärmtraining gegeben und auch das eigentliche Training begonnen. An die einzelnen Übungen in Oberstdorf kann ich mich ehrlich gesagt gar nicht mehr erinnern. Bleibenden Eindruck hat bei mir allerdings Schlatts Einstellung zu Disziplin und Etikette hinterlassen: bitte nicht während der Erklär-Phasen auf dem Boden herumlümmeln, sondern entweder im Seizan abhocken oder stehen bleiben, außerdem nicht quatschen sondern immer Sanshin! Wow - der Geist des Samurai!
Glücklicher Weise konnte ich meine Freundin Heide überreden, mich zu begleiten. Pünktlich vor Beginn der ersten Einheit erreichten wir -Dank guter Wegbeschreibung auf der Homepage des Shindokan und Dank Navi- die Trainingshalle. Diese war an der Shomen-Seite nicht nur mit der deutschen und der japanischen Nationalflagge geschmückt. Es war in der Mitte der Halle auch eine Empore aus Turnkästen aufgebaut und mit rotem Tuch umhüllt worden, auf der sich Bilder von den Senseis Funakoshi, Nakayama, Ochi und Tanaka befanden. Tanaka hatte ich ehrlich gesagt zunächst nicht zuordnen können. Hinterher fiel es mir aber dann wie Schuppen aus den Haaren und ich erinnerte mich auch, über ihn erst kürzlich in der Biografie von Stan Schmidt "Die leere Hand" gelesen zu haben. Hierzu mehr später.
In der gut besuchten ersten Trainingseinheit tummelten sich Karatekas aller Graduierungen in der Halle. Die Trainingsinhalte konnten daher nicht nicht gruppenspezifisch in die Tiefe gehen, sondern bezogen sich schwerpunktmäßig auf Kihon. Hier legte Schlatt besonderen Wert auf einen stabilen Stand und darauf, dass die Kraft aus dem Bauch kommen sollte - Hara. Ist es Zufall, dass grade dieser Trainingsaspekt mich momentan so beschäftigt? Oder ist es selektive Wahrnehmung? Egal - jedenfalls war ich froh, dass ich hier mal wieder eine Einheit lang gezwungen war, mich auf meine "Mitte" zu konzentrieren und nicht darauf, was meine Arme und Beine machten. Vom Kihon war es dann ein kleiner Schritt zum Partnertraining - Gohon-Kumite. Die Einheit war nicht nur von der Graduierung her gemischt, sondern auch von der Altersstruktur der Teilnehmer her. Von einem pfiffigen kleinen Violettgurt-Mädchen, was vielleicht grade mal zehn Jahre alt war bis zum ehrwürdigen schwarzbegürtelten Karateveteranen war alles dabei. Es war daher wohl nur menschlich, dass grade bei den jüngeren Teilnehmern die Konzentration manchmal nachließ und sie sich zu kleinen Albernheiten hinreißen ließen. Hier verstand aber Schlatt keinen Spaß: "Wer im Dojo lacht, weint auf der Straße!", zitierte er Saeki Sensei aus Kanada. Soll heißen: im Dojo konzentrieren und auf der Straße dann verteidigungsbereit sein. Witze reißen können wir dann nach dem Training. Während des Trainings betonte Schlatt immer wieder, wie wichtig es ist, sich auf seinen Partner einzustellen und rücksichtsvoll zu sein. Eindrucksvoll verdeutlichte er dies dann im "Zweikampf" mit dem kleinen Violettgurt-Mädchen: der große, starke Schlatt und das zarte Mädel! Das geht nur, wenn sie ihm vertrauen kann, dass er sie "leben" läßt. Sie hingegen muss jetzt erst Recht zeigen, dass sie einen starken Kampfgeist hat. Yake saka war das Stichwort. Das bedeutet: Die Trainingspartner schließen einen Vertrag miteinander - sie vertrauen sich gegenseitig, dass der jeweilige Partner nicht zu fest schlägt und den anderen nicht verletzt. In diesem Zusammenhang wurde uns die Bedeutung des Begriffs Kumite erklärt, dessen Bestandteil "Kumi" Gruppe bedeutet. Kumite ist demnach nicht Freikampf bis aufs Blut, sondern einfach "Training in der Gruppe".
Den ersten Abend ließen wir dann in einer größeren Gruppe beim Griechen ausklingen, wo es auf Kosten des Hauses Ouzo für alle gab. Hier lernte man sich dann untereinander etwas näher kennen. Ich war überrascht, dass sogar jemand aus Konstanz angereist war!
Glücklicher Weise bin ich ja mittlerweile Übernachtungen in Turnhallen gewohnt und konnte mich daher nach einer entspannenden Nachtruhe am nächsten Morgen auf mein Frühstück freuen. Dies wurde von den unermüdlichen Helfern des Shindokan in einer Cafeteria auf der anderen Straßenseite angerichtet. Also: besser gehts nicht!
Zweite Einheit. Jetzt nur Oberstufe. Kihon, Kata, Kumite - das volle Programm. Die Halle war wieder gut voll, obwohl die Unterstufe nicht dabei war. Im Wechsel liefen wir Grundschul-Bahnen und Kata-Runden. Schlatt bat uns, das am Tag zuvor erarbeitete nicht zu vergessen - stabilen Stand und Hara. Wir sollten jetzt aber das Kumite "tanzen" und die Kata "kämpfen". Hier wurde uns einiges abverlangt, denn die Kata hieß Gangaku! Es war ein tolles Gefühl, auf diese Art und Weise quasi in verschiedene Rollen zu schlüpfen - Tänzer und Kämpfer!
Mittags sollten wir nicht einfach relaxen. Es war ein Mondo angekündigt. Klar, was ein Mondo ist, wusste ich schon: ein Gespräch des Meisters mit dem Schüler (ursprünglich: des Zen-Priesters mit seinem Schüler). Aber ehrlich gesagt hatte ich noch nie ein "offizielles" Mondo geführt - weder als Schülerin, noch als Meisterin. Irgendwie hatte ich mich jetzt auf eine feierliche Versammlung im Seizan in der Turnhalle eingestellt - zumal doch Schlatt so viel Wert auf Etikette legt. Hier überraschte er mich aber wieder: Wir sollten uns zwanglos und in "Zivil" in der Cafeteria einfinden. Zur Einführung gab es eine Erklärung des Begriffs Kangeiko. Kan heißt kalt und keiko ist das "Üben einer Kunst". ein Kangeiko ist demnach kein "Lehrgang", sondern einfach das Üben traditioneller Künste im Winter. Im Gegenteil dazu ist Fußballtraining ein "rensho", also "nur" Training, keine Kunst. Achso!
Es folgte eine höchst interessante Frage- und Antwortrunde mit Schlatt, der als "Weltreisender in Sachen Karate" unglaublich spannende Geschichten aus aller Welt erzählen kann. Karate ist auf jeden Fall international, alle Karatekas sind "one big family". Im Ausland kann man sich problemlos mit und durch Karate verständigen, auch wenn man die Sprache des anderen nicht versteht. Karate als Code der zwischenmenschlichen Beziehungen - wunderbar!
Wie ich oben schon erwähnte, hatte ich grade erst das Buch von Stan Schmidt wieder einmal durchgelesen und zugeklappt. Die vielen interessanten Beschreibungen des südafrikanischem Meisters wurden durch Schlatts Erzählungen neu belebt. Ich hatte fast das Gefühl, selber bei Schlatts Erlebnissen dabei gewesen zu sein - in Südafrika, im Dojo von Keith Geyer und seinen Freunden (darüber stand auch ein toller Artikel in einem JKA-Magazin) - in Japan, im Honbu-Dojo. Nun erzählte er auch einige Geschichten der "großen Senseis", u. a. auch von Tanaka. Anlässlich eines Lehrgangs wies dieser einige Sempais an, 1000 Maegeris über einen Stuhl zu treten. Es stellte sich hinterher heraus, dass dies "zufällig" jene Sempais waren, die am darauffolgenden Nachmittag seine Golfgegner sein sollten - nach den vielen Geris hatten sie natürlich gegen Tanaka keine Chance mehr! Schlatts Sempais trugen zumeist Sweat-Shirts mit dem Vereinsnamen Ryozanpaku. Die Bedeutung sollte nach dem Mondo für uns kein Geheimnis mehr sein - Ryozanpaku heißt Rebellenlager! Und ein wenig fühlten wir uns wohl alle wie in einem Rebellenlager - oder zumindest wie bei einem Pfadfinderlager, wie kleine Kinder, die mit vor Aufregung geröteten Wangen und kullergroßen Augen den spannenden Geschichten des Lagerleiters nachts am offenen Feuer lauschten!
Die dritte Trainingseinheit wurde wieder für alle Graduierungen gemeinsam durchgeführt. Nun sollten wir -im Gegensatz zu der vorherigen Einheit- die Kata tanzen und das Kumite kämpfen. Schlatt beobachtete uns ganz genau und "erwischte" auch mich wieder dabei, wie ich beim Kumite eine zu angespannte Körperhaltung hatte. Wir sollten aber locker bleiben, uns vorstellen, dass wir je ein rohes Ei in der Achselhöhle hätten! Dann hieß es noch ein paarmal "1,2,3 Kamae" und auch diese Einheit war geschafft.
Anschließend lockte die versprochene Lehrgangsfete. Zunächst gab es ein zünftiges Chili in der Cafeteria und schon einmal das ein oder andere wohlverdiente Bierchen dazu. Dann sollte es wieder rüber in die Trainingshalle gehen - diese war jedoch nicht wieder zu erkennen! Sie war inzwischen in zwei Räumlichkeiten unterteilt. In der hinteren Hälfte hatten schon einige Lehrgangsteilnehmer damit begonnen, Schlafgelegenheiten auszubreiten. Die dicken blauen Matten, auf die alle zwecks bequemer Nachtruhe schon ein Auge geworfen hatten, waren aber im vorderen Teil der Halle schon zu großen Chill-Out-Zonen angeordnet. Überhaupt war die gesamte Hall mit viel Liebe zum Detail hübsch geschmückt und nicht wieder zu erkennen. Wer von uns jetzt aber Abrocken und sinnlosen Alkoholgenuss erwartet haben sollte, wurde erneut überrascht. Dojoleiter Dennis Albrecht hatte einen ruhigen und fast beschaulichen Feier-Abend geplant. Obwohl es mich ja zugegebener Maßen in den Beinen juckte und ich gerne das Tanzbein geschwungen hätte, war es auch so ein sehr schöner und geselliger Abend. Neben vielen interessanten Gesprächen gab es auch handgemachten irischen Gitarrenfolk. Superspät wurde es nicht und ich schätze mal so gegen 2 Uhr lagen die meisten im Schlaflager. Dennis hatte für alle Teilnehmer, auch für die vor Ort wohnenden Dojomitglieder, für diesen Abend eine Übernachtung in der Halle angeordnet, was natürlich das Gemeinschaftsgefühl förderte.
Morgens früh um 8 Uhr hieß es dann "alle antraben zum Morgenlauf". In gemäßigtem, für alle machbarem Tempo ging es dann durch die frische Luft. An einer Wegkreuzung wurden dann, als eventuelle Nachzügler aufgeschlossen waren, einige Tsukis im Stand gemacht. Nach dem Frühstück gab es dann die letzte Trainingseinheit, die von allen gemeinsam absolviert wurde. Die Unterstufe wurde hier hart gefordert, weil hier überwiegend Oberstufenkatas gefragt waren.
An dem dann anschließenden Saunabesuch nahmen wohl nur wenige Trainingsteilnehmer teil, da viele doch die zeitige Abreise bevorzugten. Da das Kangeiko in Brinkum aber zur festen Institiution werden soll, ist schon jetzt abzusehen, dass die "Sauna-Einheit" im nächsten Jahr an einem der anderen Abende stattfinden soll.
Ganz besonders erwähnen möchte ich unbedingt das herausragende Engagement von Sensei Dennis Albrecht. Obgleich er mit seinen 31 Jahren für einen Dojo-Leiter noch recht jung ist, konnte er seine Dojo-Mitglieder alle unglaublich motivieren und hat für eine perfekte Organisation gesorgt. Allein schon so eine "ungewöhnliche" Lehrgangsfete mit "Zwangsübernachtung" in der Halle zu planen, das hätte sich wohl nicht jeder getraut. Hut ab!
Also: ich werde nächstes Jahr ganz bestimmt wieder dabei sein, wenn es heißt "Kangeiko mit Schlatt in Brinkum".
Oss, Icky
Intensiv-Lehrgang mit Risto Kiiskilä Januar 2007
Intensiv-Lehrgang 2007 mit Risto Kiiskilä vom 08.-12.01.2007
Trainieren, worauf es ankommt
Das neue Jahr war kaum geschlüpft, da fand nun schon zum 13. Mal der Intensiv-Lehrgang mit Risto in seinem Dojo in Frankfurt statt. Zum 13. – aber für mich zum ersten Mal! Der Lehrgang war nicht nur intensiv, sondern auch international: Es waren deutsche Teilnehmer u. a. aus Berlin, Kamenz, Rotenburg und Münster angereist und auch Finnen aus Lahti, Oulu und Rovaniemi sowie einige Karateka aus Estland. Demzufolge waren hier wieder einmal nicht nur körperliche sondern auch sprachliche Fertigkeiten gefordert. Da kam man schon einmal ein wenig durcheinander, wen man in welcher Sprache anreden sollte und es wurde hauptsächlich „Finglisch“ gesprochen.
Auch andere dieser rund 40 Karatebegeisterten, die sich größtenteils für diese Woche extra Urlaub genommen hatten, waren wie ich schon am Sonntag vor Lehrgangsbeginn angereist. Es wurde bereits in diversen Gesprächen an diesem Abend klar: Hier wird nur trainiert, worauf es ankommt. Jedoch: Vom Violettgurt bis zum hoch graduierten Danträger – es war ein bunt gemischter Haufen an Wissbegierigen versammelt. Wie soll man da auf einen Punkt bringen, „worauf es ankommt“? Für den einen steht vielleicht die Kata im Vordergrund, der andere möchte beim Kihon etwas dazulernen und der Dritte kann es nicht abwarten, sich im Kumite zu messen. Aber egal, was uns „Bedürftigen“ auch fehlte: Risto hatte für jeden etwas im Angebot. Und wieder Mal hatte er auch jeden im Auge. Es wurde jeder Fehler gesehen, niemand konnte sich verstecken, auch nicht in „Reihe vier“.
Nach ausgiebigem Ausschlafen und Frühstücken bat Risto uns zweimal täglich ins Dojo. Zudem wurde ein eigenständiges Vorwärmen und Dehnen erwartet. Zumeist starteten wir mit Kihon oder mit Kata. Selbst wenn wir das Training einmal mit einer Art Aufwärmübung begonnen hatten, so war dies dennoch kein Aufwärmen im klassischen Sinne, welches sich nach und nach steigert und dann eine angenehme Wärme durch den Körper strömen lässt, der dadurch allmählich wach wird und sich auf die kommenden Übungen zu freuen beginnt. Nein – hier ging es gleich richtig los, so dass wir bereits nach wenigen Minuten „gut durch“ waren und man sich zu fragen begann, wie man den Rest der Einheit durchstehen sollte. Dies war vielleicht zu Beginn der Woche noch eine neue und interessante Herausforderung – je weiter die Tage jedoch durch den Kalender purzelten, desto mehr dachte man schon wieder mit Grauen an die ersten Minuten der kommenden Trainingseinheit, da die geschundenen Gliedmaßen inzwischen merklich schmerzten und auch die ein oder andere Hornhaut sich schon stante pede aus dem Staube gemacht hatte. Aber wahres Karate ist, dieses „Oh nein!“ bei der Willensbildung auszuschalten und einfach weiter zu machen.
Kaum war die Einheit jedoch fortgeschritten, hatte man keine Gelegenheit mehr, daran zu denken, was noch kommen könnte oder wie lange das Training noch dauern mag. Ähnlich dem in dem Buch „Moving Zen“ beschriebenen angestrebten Zustand waren wir alle physisch und mental so voll auf die komplexen Übungen konzentriert, dass für andere Gedanken kein Platz blieb. Selbst wenn der ein oder andere eventuell geneigt gewesen wäre, einen Blick auf die sich an der Wand befindlichen Uhr zu riskieren, so wurde die Sicht doch meist durch das durch den Schweiß verursachte Brennen in den Augen fast unmöglich.
Etwas mehr Beweglichkeit, bitte! Darauf legte Risto wie immer viel Wert. Beweglichkeit ja – aber bitte keine unnötigen Bewegungen, wie z. B. meine redundanten Ausholbewegungen vor dem Gyaku-Tsuki oder bitte kein unnützes Herumrudern mit den Armen bei der Ausführung der Fußtritte oder -feger. Die Beweglichkeit sollte vielmehr in der Hüfte vorhanden sein. Hüfte, was ist das eigentlich? Wer sich von den Teilnehmern jetzt verstohlen an die Körperseite in Höhe der Pobacken fasste, der ging fehl: Die Hüften sitzen laut Risto „in den Oberschenkeln“. Das dort oberhalb ist lediglich der Knochen. Will meinen: Die Hüftdrehung muss ihren Impuls aus den Oberschenkeln bekommen. Ich weiß nicht, wie viele Hüftdrehungen ich in dieser Woche versucht habe. Ich weiß nur, dass meine Hüftknochen an die Grenze ihrer Belastbarkeit gekommen und mir jetzt immer noch gram sind. Sicher ist für mich: Ristos Hüften müssen aus Gummi bestehen! Anders ist diese Beweglichkeit für mich nicht erklärbar!
Regelgerechte Spannung und Entspannung der Muskeln – und zwar beides jeweils im richtigen Moment. Das ist ein weiterer Baustein für präzise Karatetechniken. Nur so kann z. B. der Tsuki auf den Punkt gebracht und kontrolliert werden. Nur so kann das Rückgrat des Gegners anvisiert, der Fauststoß dennoch im letzten Moment gestoppt werden. Nur so werden die Techniken nicht geschoben, sondern gestoßen. Zudem spart es Energie, denn eine permanente Anspannung erschöpft viel mehr als die kurze aber explosive Kraftaufwendung. Schließlich ermöglicht die perfekte Balance aus Spannung und Entspannung auch eine schnellere Ausführung der Techniken, so dass man im Kampf den entscheidenden Sekunden-Bruchteil eher am Gegner ist, als dieser einen hätte treffen können.
i-Tüpfelchen war wieder einmal die exakte Atemtechnik, auf die Risto wie immer genauestens achtete. Wenn die Bewegungen zu langsam waren, lag es möglicher Weise schlicht an der zu langsamen Atmung. U-We war diesmal nicht dabei und auch Ha-Ha-hatten wir diesmal nicht viel zu lachen. Dafür hatten wir im Rhythmus ganzer Symphonien zu atmen, um bei den komplexen Übungen die einzelnen Techniken jeweils richtig zu betonen. Dies animierte gar die verletzungsbedingt auf den Zuschauerrang verwiesenen Lehrgangsteilnehmer dazu, uns mit fiktiven Taktstöcken zu dirigieren.
Schwerpunktverlagerung und Standbein benutzen – hiermit und mit der daraus resultierenden Kraftübertragung wird das Risto-Puzzle komplett. Die Übungspalette war umfangreich. Block und Konter, Vor-Seit-Vor-Bewegungen um den Gegner zu täuschen oder sich ihm fast unbemerkt zu nähern, Suri-Ashi vor, seitlich, zurück - das Rascheln und Rauschen der über die Tatamis wischenden Fußsohlen wurde nur selten von dem draußen tobendem Wintersturm oder dem prasselndem Regen übertönt. Am Ende einer jeden Trainingseinheit hatten wir dann alle die Gelegenheit, zu überprüfen: Hatten wir gemerkt und genug geübt „worauf es ankommt“? Dann hieß es nämlich immer „locker Freikampf“ – und zwar egal, wie müde oder kaputt wir schon waren. Jetzt kam quasi die Stunde der Wahrheit und die Interpretation des Wörtchens „locker“ hat wahrlich eine große Spannbreite! Es war für mich unglaublich faszinierend, wie unterschiedlich meine Gegner waren! Vom finnischen Nationalkadermitglied Mika über die brillanten Athleten aus z. B. Berlin und Kamenz zu einigen nicht weniger motivierten Karate-Veteranen war alles dabei. Mein erklärter Lieblingsgegner war der mir sowohl in Alter als auch Karatepräzision bereits vorausgeeilte Pavo aus Oulu. Kämpften wir miteinander, knisterte die Luft zwischen uns förmlich vor Spannung! So macht Karate Spaß!
Theorie – auch neben den Übungen zur Leibesertüchtigung wurde uns allerhand abverlangt. Und dies nicht nur in den endlos scheinenden nächtlichen Diskussionen über das Für und Wider spezieller Techniken oder der Frage, ob es sich bei der Aufbewahrung von Bier in Plastikflaschen um einen Stilbruch handelte! Nein, dieser Lehrgang beinhaltete auch eine ganz besondere Neuheit: Durch Andreas Förster, Inhaber des Fitnessstudios Inform und Mitglied des Karatevereins Bushido Berlin, wurde uns in einem fünfstündigen Lehrgang der „Fitnessführerschein“ vermittelt. Andreas verfügt als Diplomsportlehrer und langjähriger Danträger über umfangreiches Hintergrundwissen zum Thema Fitness. In diesem Kurs wurden uns erahnte oder fast wieder vergessene Hintergründe bezüglich körperlicher Vorgänge wie Muskelaufbau und Pulsfrequenz vermittelt. Es wurde uns aber auch verdeutlicht, welche unterschiedlichen Trainingsziele beim Fitnesstraining verfolgt und wie diese erreicht werden könnten. Durch die praktische Veranschaulichung einzelner Muskelgruppen anhand von „Modell Claudia“ oder die eindrucksvollen Vorführungen einiger Fitness-Neulinge beim Bankdrücken oder Butterfly wurden die theoretischen Unterweisungen aufgelockert. Ich bin mir sicher, dass der Fitnessführerschein den ein oder anderen zu konsequenterem Fitness- oder Ausdauer-Training neben dem Karate motiviert hat. Jedenfalls fassten sich überraschend viele Lehrgangsteilnehmer schon im Verlauf der folgenden Trainingseinheiten hin und wieder mal an die Schlagader, um den Puls zu messen.
Oh ja, ich gebe es zu: Ich war sehr froh, als ich meine letzte Trainingseinheit unverletzt überstanden hatte. So wurde mir auch wohl nur halb im Scherz bei der Verabschiedung zu meinem ersten überstandenen Intensiv-Lehrgang gratuliert. Andererseits ratterten bei mir bereits auf dem Rückweg im Zug schon die Gedanken, wie ich das, was ich auf dem Lehrgang vermittelt bekommen hatte, wohl in den nächsten Wochen üben werde. Ich werde vermutlich so lange über den heimischen Parkettboden rutschen, bis das in Kürze vorgesehene Abschleifen des Holzes überflüssig geworden sein wird.
Trainieren, worauf es ankommt
Das neue Jahr war kaum geschlüpft, da fand nun schon zum 13. Mal der Intensiv-Lehrgang mit Risto in seinem Dojo in Frankfurt statt. Zum 13. – aber für mich zum ersten Mal! Der Lehrgang war nicht nur intensiv, sondern auch international: Es waren deutsche Teilnehmer u. a. aus Berlin, Kamenz, Rotenburg und Münster angereist und auch Finnen aus Lahti, Oulu und Rovaniemi sowie einige Karateka aus Estland. Demzufolge waren hier wieder einmal nicht nur körperliche sondern auch sprachliche Fertigkeiten gefordert. Da kam man schon einmal ein wenig durcheinander, wen man in welcher Sprache anreden sollte und es wurde hauptsächlich „Finglisch“ gesprochen.
Auch andere dieser rund 40 Karatebegeisterten, die sich größtenteils für diese Woche extra Urlaub genommen hatten, waren wie ich schon am Sonntag vor Lehrgangsbeginn angereist. Es wurde bereits in diversen Gesprächen an diesem Abend klar: Hier wird nur trainiert, worauf es ankommt. Jedoch: Vom Violettgurt bis zum hoch graduierten Danträger – es war ein bunt gemischter Haufen an Wissbegierigen versammelt. Wie soll man da auf einen Punkt bringen, „worauf es ankommt“? Für den einen steht vielleicht die Kata im Vordergrund, der andere möchte beim Kihon etwas dazulernen und der Dritte kann es nicht abwarten, sich im Kumite zu messen. Aber egal, was uns „Bedürftigen“ auch fehlte: Risto hatte für jeden etwas im Angebot. Und wieder Mal hatte er auch jeden im Auge. Es wurde jeder Fehler gesehen, niemand konnte sich verstecken, auch nicht in „Reihe vier“.
Nach ausgiebigem Ausschlafen und Frühstücken bat Risto uns zweimal täglich ins Dojo. Zudem wurde ein eigenständiges Vorwärmen und Dehnen erwartet. Zumeist starteten wir mit Kihon oder mit Kata. Selbst wenn wir das Training einmal mit einer Art Aufwärmübung begonnen hatten, so war dies dennoch kein Aufwärmen im klassischen Sinne, welches sich nach und nach steigert und dann eine angenehme Wärme durch den Körper strömen lässt, der dadurch allmählich wach wird und sich auf die kommenden Übungen zu freuen beginnt. Nein – hier ging es gleich richtig los, so dass wir bereits nach wenigen Minuten „gut durch“ waren und man sich zu fragen begann, wie man den Rest der Einheit durchstehen sollte. Dies war vielleicht zu Beginn der Woche noch eine neue und interessante Herausforderung – je weiter die Tage jedoch durch den Kalender purzelten, desto mehr dachte man schon wieder mit Grauen an die ersten Minuten der kommenden Trainingseinheit, da die geschundenen Gliedmaßen inzwischen merklich schmerzten und auch die ein oder andere Hornhaut sich schon stante pede aus dem Staube gemacht hatte. Aber wahres Karate ist, dieses „Oh nein!“ bei der Willensbildung auszuschalten und einfach weiter zu machen.
Kaum war die Einheit jedoch fortgeschritten, hatte man keine Gelegenheit mehr, daran zu denken, was noch kommen könnte oder wie lange das Training noch dauern mag. Ähnlich dem in dem Buch „Moving Zen“ beschriebenen angestrebten Zustand waren wir alle physisch und mental so voll auf die komplexen Übungen konzentriert, dass für andere Gedanken kein Platz blieb. Selbst wenn der ein oder andere eventuell geneigt gewesen wäre, einen Blick auf die sich an der Wand befindlichen Uhr zu riskieren, so wurde die Sicht doch meist durch das durch den Schweiß verursachte Brennen in den Augen fast unmöglich.
Etwas mehr Beweglichkeit, bitte! Darauf legte Risto wie immer viel Wert. Beweglichkeit ja – aber bitte keine unnötigen Bewegungen, wie z. B. meine redundanten Ausholbewegungen vor dem Gyaku-Tsuki oder bitte kein unnützes Herumrudern mit den Armen bei der Ausführung der Fußtritte oder -feger. Die Beweglichkeit sollte vielmehr in der Hüfte vorhanden sein. Hüfte, was ist das eigentlich? Wer sich von den Teilnehmern jetzt verstohlen an die Körperseite in Höhe der Pobacken fasste, der ging fehl: Die Hüften sitzen laut Risto „in den Oberschenkeln“. Das dort oberhalb ist lediglich der Knochen. Will meinen: Die Hüftdrehung muss ihren Impuls aus den Oberschenkeln bekommen. Ich weiß nicht, wie viele Hüftdrehungen ich in dieser Woche versucht habe. Ich weiß nur, dass meine Hüftknochen an die Grenze ihrer Belastbarkeit gekommen und mir jetzt immer noch gram sind. Sicher ist für mich: Ristos Hüften müssen aus Gummi bestehen! Anders ist diese Beweglichkeit für mich nicht erklärbar!
Regelgerechte Spannung und Entspannung der Muskeln – und zwar beides jeweils im richtigen Moment. Das ist ein weiterer Baustein für präzise Karatetechniken. Nur so kann z. B. der Tsuki auf den Punkt gebracht und kontrolliert werden. Nur so kann das Rückgrat des Gegners anvisiert, der Fauststoß dennoch im letzten Moment gestoppt werden. Nur so werden die Techniken nicht geschoben, sondern gestoßen. Zudem spart es Energie, denn eine permanente Anspannung erschöpft viel mehr als die kurze aber explosive Kraftaufwendung. Schließlich ermöglicht die perfekte Balance aus Spannung und Entspannung auch eine schnellere Ausführung der Techniken, so dass man im Kampf den entscheidenden Sekunden-Bruchteil eher am Gegner ist, als dieser einen hätte treffen können.
i-Tüpfelchen war wieder einmal die exakte Atemtechnik, auf die Risto wie immer genauestens achtete. Wenn die Bewegungen zu langsam waren, lag es möglicher Weise schlicht an der zu langsamen Atmung. U-We war diesmal nicht dabei und auch Ha-Ha-hatten wir diesmal nicht viel zu lachen. Dafür hatten wir im Rhythmus ganzer Symphonien zu atmen, um bei den komplexen Übungen die einzelnen Techniken jeweils richtig zu betonen. Dies animierte gar die verletzungsbedingt auf den Zuschauerrang verwiesenen Lehrgangsteilnehmer dazu, uns mit fiktiven Taktstöcken zu dirigieren.
Schwerpunktverlagerung und Standbein benutzen – hiermit und mit der daraus resultierenden Kraftübertragung wird das Risto-Puzzle komplett. Die Übungspalette war umfangreich. Block und Konter, Vor-Seit-Vor-Bewegungen um den Gegner zu täuschen oder sich ihm fast unbemerkt zu nähern, Suri-Ashi vor, seitlich, zurück - das Rascheln und Rauschen der über die Tatamis wischenden Fußsohlen wurde nur selten von dem draußen tobendem Wintersturm oder dem prasselndem Regen übertönt. Am Ende einer jeden Trainingseinheit hatten wir dann alle die Gelegenheit, zu überprüfen: Hatten wir gemerkt und genug geübt „worauf es ankommt“? Dann hieß es nämlich immer „locker Freikampf“ – und zwar egal, wie müde oder kaputt wir schon waren. Jetzt kam quasi die Stunde der Wahrheit und die Interpretation des Wörtchens „locker“ hat wahrlich eine große Spannbreite! Es war für mich unglaublich faszinierend, wie unterschiedlich meine Gegner waren! Vom finnischen Nationalkadermitglied Mika über die brillanten Athleten aus z. B. Berlin und Kamenz zu einigen nicht weniger motivierten Karate-Veteranen war alles dabei. Mein erklärter Lieblingsgegner war der mir sowohl in Alter als auch Karatepräzision bereits vorausgeeilte Pavo aus Oulu. Kämpften wir miteinander, knisterte die Luft zwischen uns förmlich vor Spannung! So macht Karate Spaß!
Theorie – auch neben den Übungen zur Leibesertüchtigung wurde uns allerhand abverlangt. Und dies nicht nur in den endlos scheinenden nächtlichen Diskussionen über das Für und Wider spezieller Techniken oder der Frage, ob es sich bei der Aufbewahrung von Bier in Plastikflaschen um einen Stilbruch handelte! Nein, dieser Lehrgang beinhaltete auch eine ganz besondere Neuheit: Durch Andreas Förster, Inhaber des Fitnessstudios Inform und Mitglied des Karatevereins Bushido Berlin, wurde uns in einem fünfstündigen Lehrgang der „Fitnessführerschein“ vermittelt. Andreas verfügt als Diplomsportlehrer und langjähriger Danträger über umfangreiches Hintergrundwissen zum Thema Fitness. In diesem Kurs wurden uns erahnte oder fast wieder vergessene Hintergründe bezüglich körperlicher Vorgänge wie Muskelaufbau und Pulsfrequenz vermittelt. Es wurde uns aber auch verdeutlicht, welche unterschiedlichen Trainingsziele beim Fitnesstraining verfolgt und wie diese erreicht werden könnten. Durch die praktische Veranschaulichung einzelner Muskelgruppen anhand von „Modell Claudia“ oder die eindrucksvollen Vorführungen einiger Fitness-Neulinge beim Bankdrücken oder Butterfly wurden die theoretischen Unterweisungen aufgelockert. Ich bin mir sicher, dass der Fitnessführerschein den ein oder anderen zu konsequenterem Fitness- oder Ausdauer-Training neben dem Karate motiviert hat. Jedenfalls fassten sich überraschend viele Lehrgangsteilnehmer schon im Verlauf der folgenden Trainingseinheiten hin und wieder mal an die Schlagader, um den Puls zu messen.
Oh ja, ich gebe es zu: Ich war sehr froh, als ich meine letzte Trainingseinheit unverletzt überstanden hatte. So wurde mir auch wohl nur halb im Scherz bei der Verabschiedung zu meinem ersten überstandenen Intensiv-Lehrgang gratuliert. Andererseits ratterten bei mir bereits auf dem Rückweg im Zug schon die Gedanken, wie ich das, was ich auf dem Lehrgang vermittelt bekommen hatte, wohl in den nächsten Wochen üben werde. Ich werde vermutlich so lange über den heimischen Parkettboden rutschen, bis das in Kürze vorgesehene Abschleifen des Holzes überflüssig geworden sein wird.
Weihnachtslehrgang mit Risto Kiiskilä 2006
Hauskaa Joulua!
Eine schöne Bescherung
Wie sich der sprachbegabte Leser denken kann, ist „Hauskaa Joulua“ ein finnischer Weihnachtsgruß und wer die letzten Ausgaben dieses Heftes aufmerksam durchgelesen hat, der kann sich vielleicht erinnern, dass mein Name häufig im Zusammenhang mit Finnland auftauchte. Genauer gesagt: im Zusammenhang mit einem finnischen Trainer. Um es auf den Punkt zu bringen: mit Risto Kiiskilä. Regelmäßig verzweifele ich, wenn ich versuche, mich von ihm im Karate unterweisen zu lassen (und vermutlich ist es umgekehrt genauso). Aber ich gebe nicht auf. Ein wenig möchte ich das auch lernen, so zu kämpfen und meinem Trainingspartner zurufen können "Feel the Ippon!“, was ja auch Ristos Trainings-Motto ist. Also nix wie ab zum Weihnachtslehrgang nach Frankfurt. Schließlich sollte der Trainingseifer ja auch am Samstag Abend mit einer Weihnachtsfeier belohnt werden! Was mir nicht so bewusst war: Es handelte sich offensichtlich eher um einen Dojo-internen Kurs und so war mir diesmal wenigstens der "Pokal für die weiteste Anreise" gegönnt! Risto wusste es offensichtlich sehr zu schätzen, dass ich keine Kosten und Mühen gescheut hatte und mich, den drei Weisen aus dem Morgenlande ähnlich, auf den weiten Weg gemacht hatte, um dem Stern der Karate-Erleuchtung zu folgen. Aber statt der heiligen Familie im Stall erwartete mich hier Kumite mit Knall! Risto wollte mir wohl ein ganz besonderes - und vielleicht besonders finnisches? - Weihnachtsgeschenk bereiten: Ich durfte (wieder einmal) ständig nach vorne kommen und meine unzureichenden Karatetechniken demonstrieren, damit diese von allen Lehrgangsteilnehmern durchdiskutiert werden konnten. So nach der cirka zehnten Korrektur sank bei mir allmählich der Motivationsspiegel und ich konnte mich immer schlechter auf die eigentliche Übung konzentrieren, spürte ich doch ständig diesen wie einen finnischen Moskito stechenden Blick im Rücken! Statt der Hirten auf dem Felde hatte ich zum Glück meine unendlich geduldigen Trainingspartner, die mir immer wieder den Weg wiesen, damit ich zu meiner ganz besonderen Weihnachts-Bescherung finden konnte: Nach und nach reifte zumindest theoretisch die Kenntnis über das, "worauf es ankommt".
Wille, Geduld und Mühe, statt Weihrauch, Gold und Myrrhe
Das waren meine "Gaben", die ich den frisch gewonnenen Erkenntnissen opfern musste. Und was habe ich mitgenommen? Auf jeden Fall viele bunte Päckchen mit Hausaufgaben, die es nun im heimatlichen Dojo auszupacken gilt. Die vielen Trainings-Inspirationen konnte ich unmöglich alle innerhalb der drei Übungseinheiten verinnerlichen, auch wenn die beiden Lektionen am Samstag je zwei Stunden dauerten. Gewichtsverlagerung, Suri-Ashi, die "Zwei-Ippon-Theorie", das Nicht-Ausholen vor dem Gyaku-Tsuki, Schultern runter, Tsuki "mit dem Ellenbogen" schlagen, nicht nur mit der Faust, Abdruck aus dem hinteren Bein nicht vergessen usw., usw. Wie so viele der Beschenkten jedes Jahr aufs Neue die x-te Krawatte, das zig-ste Parfum zur Bescherung erhalten, so waren auch mir einige der "Geschenke" Ristos in der Vergangenheit schon einmal vermittelt worden. Aber manches nutzt sich mit der Zeit ab oder verbraucht sich und man kann diese Gaben ruhig einmal auffrischen, sei es auch nur mit dem "Ach-jaaaa"-Effekt.
"Umtausch ausgeschlossen!"
Das sollte sich bei Geschenken von selbst verstehen. Und normaler Weise soll man ja das, was man selber geschenkt bekam, nicht weiter geben. Nicht so aber in Ristos Dojo. Und zum Glück. Denn so konnte ich von dem reichen Erfahrungsschatz meiner "Hirten" profitieren, die ihre von Risto vermittelten Kenntnisse an mich weitergaben und für mich das weihnachtliche "Polarlicht" der Kata Hokkyokuko an den Himmel gezaubert haben.
Mondo unterm Mistelzweig
Auch wenn nur im symbolischen Sinne, denn mit dem traditionellen Grün war das Dojo nicht bestückt. Wohl aber mit Lichterketten, Kerzenschein und reichlich guter Laune. So ergaben sich bei der dem Lehrgang folgenden Weihnachtsfeier viele nette und interessante Gespräche. Es wurden Mail-Adressen ausgetauscht, Lappland-Aufenthalte geplant, Bücher diskutiert oder einfach nur gelacht und Spaß gehabt. Vielleicht war die Atmosphäre nicht ganz so besinnlich wie damals bei Maria und Josef im Stall dafür aber etwas lockerer und lustiger. Kurz bevor ich freundlicher Weise mit dem quasi Dojo-eigenen Taxi zu meiner Unterkunft gebracht wurde, verabschiedete ich mich von meinem Gastgeber und meinen "Hirten" und hoffte zumindest, dass ich an diesem weihnachtlichen Lehrgang nicht ausgerechnet der Esel im Stall gewesen bin.
Oss, Icky
Eine schöne Bescherung
Wie sich der sprachbegabte Leser denken kann, ist „Hauskaa Joulua“ ein finnischer Weihnachtsgruß und wer die letzten Ausgaben dieses Heftes aufmerksam durchgelesen hat, der kann sich vielleicht erinnern, dass mein Name häufig im Zusammenhang mit Finnland auftauchte. Genauer gesagt: im Zusammenhang mit einem finnischen Trainer. Um es auf den Punkt zu bringen: mit Risto Kiiskilä. Regelmäßig verzweifele ich, wenn ich versuche, mich von ihm im Karate unterweisen zu lassen (und vermutlich ist es umgekehrt genauso). Aber ich gebe nicht auf. Ein wenig möchte ich das auch lernen, so zu kämpfen und meinem Trainingspartner zurufen können "Feel the Ippon!“, was ja auch Ristos Trainings-Motto ist. Also nix wie ab zum Weihnachtslehrgang nach Frankfurt. Schließlich sollte der Trainingseifer ja auch am Samstag Abend mit einer Weihnachtsfeier belohnt werden! Was mir nicht so bewusst war: Es handelte sich offensichtlich eher um einen Dojo-internen Kurs und so war mir diesmal wenigstens der "Pokal für die weiteste Anreise" gegönnt! Risto wusste es offensichtlich sehr zu schätzen, dass ich keine Kosten und Mühen gescheut hatte und mich, den drei Weisen aus dem Morgenlande ähnlich, auf den weiten Weg gemacht hatte, um dem Stern der Karate-Erleuchtung zu folgen. Aber statt der heiligen Familie im Stall erwartete mich hier Kumite mit Knall! Risto wollte mir wohl ein ganz besonderes - und vielleicht besonders finnisches? - Weihnachtsgeschenk bereiten: Ich durfte (wieder einmal) ständig nach vorne kommen und meine unzureichenden Karatetechniken demonstrieren, damit diese von allen Lehrgangsteilnehmern durchdiskutiert werden konnten. So nach der cirka zehnten Korrektur sank bei mir allmählich der Motivationsspiegel und ich konnte mich immer schlechter auf die eigentliche Übung konzentrieren, spürte ich doch ständig diesen wie einen finnischen Moskito stechenden Blick im Rücken! Statt der Hirten auf dem Felde hatte ich zum Glück meine unendlich geduldigen Trainingspartner, die mir immer wieder den Weg wiesen, damit ich zu meiner ganz besonderen Weihnachts-Bescherung finden konnte: Nach und nach reifte zumindest theoretisch die Kenntnis über das, "worauf es ankommt".
Wille, Geduld und Mühe, statt Weihrauch, Gold und Myrrhe
Das waren meine "Gaben", die ich den frisch gewonnenen Erkenntnissen opfern musste. Und was habe ich mitgenommen? Auf jeden Fall viele bunte Päckchen mit Hausaufgaben, die es nun im heimatlichen Dojo auszupacken gilt. Die vielen Trainings-Inspirationen konnte ich unmöglich alle innerhalb der drei Übungseinheiten verinnerlichen, auch wenn die beiden Lektionen am Samstag je zwei Stunden dauerten. Gewichtsverlagerung, Suri-Ashi, die "Zwei-Ippon-Theorie", das Nicht-Ausholen vor dem Gyaku-Tsuki, Schultern runter, Tsuki "mit dem Ellenbogen" schlagen, nicht nur mit der Faust, Abdruck aus dem hinteren Bein nicht vergessen usw., usw. Wie so viele der Beschenkten jedes Jahr aufs Neue die x-te Krawatte, das zig-ste Parfum zur Bescherung erhalten, so waren auch mir einige der "Geschenke" Ristos in der Vergangenheit schon einmal vermittelt worden. Aber manches nutzt sich mit der Zeit ab oder verbraucht sich und man kann diese Gaben ruhig einmal auffrischen, sei es auch nur mit dem "Ach-jaaaa"-Effekt.
"Umtausch ausgeschlossen!"
Das sollte sich bei Geschenken von selbst verstehen. Und normaler Weise soll man ja das, was man selber geschenkt bekam, nicht weiter geben. Nicht so aber in Ristos Dojo. Und zum Glück. Denn so konnte ich von dem reichen Erfahrungsschatz meiner "Hirten" profitieren, die ihre von Risto vermittelten Kenntnisse an mich weitergaben und für mich das weihnachtliche "Polarlicht" der Kata Hokkyokuko an den Himmel gezaubert haben.
Mondo unterm Mistelzweig
Auch wenn nur im symbolischen Sinne, denn mit dem traditionellen Grün war das Dojo nicht bestückt. Wohl aber mit Lichterketten, Kerzenschein und reichlich guter Laune. So ergaben sich bei der dem Lehrgang folgenden Weihnachtsfeier viele nette und interessante Gespräche. Es wurden Mail-Adressen ausgetauscht, Lappland-Aufenthalte geplant, Bücher diskutiert oder einfach nur gelacht und Spaß gehabt. Vielleicht war die Atmosphäre nicht ganz so besinnlich wie damals bei Maria und Josef im Stall dafür aber etwas lockerer und lustiger. Kurz bevor ich freundlicher Weise mit dem quasi Dojo-eigenen Taxi zu meiner Unterkunft gebracht wurde, verabschiedete ich mich von meinem Gastgeber und meinen "Hirten" und hoffte zumindest, dass ich an diesem weihnachtlichen Lehrgang nicht ausgerechnet der Esel im Stall gewesen bin.
Oss, Icky
Gasshuku 2006 in Immenstadt
Trainer, Tipps und Turnhallen
Zu Beginn möchte ich meinen Sensei Michael –sinngemäß- zitieren: „Wenn ich einen Tsuki ausführe, schicke ich Energie in die Welt. Diese Energie verliert sich dann aber nicht im Nichts, sondern geht einmal um die Welt und kommt dann zu mir zurück.“ Wow! Das war treffend formuliert! Daher kommt es also, dass ich mich trotz Kräfte zehrender Karatetechniken selten ausgepowert fühle, sondern selbst nach einem Gasshuku voller Grenzerfahrungen ein einziges Energiepaket und kaum zu bremsen bin!
Nach dem Gasshuku 2003 in Oberstdorf war der in Immenstadt nun mein zweiter. Übernachtung in der Halle….ob ich das in meinem hohen Alter wirklich noch brauche? Egal, es war allemal interessant und geschlafen haben wir sowieso nicht viel! Die Zeit verging auch viel zu schnell in unserer tollen Truppe.
Jeder, der schon einmal an einem Gasshuku teilgenommen hat, weiß, dass dies eine äußerst vielseitige Veranstaltung ist. Einige Trainer waren mir bekannt, auf andere war ich gespannt. Die Übungen „meines“ Risto waren mir inzwischen einigermaßen vertraut, dafür überraschte mich Shihan Sugimura mit dem Kizami Gyaku-Tsuki (Gyaku-Tsuki ohne Hüfteinsatz).
Ken Whitstock begeisterte mich nicht nur wegen seiner Bekanntschaft mit dem legendären Stan Schmidt sondern auch wegen seiner die volle Konzentration beanspruchenden 1a, 2b, 3c usw. – Übungen! Zum Glück hatte ich in der ersten Einheit dieser Art einen tollen Partner, der mir hier über die Runden half. Als wir in der allerletzten Einheit am Freitag-Nachmittag auf diesen Übungen aufbauten, konnte ich meiner jetzigen Partnerin (einer frischgebackenen Dan-Trägerin) die Hilfe und Unterstützung weitergeben.
Man munkelt, dass die Feuchtigkeit auf dem Hallenboden während der Einheit von Shinji Akita nicht nur vom Schweiß der Frauen herrührt. Sein Hüfteinsatz war ja schon immer auch einige Tränen der Rührung wert (Achtung: Zensur ;-)). Aber nun novellierte er mal eben den Kiba-Dachi: Knie nicht so wahnsinnig weit nach außen, sondern eher mit Außenspannung
nach vorne. So konnte man den Stand direkt aushalten, stand trotzdem tief und konnte damit sogar zehnmal hintereinander die Tekki-Shodan laufen. Super spannend war auch seine Tekki-Shodan-Bunkai mit zwei Gegnern! Hier hatte ich einen netten Partner, "Martin aus dem nördlichen Saarland" und einen superstarken und ziemlich
beeindruckenden Kerl namens Markus – nicht mehr ganz jung aber mit dem Geist eines Samurai im Blick!!! Glücklicher Weise verloren die zwei bei mir nie das für Karateübungen so wichtige Augenzwinkern!
Julian Chees bekam als Gasshuku-Neuling bei der Abschlussfeier im Hofgarten die Hosen aus und die obligatorischen Krachledernen übergezogen. Er hatte mich als Kata-Ass schwer beeindruckt. Leider waren seine Bunkai-Übungen sehr komplex und lang und ich hatte ausgerechnet in seiner frühmorgendlichen Kata-Einheit keinen starken Partner, der mich über die Runden retten konnte.
Takayuki Mikami aus den USA bestach durch seine wiederholt höfliche Frage: „Has anybody any questions?“ Na, als wenn einer die Hand hebt und sagt: „Ähhh, kann ich das im Mittelteil noch mal hören?“ Aber es kam auch so alles ganz gut über, auch auf Englisch.
Tomio Imamuro – der strenge Herr aus Japan! Huch! War das der Geist des Karate? Leer wie die Hand unserer Kampfkunst schien seine Mimik zu sein. Er verzog kein Mal das Gesicht zu einem Lächeln. Seine Übungen waren hart und anspruchsvoll. Ganz sicher auch eine Art, zu motivieren. Vielleicht ist es typisch europäisch, so zu denken oder ich bin einfach
noch nicht reif genug, aber – soll Karate nicht auch ein wenig Spaß machen??? Mich motiviert ein Trainer am Besten, wenn er streng und genau ist, aber das Lächeln nicht verlernt hat. An Sonn- und Feiertagen darf er vielleicht auch mal ein –kleines- Lob aussprechen... ;-)
Das Training bei Keiichi Kasajima aus Luxembourg hatte den entscheidenden Nachteil, dass
der Sensei japanösisch sprach und selbst der gute alte Schlatt hier manchmal überfragt war und nicht alles übersetzen konnte. Da wir aber mit wachsamem Auge folgten, war es hier auch nicht immer erforderlich, jedes Wort zu verstehen. Kasajimas Weisheiten beeindruckten vermutlich eher die älteren Karateka wie mich. Er meinte einmal, dass jeder sein persönliches Karate macht. Ein 20-jähriger macht eben wie ein 20-jähriger Karate, ein 40-jähriger wie ein 40-jähriger und ein 60-jähriger wie ein 60-jähriger. Kasajijma hat es nicht gesagt, aber den
Unterschied könnte ich mir so vorstellen, dass der 60-jährige vor dem Kumite nicht den Zahnschutz hinein, sondern die (dritten) Zähne herausnimmt. Ist auch egal, jedenfalls trifft es wohl zu: Jeder macht sein Ding und schon ich merke mit meinen zarten 38 Jahren, dass es mir
zunehmend schwer fällt, sehr komplexe Abläufe zu verstehen und prompt umzusetzen. Da war ich auf dem Lehrgang echt immer froh, wenn ich geduldige und hilfsbereite Partner hatte.
Was für eine Fülle an Trainern! Dazwischen –vor allem Abends- noch beeindruckende Gespräche im Kreise der Trainierenden. So hatte ich z. B. die Ehre, Risto Kiiskilä ca. eine Stunde seiner wertvollen Zeit zu stehlen und ihm eine Frikadelle ans Knie zu quatschen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich schätze, für ihn war dieses Gespräch eine Übung der Dojo-Kun-Grundsätze „sei höflich“ und „sei geduldig“....;-)) Ich traf ihn vor der Tribüne, folgte ihm dann wie ein Hündchen in die Bar und in die Eingangshalle, bis er mich fragte, ob ich mich mit ihm nach draußen setzen wollte....“Ähhh, Risto, es regnet in Strömen.“ „Ist egal. Wir
setzen uns unter den Pavillion. Wenn wir den Anfang machen, kommen die anderen nach.“ Es kam aber keiner und so musste er sich mit mir begnügen und ich konnte mit meinen frisch gewonnenen Finnisch-Kenntnissen angeben sowie ihn ein wenig über die Geheimnisse seines Karate ausquetschen.
Leider war ansonsten die Geselligkeit ein wenig dadurch getrübt, dass es keinen zentralen Anlaufpunkt gab. So habe ich z. B. aus der Gruppe ab 2. Dan kaum Bekannte getroffen. Klasse war natürlich die Lehrgangsparty am Mittwoch mit super Musik und guter Stimmung. Donnerstag fand der Vergleichskampf statt, den ich mir aber entgehen ließ, da ich zu der Zeit die angenehme Leere in unserem thailändischen Stamm-Restaurant genoss, in welchem ich mit Olli Lich zu Abend aß und über Gott und die Welt philosophierte. Anschließend wollten wir dann doch noch zu der Halle, in der der Vergleichskampf stattfand, aber da strömten uns die Massen schon wieder entgegen. Es war dann nur noch eine handvoll Bekannter dort anzutreffen. Dennoch hatte der Abend es noch in sich: Ich wurde nämlich versehentlich zusammen mit einem Karateka aus Bottrop in der Turnhalle eingesperrt und musste mit ihm dort die ganze Nacht verbringen. Warum passiert eigentlich immer MIR so etwas?????
Für mich etwas gewöhnungsbedürftig war dagegen der traditionelle Bayrische Abend am letzten Lehrgangstag! Das war mir dann doch etwas zuuu authentisch: der Saal, in dem am Mittwoch noch bei Discolicht der Pabst boxte, war nun hell ausgeleuchtet und mit Biergartengarnituren bestückt. Das war nicht wirklich gemütlich. Normaler Weise bin ich ein ausgesprochener Fan von Live-Musik. Ist fast egal, was gespielt wird, sobald es handgemacht ist, gefällt es mir schon von alleine….aber das krachlederne Trio an dem Abend…also, das lud nicht grade zum Tanzen ein. Aber Karateka sind ein dankbares Volk….nach einigen Bierchen fingen direkt welche an zu tanzen und ich gesellte mich dazu. Besonders Gert aus Wesel und seine Freundin Andrea waren treue Tanzgefährten. So hatten wir auch an diesem Abend neben sehr vielen netten Gesprächen auch musikalisch noch reichlich Spaß und haben den Gasshuku noch würdig ausklingen lassen. Als es dann am nächsten Tag hieß: „Good bye Immenstadt“, waren wir alle etwas wehmütig, dass er schon wieder vorbei war, der Gassuku 2006.
2007 wird der Gasshuku übrigens in Tamm stattfinden….schaut doch selbst mal unter www.karate-gasshuku.de
Zu Beginn möchte ich meinen Sensei Michael –sinngemäß- zitieren: „Wenn ich einen Tsuki ausführe, schicke ich Energie in die Welt. Diese Energie verliert sich dann aber nicht im Nichts, sondern geht einmal um die Welt und kommt dann zu mir zurück.“ Wow! Das war treffend formuliert! Daher kommt es also, dass ich mich trotz Kräfte zehrender Karatetechniken selten ausgepowert fühle, sondern selbst nach einem Gasshuku voller Grenzerfahrungen ein einziges Energiepaket und kaum zu bremsen bin!
Nach dem Gasshuku 2003 in Oberstdorf war der in Immenstadt nun mein zweiter. Übernachtung in der Halle….ob ich das in meinem hohen Alter wirklich noch brauche? Egal, es war allemal interessant und geschlafen haben wir sowieso nicht viel! Die Zeit verging auch viel zu schnell in unserer tollen Truppe.
Jeder, der schon einmal an einem Gasshuku teilgenommen hat, weiß, dass dies eine äußerst vielseitige Veranstaltung ist. Einige Trainer waren mir bekannt, auf andere war ich gespannt. Die Übungen „meines“ Risto waren mir inzwischen einigermaßen vertraut, dafür überraschte mich Shihan Sugimura mit dem Kizami Gyaku-Tsuki (Gyaku-Tsuki ohne Hüfteinsatz).
Ken Whitstock begeisterte mich nicht nur wegen seiner Bekanntschaft mit dem legendären Stan Schmidt sondern auch wegen seiner die volle Konzentration beanspruchenden 1a, 2b, 3c usw. – Übungen! Zum Glück hatte ich in der ersten Einheit dieser Art einen tollen Partner, der mir hier über die Runden half. Als wir in der allerletzten Einheit am Freitag-Nachmittag auf diesen Übungen aufbauten, konnte ich meiner jetzigen Partnerin (einer frischgebackenen Dan-Trägerin) die Hilfe und Unterstützung weitergeben.
Man munkelt, dass die Feuchtigkeit auf dem Hallenboden während der Einheit von Shinji Akita nicht nur vom Schweiß der Frauen herrührt. Sein Hüfteinsatz war ja schon immer auch einige Tränen der Rührung wert (Achtung: Zensur ;-)). Aber nun novellierte er mal eben den Kiba-Dachi: Knie nicht so wahnsinnig weit nach außen, sondern eher mit Außenspannung
nach vorne. So konnte man den Stand direkt aushalten, stand trotzdem tief und konnte damit sogar zehnmal hintereinander die Tekki-Shodan laufen. Super spannend war auch seine Tekki-Shodan-Bunkai mit zwei Gegnern! Hier hatte ich einen netten Partner, "Martin aus dem nördlichen Saarland" und einen superstarken und ziemlich
beeindruckenden Kerl namens Markus – nicht mehr ganz jung aber mit dem Geist eines Samurai im Blick!!! Glücklicher Weise verloren die zwei bei mir nie das für Karateübungen so wichtige Augenzwinkern!
Julian Chees bekam als Gasshuku-Neuling bei der Abschlussfeier im Hofgarten die Hosen aus und die obligatorischen Krachledernen übergezogen. Er hatte mich als Kata-Ass schwer beeindruckt. Leider waren seine Bunkai-Übungen sehr komplex und lang und ich hatte ausgerechnet in seiner frühmorgendlichen Kata-Einheit keinen starken Partner, der mich über die Runden retten konnte.
Takayuki Mikami aus den USA bestach durch seine wiederholt höfliche Frage: „Has anybody any questions?“ Na, als wenn einer die Hand hebt und sagt: „Ähhh, kann ich das im Mittelteil noch mal hören?“ Aber es kam auch so alles ganz gut über, auch auf Englisch.
Tomio Imamuro – der strenge Herr aus Japan! Huch! War das der Geist des Karate? Leer wie die Hand unserer Kampfkunst schien seine Mimik zu sein. Er verzog kein Mal das Gesicht zu einem Lächeln. Seine Übungen waren hart und anspruchsvoll. Ganz sicher auch eine Art, zu motivieren. Vielleicht ist es typisch europäisch, so zu denken oder ich bin einfach
noch nicht reif genug, aber – soll Karate nicht auch ein wenig Spaß machen??? Mich motiviert ein Trainer am Besten, wenn er streng und genau ist, aber das Lächeln nicht verlernt hat. An Sonn- und Feiertagen darf er vielleicht auch mal ein –kleines- Lob aussprechen... ;-)
Das Training bei Keiichi Kasajima aus Luxembourg hatte den entscheidenden Nachteil, dass
der Sensei japanösisch sprach und selbst der gute alte Schlatt hier manchmal überfragt war und nicht alles übersetzen konnte. Da wir aber mit wachsamem Auge folgten, war es hier auch nicht immer erforderlich, jedes Wort zu verstehen. Kasajimas Weisheiten beeindruckten vermutlich eher die älteren Karateka wie mich. Er meinte einmal, dass jeder sein persönliches Karate macht. Ein 20-jähriger macht eben wie ein 20-jähriger Karate, ein 40-jähriger wie ein 40-jähriger und ein 60-jähriger wie ein 60-jähriger. Kasajijma hat es nicht gesagt, aber den
Unterschied könnte ich mir so vorstellen, dass der 60-jährige vor dem Kumite nicht den Zahnschutz hinein, sondern die (dritten) Zähne herausnimmt. Ist auch egal, jedenfalls trifft es wohl zu: Jeder macht sein Ding und schon ich merke mit meinen zarten 38 Jahren, dass es mir
zunehmend schwer fällt, sehr komplexe Abläufe zu verstehen und prompt umzusetzen. Da war ich auf dem Lehrgang echt immer froh, wenn ich geduldige und hilfsbereite Partner hatte.
Was für eine Fülle an Trainern! Dazwischen –vor allem Abends- noch beeindruckende Gespräche im Kreise der Trainierenden. So hatte ich z. B. die Ehre, Risto Kiiskilä ca. eine Stunde seiner wertvollen Zeit zu stehlen und ihm eine Frikadelle ans Knie zu quatschen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich schätze, für ihn war dieses Gespräch eine Übung der Dojo-Kun-Grundsätze „sei höflich“ und „sei geduldig“....;-)) Ich traf ihn vor der Tribüne, folgte ihm dann wie ein Hündchen in die Bar und in die Eingangshalle, bis er mich fragte, ob ich mich mit ihm nach draußen setzen wollte....“Ähhh, Risto, es regnet in Strömen.“ „Ist egal. Wir
setzen uns unter den Pavillion. Wenn wir den Anfang machen, kommen die anderen nach.“ Es kam aber keiner und so musste er sich mit mir begnügen und ich konnte mit meinen frisch gewonnenen Finnisch-Kenntnissen angeben sowie ihn ein wenig über die Geheimnisse seines Karate ausquetschen.
Leider war ansonsten die Geselligkeit ein wenig dadurch getrübt, dass es keinen zentralen Anlaufpunkt gab. So habe ich z. B. aus der Gruppe ab 2. Dan kaum Bekannte getroffen. Klasse war natürlich die Lehrgangsparty am Mittwoch mit super Musik und guter Stimmung. Donnerstag fand der Vergleichskampf statt, den ich mir aber entgehen ließ, da ich zu der Zeit die angenehme Leere in unserem thailändischen Stamm-Restaurant genoss, in welchem ich mit Olli Lich zu Abend aß und über Gott und die Welt philosophierte. Anschließend wollten wir dann doch noch zu der Halle, in der der Vergleichskampf stattfand, aber da strömten uns die Massen schon wieder entgegen. Es war dann nur noch eine handvoll Bekannter dort anzutreffen. Dennoch hatte der Abend es noch in sich: Ich wurde nämlich versehentlich zusammen mit einem Karateka aus Bottrop in der Turnhalle eingesperrt und musste mit ihm dort die ganze Nacht verbringen. Warum passiert eigentlich immer MIR so etwas?????
Für mich etwas gewöhnungsbedürftig war dagegen der traditionelle Bayrische Abend am letzten Lehrgangstag! Das war mir dann doch etwas zuuu authentisch: der Saal, in dem am Mittwoch noch bei Discolicht der Pabst boxte, war nun hell ausgeleuchtet und mit Biergartengarnituren bestückt. Das war nicht wirklich gemütlich. Normaler Weise bin ich ein ausgesprochener Fan von Live-Musik. Ist fast egal, was gespielt wird, sobald es handgemacht ist, gefällt es mir schon von alleine….aber das krachlederne Trio an dem Abend…also, das lud nicht grade zum Tanzen ein. Aber Karateka sind ein dankbares Volk….nach einigen Bierchen fingen direkt welche an zu tanzen und ich gesellte mich dazu. Besonders Gert aus Wesel und seine Freundin Andrea waren treue Tanzgefährten. So hatten wir auch an diesem Abend neben sehr vielen netten Gesprächen auch musikalisch noch reichlich Spaß und haben den Gasshuku noch würdig ausklingen lassen. Als es dann am nächsten Tag hieß: „Good bye Immenstadt“, waren wir alle etwas wehmütig, dass er schon wieder vorbei war, der Gassuku 2006.
2007 wird der Gasshuku übrigens in Tamm stattfinden….schaut doch selbst mal unter www.karate-gasshuku.de
Lehrgang mit Risto und Akita Berlin Pfingsten 2006
Polarlicht über Berlin
Als ich im Dojo herumfragte, ob jemand Interesse daran hätte, mich nach Berlin-Marzahn zu begleiten, antwortete lediglich ein großes Schweigen. Zugegeben, ist ja auch nicht grad ein Katzensprung dorthin. Aber für einen Gasshuku fahren die meisten Karatekas, die ich angesprochen hatte, sonst auch „meilenweit“. Naja, ich wollte ihn mir dennoch nicht entgehen lassen, den Pfingstlehrgang bei Risto und Akita. Schnell war bereits im März ein Bahn-Ticket besorgt - für schlappe 70 Euro hin und zurück, einschließlich IC- und ICE-Verbindungen. So konnte ich es mir nicht mehr anders überlegen – schließlich war ich auch noch nie so ganz alleine in ein Trainingslager gefahren. Um meine Aufregung kurz vor der Abfahrt noch ein wenig zu steigern, gaben mir meine Trainingskameraden im Dojo kurz vor der Abfahrt noch einige „Tipps“, wie ich im heißen Viertel Berlin-Marzahn überleben könnte: Die alte Lederjacke an, keinen Schmuck oder sichtbare Wertsachen tragen und sich nicht bei den dunkelgekleideten Personengruppen an den brennenden Ölfässern zum Wärmen dazustellen!
Dementsprechend kribbelig war ich dann, als sich die S-Bahn Linie 7 meinem Endbahnhof näherte. Kurz vor meinem Ziel dann noch die Fahrkartenkontrolle: Selbstverständlich hatte ich einen Fahrschein für die S-Bahn gezogen! Doch leider hatte ich ihn nicht vor Besteigen der Bahn entwertet….“Steht doch extra druff!,“ meinte der Kontrolleur. Glücklicher Weise konnte ich glaubhaft versichern, dass ich orts-unkundig war und auch mit den Gepflogenheiten des S-Bahn-Fahrens nicht vertraut war. So blieb mir der „Fahrpreis-Zuschlag“ in Höhe von 40 € erspart.
Als sich die S-Bahn-Türen öffneten, begrüßte mich die kalte Juni-Luft. Eine etwas trostlose Stimmung hing wie ein alter grauer Lappen zwischen den Häusern. Dieser Eindruck war jedoch nur von kurzer Dauer: Direkt vor dem S-Bahnhof leuchtete grelle Werbung auf einem überdimensionalen Shopping-Center. Ein emsiges Gewusel breitete sich vor meinen Augen aus, als die Menschenmassen in die Geschäfte strömten und wieder hinaus. Alles zusammen machte es auf mich einen vielleicht etwas weniger schillernden Eindruck als Shoppen im Provinznest Münster, bedrohlich wirkte die Atmosphäre allerdings keine Minute. Einen kleinen Schrecken bekam ich dann aber doch, als ich mittels Taxi die Turnhalle erreichte: Sie war eine gigantische Blüte der Graffiti-Kunst! Wer sich hier wohl außer uns noch herumtreibt? Ich fragte mich ernsthaft wie ich hier mein Hab und Gut unterbringen sollte. Aber von innen war es dann doch einfach nur eine ganz normale Turnhalle und es kam nichts abhanden. Das hätte auch mal jemand wagen sollen im Angesicht dieser zum Teil hochkarätigen Karate-Kämpfer!
Schon in der Umkleide fragte ich mich, wen der vielen mir noch unbekannte Weißkittel ich denn wohl bald mal näher kennen lernen würde. Wer würden meine Trainingspartner werden? Erwartungsgemäß kamen die meisten der Teilnehmer aus der Umgebung von Berlin. Bald merkte ich aber, dass ich mir den „Pokal für die weiteste Anreise“ abschminken konnte: Es war neben den vielen Karatekas aus Berlin, Mecklenburg Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen noch eine Gruppe aus Rotenburg an der Fulda angereist und sogar ein Finne aus Oulo. Dieser nette finnische junge Mann wurde mir dann auch gleich von Risto aufs Auge gedrückt: „Icky, ich hab da einen aus Finnland mitgebracht.“ Nach dem Motto: Kannst dich ja mal mit ihm unterhalten. Viele der anwesenden Karatekas sprachen nämlich wegen der eher russisch-orientierten Kindheit in der damaligen DDR kein Englisch. So konnte ich an diesem Trainingswochenende nicht nur meine Karate-, sondern auch meine Englischkenntnisse auffrischen. Und zwar so sehr, dass ich hinterher sogar auf Englisch geträumt habe!
Richtig „warm“ wurde ich mit vielen der Karatekas bereits am ersten Abend. Hier fand nämlich die traditionelle Lehrgangsfete statt, der nach dem Training eine zünftige Sauna-Session voranging. Das Bushido-Dojo-Berlin verfügt gleich über zwei dieser bis auf 100 Grad aufgewärmten Schwitzhütten. Puh, nach dem dritten Durchgang, der von einem echt finnischen Dauer-Aufguss begleitet wurde, fragte ich mich ernsthaft, wie ich den Rest des Abends überstehen sollte! Diese physische Krise wurde dadurch verstärkt, dass ich auf meine Grillportion ca. 90 Minuten warten musste. Leider gab es nur einen kleinen Grill für die ganze Feier-Bande. Aber dieses kleine Problem wurde von dem Organisations-Team mit Augenzwinkern und echtem Berliner Charme bewältigt. Ansonsten hatten die Jungs und Mädels vom Verein wirklich alles perfekt organisiert! Am zweiten Abend ging es in ein Ausflugslokal am Müggelsee vor den Toren Berlins. Ruck-zuck waren alle auf die vorhandenen Autos verteilt und mit ca. 25 Leuten verbrachten wir einen herrlichen Abend in dieser idyllischen Gegend. Auch wenn das Wetter immer noch zu wünschen übrig ließ machten wir einen netten Spaziergang am Rande des Sees entlang und waren erst kurz vor Mitternacht wieder im Dojo.
A propos Augenzwinkern: Ich fand es höchst erfrischend, dass in Berlin zwar traditionelles Karate gepflegt wird, dies allerdings nicht allzu bierernst. So kam es, dass uns am Samstag nach der ersten Trainingseinheit über die Heldentaten der letzten zehn Samurai berichtet wurde. Diese in der Turnhalle stattfindende „Lehrstunde“ wurde begleitet von der Vorstellung einiger furchteinflößender „Samurai“, in die sich offensichtlich einige der Marzahner Karatekas verwandelt hatten. Diese hoppelten im Gi und versehen mit asiatischen Accessoirs auf Steckenpferdchen durch die Halle und metzelten sich gegenseitig mittels der mitgeführten Holzschwerter ab. Diese Kampfhandlungen wurden begleitet von einem Gedicht, in denen das Vorgeführte anhand von Katas erklärt wurde. Ich konnte mich kaum einkriegen, wie sich die eben noch so würdevollen Karatekämpfer da mit Perücken und Chinesenhütchen auf dem Kopf am Hallenboden krümmten! Schön war auch die zuvor gezeigte Heian Godan als Domino-Kata: Einige Kämpfer/-innen standen in einer Reihe und führten die Kata nicht synchron aus, sondern Technik für Technik nacheinander.
Ein für mich neues Erlebnis war die Vorführung der Kata Hokkyokuko – „Polarlicht“. Wer den Namen noch nie gehört hat: Keine Bange. Es ist eine recht neue Kata und zwar die von Sensei Risto! Abweichend vom herkömmlichen Shotokan-Kata-Muster basiert diese Kata auf einer Abfolge von Kumite-Elementen. Viele Techniken waren mir bereits aus Ristos Übungsprogramm vertraut. Aber einige Passagen dieser Kata werde ich im Leben nie so ausführen können wie die Kampftruppe aus Berlin. Ein junger Braungurt hat das so fantastisch hingelegt, es sah fast aus wie ein Tanz....vielleicht vergleichbar mit dem brasilianischen Capoiera!? Aber auch alle anderen, die die Kata aufführten –allen voran Jürgen und Dirk- hinterließen einen super Eindruck! Meine grenzenlose Bewunderung hat allerdings auch schon jeder, der auch nur den Ablauf beherrscht!
Risto legte in seinen Einheiten gleich richtig los: Die gewohnten „Mäusefüßchen“ zum Aufwärmen wurden daher gleich im Kiba-Dachi absolviert, so dass die Beine eigentlich direkt danach in den wohl verdienten Ruhestand hätten gehen können. Zudem legte er wie immer viel Wert auf Hüfteinsatz und Gewichtsverlagerung. Er forderte uns aber auch dazu auf, den Schritt vom Jiyu-Ippon Kumite in Richtung Freikampf zu wagen, sprich: uns mehr zu
bewegen! Nicht immer auf der Stelle stehen und warten, dass etwas passiert, sondern mit Sabaki seitlich raus oder mit Suri-Ashi den Techniken hinterher gleiten und immer gerne wieder Ashi-Barai. Ich hatte das große Glück, in zwei Einheiten ganz hervorragende Kumite-Partner zu haben. Die machten dieses Trainingsprogramm ganz sicher nicht zum ersten Mal und konnten mich ganz enorm durch ihre Beweglichkeit und Sicherheit in der Ausführung der Kombinationen beeindrucken! Meine deutliche Unterlegenheit wurde jeweils mit einem nachsichtigen Lächeln kommentiert und ich war sehr beruhigt, dass sich die Jungs auch nach dem Training noch mit mir unterhalten mochten. Risto ließ uns zum Ende der Einheiten jeweils Katas ab Heian Godan aufwärts laufen. Leider musste ich bei vielen der höheren Katas passen. Das muss jetzt aber bald mal geändert werden! Peinlich, wenn man als Dan-Träger immer am Rand sitzen muss!
Sensei Akita hatte ich bisher nur auf dem Gasshuku in Oberstdorf kennen gelernt und ich bekomme noch heute eine Gänsehaut, wenn ich an seine Gangaku denke! Demzufolge hatte ich mir eigentlich ein umfangreiches und anspruchsvolles Kata-Programm von seinem Training erwartet. Aber es kam anders. Vielleicht sah er einfach den Status-Quo der Teilnehmer-Gruppe – oder er hatte es sowie so vor: Sein Training bestand hauptsächlich aus Khion-Techniken! Lediglich in der letzten Einheit liefen wir Kata und da auch nur die Heian-Katas. Ich will damit auf keinen Fall sagen, dass das Training niveaulos war oder nicht anspruchsvoll. Im Gegenteil: Gerade die Liebe zum Detail, mit der Akita auf die einzelnen Techniken blickte, ließ das Training zu einer höchst komplexen körperlichen Angelegenheit werden. Sehr beeindruckt hatte mich die Vorführung, wie sehr das hintere Bein beim Zenkutsu Dachi gestreckt werden sollte: Sensei Akita holte sich dafür jemanden aus dem Teilnehmerkreis und wies ihn an, sich mit dem kompletten Körpergewicht auf Akitas durchgestreckte Kniekehle zu stellen! Allein vom Zuschauen taten mir schon wieder die Beine weh!
Apropos „Beine weh“....obgleich ich in den letzten Wochen vor dem Lehrgang nicht sportlich untätig war, merkte ich bald, dass sich ein unerträglicher Muskelkater in meinem Körper breit machte. Ich kann leider gar nicht sagen, dass sich dies auf meine Beine beschränkte....es tat einfach ALLES weh! Der nette Finne, den Risto mitgebracht hatte, meinte irgendwann, ich sollte aufhören, zu jaulen wie eine Katze – es gäbe nur ein Mittel dagegen: eine echte finnische Massage! Nach kurzen Bedenken, ob ich mich vertrauensvoll in die Hände dieses fremden Mannes begeben sollte, willigte ich ein. Um es kurz zu machen: Mit diesen Händen kann der Mann auch Bäume fällen – mein Rückgrat war auf jeden Fall kurz vor dem Brechen, die Muskeln wurden bis an die äußerste Belastungsgrenze geknetet und gedehnt. Die halbe Stunde Massage war die reine Hölle – und danach war ich absolut schmerzfrei! Es war einfach unglaublich! Ich lief wie auf Wolken und die Ausführung der Techniken gelang mir wohl noch nie so locker und unverkrampft.
Den krönenden Abschluss dieses 3-Tages-Lehrgangs, bei dem ich mich besser erholt habe als ich es durch einen dreiwöchigen Strandurlaub jemals könnte, bildete das Essen beim Thailänder am Montag-Mittag. Hier waren wir nur noch eine sehr kleine Gesellschaft und es kamen sehr nette Gespräche zustande. Schnell wurden noch ein paar Handy-Nummern und Mail-Adressen ausgetauscht, damit man auch zukünftig Kontakte knüpfen kann. Ich jedenfalls bin mir ganz sicher: Das war nicht mein letzter Besuch in Berlin-Marzahn! Nächstes Jahr werde ich allerdings einen Tag mehr Urlaub nehmen, damit ich auch etwas mehr von Berlin sehen kann!
Oss, Icky
Als ich im Dojo herumfragte, ob jemand Interesse daran hätte, mich nach Berlin-Marzahn zu begleiten, antwortete lediglich ein großes Schweigen. Zugegeben, ist ja auch nicht grad ein Katzensprung dorthin. Aber für einen Gasshuku fahren die meisten Karatekas, die ich angesprochen hatte, sonst auch „meilenweit“. Naja, ich wollte ihn mir dennoch nicht entgehen lassen, den Pfingstlehrgang bei Risto und Akita. Schnell war bereits im März ein Bahn-Ticket besorgt - für schlappe 70 Euro hin und zurück, einschließlich IC- und ICE-Verbindungen. So konnte ich es mir nicht mehr anders überlegen – schließlich war ich auch noch nie so ganz alleine in ein Trainingslager gefahren. Um meine Aufregung kurz vor der Abfahrt noch ein wenig zu steigern, gaben mir meine Trainingskameraden im Dojo kurz vor der Abfahrt noch einige „Tipps“, wie ich im heißen Viertel Berlin-Marzahn überleben könnte: Die alte Lederjacke an, keinen Schmuck oder sichtbare Wertsachen tragen und sich nicht bei den dunkelgekleideten Personengruppen an den brennenden Ölfässern zum Wärmen dazustellen!
Dementsprechend kribbelig war ich dann, als sich die S-Bahn Linie 7 meinem Endbahnhof näherte. Kurz vor meinem Ziel dann noch die Fahrkartenkontrolle: Selbstverständlich hatte ich einen Fahrschein für die S-Bahn gezogen! Doch leider hatte ich ihn nicht vor Besteigen der Bahn entwertet….“Steht doch extra druff!,“ meinte der Kontrolleur. Glücklicher Weise konnte ich glaubhaft versichern, dass ich orts-unkundig war und auch mit den Gepflogenheiten des S-Bahn-Fahrens nicht vertraut war. So blieb mir der „Fahrpreis-Zuschlag“ in Höhe von 40 € erspart.
Als sich die S-Bahn-Türen öffneten, begrüßte mich die kalte Juni-Luft. Eine etwas trostlose Stimmung hing wie ein alter grauer Lappen zwischen den Häusern. Dieser Eindruck war jedoch nur von kurzer Dauer: Direkt vor dem S-Bahnhof leuchtete grelle Werbung auf einem überdimensionalen Shopping-Center. Ein emsiges Gewusel breitete sich vor meinen Augen aus, als die Menschenmassen in die Geschäfte strömten und wieder hinaus. Alles zusammen machte es auf mich einen vielleicht etwas weniger schillernden Eindruck als Shoppen im Provinznest Münster, bedrohlich wirkte die Atmosphäre allerdings keine Minute. Einen kleinen Schrecken bekam ich dann aber doch, als ich mittels Taxi die Turnhalle erreichte: Sie war eine gigantische Blüte der Graffiti-Kunst! Wer sich hier wohl außer uns noch herumtreibt? Ich fragte mich ernsthaft wie ich hier mein Hab und Gut unterbringen sollte. Aber von innen war es dann doch einfach nur eine ganz normale Turnhalle und es kam nichts abhanden. Das hätte auch mal jemand wagen sollen im Angesicht dieser zum Teil hochkarätigen Karate-Kämpfer!
Schon in der Umkleide fragte ich mich, wen der vielen mir noch unbekannte Weißkittel ich denn wohl bald mal näher kennen lernen würde. Wer würden meine Trainingspartner werden? Erwartungsgemäß kamen die meisten der Teilnehmer aus der Umgebung von Berlin. Bald merkte ich aber, dass ich mir den „Pokal für die weiteste Anreise“ abschminken konnte: Es war neben den vielen Karatekas aus Berlin, Mecklenburg Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen noch eine Gruppe aus Rotenburg an der Fulda angereist und sogar ein Finne aus Oulo. Dieser nette finnische junge Mann wurde mir dann auch gleich von Risto aufs Auge gedrückt: „Icky, ich hab da einen aus Finnland mitgebracht.“ Nach dem Motto: Kannst dich ja mal mit ihm unterhalten. Viele der anwesenden Karatekas sprachen nämlich wegen der eher russisch-orientierten Kindheit in der damaligen DDR kein Englisch. So konnte ich an diesem Trainingswochenende nicht nur meine Karate-, sondern auch meine Englischkenntnisse auffrischen. Und zwar so sehr, dass ich hinterher sogar auf Englisch geträumt habe!
Richtig „warm“ wurde ich mit vielen der Karatekas bereits am ersten Abend. Hier fand nämlich die traditionelle Lehrgangsfete statt, der nach dem Training eine zünftige Sauna-Session voranging. Das Bushido-Dojo-Berlin verfügt gleich über zwei dieser bis auf 100 Grad aufgewärmten Schwitzhütten. Puh, nach dem dritten Durchgang, der von einem echt finnischen Dauer-Aufguss begleitet wurde, fragte ich mich ernsthaft, wie ich den Rest des Abends überstehen sollte! Diese physische Krise wurde dadurch verstärkt, dass ich auf meine Grillportion ca. 90 Minuten warten musste. Leider gab es nur einen kleinen Grill für die ganze Feier-Bande. Aber dieses kleine Problem wurde von dem Organisations-Team mit Augenzwinkern und echtem Berliner Charme bewältigt. Ansonsten hatten die Jungs und Mädels vom Verein wirklich alles perfekt organisiert! Am zweiten Abend ging es in ein Ausflugslokal am Müggelsee vor den Toren Berlins. Ruck-zuck waren alle auf die vorhandenen Autos verteilt und mit ca. 25 Leuten verbrachten wir einen herrlichen Abend in dieser idyllischen Gegend. Auch wenn das Wetter immer noch zu wünschen übrig ließ machten wir einen netten Spaziergang am Rande des Sees entlang und waren erst kurz vor Mitternacht wieder im Dojo.
A propos Augenzwinkern: Ich fand es höchst erfrischend, dass in Berlin zwar traditionelles Karate gepflegt wird, dies allerdings nicht allzu bierernst. So kam es, dass uns am Samstag nach der ersten Trainingseinheit über die Heldentaten der letzten zehn Samurai berichtet wurde. Diese in der Turnhalle stattfindende „Lehrstunde“ wurde begleitet von der Vorstellung einiger furchteinflößender „Samurai“, in die sich offensichtlich einige der Marzahner Karatekas verwandelt hatten. Diese hoppelten im Gi und versehen mit asiatischen Accessoirs auf Steckenpferdchen durch die Halle und metzelten sich gegenseitig mittels der mitgeführten Holzschwerter ab. Diese Kampfhandlungen wurden begleitet von einem Gedicht, in denen das Vorgeführte anhand von Katas erklärt wurde. Ich konnte mich kaum einkriegen, wie sich die eben noch so würdevollen Karatekämpfer da mit Perücken und Chinesenhütchen auf dem Kopf am Hallenboden krümmten! Schön war auch die zuvor gezeigte Heian Godan als Domino-Kata: Einige Kämpfer/-innen standen in einer Reihe und führten die Kata nicht synchron aus, sondern Technik für Technik nacheinander.
Ein für mich neues Erlebnis war die Vorführung der Kata Hokkyokuko – „Polarlicht“. Wer den Namen noch nie gehört hat: Keine Bange. Es ist eine recht neue Kata und zwar die von Sensei Risto! Abweichend vom herkömmlichen Shotokan-Kata-Muster basiert diese Kata auf einer Abfolge von Kumite-Elementen. Viele Techniken waren mir bereits aus Ristos Übungsprogramm vertraut. Aber einige Passagen dieser Kata werde ich im Leben nie so ausführen können wie die Kampftruppe aus Berlin. Ein junger Braungurt hat das so fantastisch hingelegt, es sah fast aus wie ein Tanz....vielleicht vergleichbar mit dem brasilianischen Capoiera!? Aber auch alle anderen, die die Kata aufführten –allen voran Jürgen und Dirk- hinterließen einen super Eindruck! Meine grenzenlose Bewunderung hat allerdings auch schon jeder, der auch nur den Ablauf beherrscht!
Risto legte in seinen Einheiten gleich richtig los: Die gewohnten „Mäusefüßchen“ zum Aufwärmen wurden daher gleich im Kiba-Dachi absolviert, so dass die Beine eigentlich direkt danach in den wohl verdienten Ruhestand hätten gehen können. Zudem legte er wie immer viel Wert auf Hüfteinsatz und Gewichtsverlagerung. Er forderte uns aber auch dazu auf, den Schritt vom Jiyu-Ippon Kumite in Richtung Freikampf zu wagen, sprich: uns mehr zu
bewegen! Nicht immer auf der Stelle stehen und warten, dass etwas passiert, sondern mit Sabaki seitlich raus oder mit Suri-Ashi den Techniken hinterher gleiten und immer gerne wieder Ashi-Barai. Ich hatte das große Glück, in zwei Einheiten ganz hervorragende Kumite-Partner zu haben. Die machten dieses Trainingsprogramm ganz sicher nicht zum ersten Mal und konnten mich ganz enorm durch ihre Beweglichkeit und Sicherheit in der Ausführung der Kombinationen beeindrucken! Meine deutliche Unterlegenheit wurde jeweils mit einem nachsichtigen Lächeln kommentiert und ich war sehr beruhigt, dass sich die Jungs auch nach dem Training noch mit mir unterhalten mochten. Risto ließ uns zum Ende der Einheiten jeweils Katas ab Heian Godan aufwärts laufen. Leider musste ich bei vielen der höheren Katas passen. Das muss jetzt aber bald mal geändert werden! Peinlich, wenn man als Dan-Träger immer am Rand sitzen muss!
Sensei Akita hatte ich bisher nur auf dem Gasshuku in Oberstdorf kennen gelernt und ich bekomme noch heute eine Gänsehaut, wenn ich an seine Gangaku denke! Demzufolge hatte ich mir eigentlich ein umfangreiches und anspruchsvolles Kata-Programm von seinem Training erwartet. Aber es kam anders. Vielleicht sah er einfach den Status-Quo der Teilnehmer-Gruppe – oder er hatte es sowie so vor: Sein Training bestand hauptsächlich aus Khion-Techniken! Lediglich in der letzten Einheit liefen wir Kata und da auch nur die Heian-Katas. Ich will damit auf keinen Fall sagen, dass das Training niveaulos war oder nicht anspruchsvoll. Im Gegenteil: Gerade die Liebe zum Detail, mit der Akita auf die einzelnen Techniken blickte, ließ das Training zu einer höchst komplexen körperlichen Angelegenheit werden. Sehr beeindruckt hatte mich die Vorführung, wie sehr das hintere Bein beim Zenkutsu Dachi gestreckt werden sollte: Sensei Akita holte sich dafür jemanden aus dem Teilnehmerkreis und wies ihn an, sich mit dem kompletten Körpergewicht auf Akitas durchgestreckte Kniekehle zu stellen! Allein vom Zuschauen taten mir schon wieder die Beine weh!
Apropos „Beine weh“....obgleich ich in den letzten Wochen vor dem Lehrgang nicht sportlich untätig war, merkte ich bald, dass sich ein unerträglicher Muskelkater in meinem Körper breit machte. Ich kann leider gar nicht sagen, dass sich dies auf meine Beine beschränkte....es tat einfach ALLES weh! Der nette Finne, den Risto mitgebracht hatte, meinte irgendwann, ich sollte aufhören, zu jaulen wie eine Katze – es gäbe nur ein Mittel dagegen: eine echte finnische Massage! Nach kurzen Bedenken, ob ich mich vertrauensvoll in die Hände dieses fremden Mannes begeben sollte, willigte ich ein. Um es kurz zu machen: Mit diesen Händen kann der Mann auch Bäume fällen – mein Rückgrat war auf jeden Fall kurz vor dem Brechen, die Muskeln wurden bis an die äußerste Belastungsgrenze geknetet und gedehnt. Die halbe Stunde Massage war die reine Hölle – und danach war ich absolut schmerzfrei! Es war einfach unglaublich! Ich lief wie auf Wolken und die Ausführung der Techniken gelang mir wohl noch nie so locker und unverkrampft.
Den krönenden Abschluss dieses 3-Tages-Lehrgangs, bei dem ich mich besser erholt habe als ich es durch einen dreiwöchigen Strandurlaub jemals könnte, bildete das Essen beim Thailänder am Montag-Mittag. Hier waren wir nur noch eine sehr kleine Gesellschaft und es kamen sehr nette Gespräche zustande. Schnell wurden noch ein paar Handy-Nummern und Mail-Adressen ausgetauscht, damit man auch zukünftig Kontakte knüpfen kann. Ich jedenfalls bin mir ganz sicher: Das war nicht mein letzter Besuch in Berlin-Marzahn! Nächstes Jahr werde ich allerdings einen Tag mehr Urlaub nehmen, damit ich auch etwas mehr von Berlin sehen kann!
Oss, Icky
Lehrgang mit Bundestrainer Hideo Ochi 2006
Wenn die Mami mit dem Sohne
einen Lehrgang mit Sensei Ochi besucht
Fotos unter "Foto-Galerie"
Dieser Lehrgang wird für mich wohl immer ganz besonders in Erinnerung bleiben.
Zum ersten Mal nahm ich meinen 10-jährigen Sohn Felix mit! Felix geht seit knapp einem Jahr einmal wöchentlich zu Jörg Gantert ins Kindertraining.
Ich bin mir aber bewusst, dass der Impuls für ihn, zum Training zu gehen, eher durch mich ausgelöst wird, da ich die erzieherische Komponente sehr schätze (Konzentrations-förderung, Struktur im Training, Disziplin, aber auch Schulung der Beweglichkeit usw.). Als nun der Lehrgang mit unserem Bundestrainer hier in Münster anstand, dachte ich, vielleicht kann Felix meine Begeisterung für Karate nachempfinden, wenn er mal an einer oder zwei Trainingseinheiten teilnimmt.
Denn, mal ehrlich:
Wer regelmäßig an Lehrgängen teilnimmt, ist es gewohnt, mit bis zu 200 Leuten in der Halle zu trainieren, aber für Neulinge oder Karate-Fremde muss allein dies schon ein beeindruckender Anblick sein. Und wenn man selber Bestandteil dieser "Weiß-Kittel-Masse" ist, motiviert das ungemein, alles zu geben.
Felix wollte gerne mitkommen, zumal die erste Einheit ja am Freitag um 20 Uhr stattfand, zu einer Uhrzeit also, zu der er normaler Weise nicht mehr aus dem Haus darf. Seine Sorge aber: "Sind da auch andere Kinder?" Na klar, versicherte ich ihm. Und tatsächlich waren da einige Kinder und sogar drei Weißgurt-Jungs in etwa seinem Alter.
Vor dem Training schnupperte er erst mal die Hallenatmos-phäre ein. Als es dann zum Aufstellen ging, musste er natürlich erst noch mal Pipi!
Naja, da es erfahrungsgemäß lange dauerte, bis alle so aufgestellt waren, wie es Herrn Ochi recht war, machte die Pipi-Pause auch nichts aus und Felix hatte sogar einen Platz in der ersten Reihe.
Durch die Aufstellung wurden wir natürlich getrennt, da ich ganz rechts und er ganz links stehen musste. Oh je, wie sollte ich so im Blick haben, ob es ihm gut geht? Ob er Spaß hat? Ob er "ordentlich mitmacht"! Da hieß es schon für mich: Loslassen! Aber ich war wohl doch leider die meiste Zeit der ersten Trainingseinheit mit den Gedanken bei meinem Sohn, statt beim Trainingsgeschehen.
Das Aufwärmtraining wurde von Erwin Querl gegeben. Schade, dachte ich, dass Felix gar nicht weiß, wer das ist! Dass er sich nicht bewusst ist, einen total engagierten Karate-Veteranen vor sich zu haben!
Während des Trainings fiel mir auf, dass Herr Ochi uns alle dieselben Übungen machen ließ. Die kleinen "Weißgurtstöpsel" hatten die gleichen kniffeligen Trainingsaufgaben zu lösen wie die alten, erfahrenen Karateka! Ich selbst hatte an der Ausführung der Trainingsbefehle streckenweise ganz schön zu knacken. Wie sollte es da nur meinem Sohn ergehen? Wenn ich mal einen verstohlenen Blick in seine Richtung warf, sah ich ihn aber meistens bemüht, mitzumachen. Zumindest war er nicht verzweifelt oder gelangweilt, sondern allenfalls "gelassen". Herr Ochi hat zudem auch eine so herzliche und freundliche Art besonders auch mit den Kindern umzugehen, dass alle gerne bei und von ihm lernen.
Zum Schluss der Einheit verließ meinen Sohn dann doch ein wenig die Konzentration und er schaltete etwas ab. Aber das sei ihm gegönnt. Schließlich trainiert er sonst nie länger als eine Stunde, jetzt waren es aber 90 Minuten und das noch zu fortgeschrittener Stunde! Glücklicher Weise gab es eine kurze Pause kurz vor Schluss. Als besorgte Mami lief ich sofort in Felix´ Trainings-bereich, konnte ihn aber nicht finden. Kurz darauf kam er aus dem Kabinenbereich mit einem pitschnassen Kopf und auch leicht benässtem Gi. Er hatte wohl so geschwitzt, dass er sich erst mal abkühlen musste! Na, wenn das kein Zeichen dafür ist, dass er alles gegeben hat!! Zu meiner Enttäuschung schien er mich aber auch gar nicht vermisst zu haben. Es schien ihm eher "uncool", dass "Mutti" ihn da nervte vor seinen neuen Freunden….
Am Samstag hatte Felix eigentlich vor, nachmittags mit seinem Vater Trial zu fahren. Das ist Felix´ eigentliche Leidenschaft: Motorsport.
Durch einen Motorsportverein in Kinderhaus hat er seit einem Jahr die Möglichkeit, im Sommer regelmäßig selber zu fahren. Da gibt’s keine Kindermotorräder, sondern richtige Trial-Maschinen, also spezielle Motorräder ohne Sitzbank, mit denen ein Hindernisparcours absolviert werden muss. Kein Wunder, dass Felix sich schon seit Wochen auf das erste Training dieses Jahres freute. Ich hatte befürchtet, ihn deshalb nicht an der Teilnahme zum Karatelehrgang bewegen zu können. Ein gutes Argument hatte ich aber seit Freitag-abend in der Tasche: Unsere Trainingskarten, pro Stück für teure 20 Euro erkauft!
Gibt’s denn keinen Schüler-Nachlass???? Beim Chief-Instructor vermutlich nicht….seufz….
Es war jedenfalls kein Thema: Felix wollte Samstagvormittag mit zum Karate. Und weil es alles so neu und aufregend war, kam seine Oma auch gleich mit, sie allerdings nur zum Zuschauen…Da mir klar war, dass auch ich an diesem Nachmittag nicht die zweite Einheit besuchen würde, machte ich kurzer Hand in der Unterstufen-Einheit mit und plante, dann anschließend noch bei der Oberstufe mitzumachen. Diese Entscheidung sollte ich allerdings mehr als einmal bereuen.
Puh war das anstrengend!
Zwar versuchte ich, mich zu Beginn der Unterstufen-Einheit ein wenig im Bad der Trainingsmenge zu verstecken, denn eigentlich gehörte ich hier ja nicht hin. Aber ich fiel doch auf und wurde von Herrn Ochi heraus gebeten, um das Aufwärmtrai-ning zu übernehmen. Also durfte ich zum ersten Mal meinen Sohn trainieren!!! Er hat auch gut mit gemacht.
Auch nachdem ich das Trainings-Zepter wieder an Herrn Ochi übergeben hatte, gab sich Felix alle Mühe. Er war hinterher ganz begeistert und nahm sich vor, seinem Sensei Jörg bei der nächsten Trainingseinheit zu berichten, dass er bei dem Lehrgang für die Großen dabei war! Demnächst wollen wir öfter auf Lehrgänge fahren, vielleicht auch mal außerhalb mit einer Übernachtung in einem Dojo!
einen Lehrgang mit Sensei Ochi besucht
Fotos unter "Foto-Galerie"
Dieser Lehrgang wird für mich wohl immer ganz besonders in Erinnerung bleiben.
Zum ersten Mal nahm ich meinen 10-jährigen Sohn Felix mit! Felix geht seit knapp einem Jahr einmal wöchentlich zu Jörg Gantert ins Kindertraining.
Ich bin mir aber bewusst, dass der Impuls für ihn, zum Training zu gehen, eher durch mich ausgelöst wird, da ich die erzieherische Komponente sehr schätze (Konzentrations-förderung, Struktur im Training, Disziplin, aber auch Schulung der Beweglichkeit usw.). Als nun der Lehrgang mit unserem Bundestrainer hier in Münster anstand, dachte ich, vielleicht kann Felix meine Begeisterung für Karate nachempfinden, wenn er mal an einer oder zwei Trainingseinheiten teilnimmt.
Denn, mal ehrlich:
Wer regelmäßig an Lehrgängen teilnimmt, ist es gewohnt, mit bis zu 200 Leuten in der Halle zu trainieren, aber für Neulinge oder Karate-Fremde muss allein dies schon ein beeindruckender Anblick sein. Und wenn man selber Bestandteil dieser "Weiß-Kittel-Masse" ist, motiviert das ungemein, alles zu geben.
Felix wollte gerne mitkommen, zumal die erste Einheit ja am Freitag um 20 Uhr stattfand, zu einer Uhrzeit also, zu der er normaler Weise nicht mehr aus dem Haus darf. Seine Sorge aber: "Sind da auch andere Kinder?" Na klar, versicherte ich ihm. Und tatsächlich waren da einige Kinder und sogar drei Weißgurt-Jungs in etwa seinem Alter.
Vor dem Training schnupperte er erst mal die Hallenatmos-phäre ein. Als es dann zum Aufstellen ging, musste er natürlich erst noch mal Pipi!
Naja, da es erfahrungsgemäß lange dauerte, bis alle so aufgestellt waren, wie es Herrn Ochi recht war, machte die Pipi-Pause auch nichts aus und Felix hatte sogar einen Platz in der ersten Reihe.
Durch die Aufstellung wurden wir natürlich getrennt, da ich ganz rechts und er ganz links stehen musste. Oh je, wie sollte ich so im Blick haben, ob es ihm gut geht? Ob er Spaß hat? Ob er "ordentlich mitmacht"! Da hieß es schon für mich: Loslassen! Aber ich war wohl doch leider die meiste Zeit der ersten Trainingseinheit mit den Gedanken bei meinem Sohn, statt beim Trainingsgeschehen.
Das Aufwärmtraining wurde von Erwin Querl gegeben. Schade, dachte ich, dass Felix gar nicht weiß, wer das ist! Dass er sich nicht bewusst ist, einen total engagierten Karate-Veteranen vor sich zu haben!
Während des Trainings fiel mir auf, dass Herr Ochi uns alle dieselben Übungen machen ließ. Die kleinen "Weißgurtstöpsel" hatten die gleichen kniffeligen Trainingsaufgaben zu lösen wie die alten, erfahrenen Karateka! Ich selbst hatte an der Ausführung der Trainingsbefehle streckenweise ganz schön zu knacken. Wie sollte es da nur meinem Sohn ergehen? Wenn ich mal einen verstohlenen Blick in seine Richtung warf, sah ich ihn aber meistens bemüht, mitzumachen. Zumindest war er nicht verzweifelt oder gelangweilt, sondern allenfalls "gelassen". Herr Ochi hat zudem auch eine so herzliche und freundliche Art besonders auch mit den Kindern umzugehen, dass alle gerne bei und von ihm lernen.
Zum Schluss der Einheit verließ meinen Sohn dann doch ein wenig die Konzentration und er schaltete etwas ab. Aber das sei ihm gegönnt. Schließlich trainiert er sonst nie länger als eine Stunde, jetzt waren es aber 90 Minuten und das noch zu fortgeschrittener Stunde! Glücklicher Weise gab es eine kurze Pause kurz vor Schluss. Als besorgte Mami lief ich sofort in Felix´ Trainings-bereich, konnte ihn aber nicht finden. Kurz darauf kam er aus dem Kabinenbereich mit einem pitschnassen Kopf und auch leicht benässtem Gi. Er hatte wohl so geschwitzt, dass er sich erst mal abkühlen musste! Na, wenn das kein Zeichen dafür ist, dass er alles gegeben hat!! Zu meiner Enttäuschung schien er mich aber auch gar nicht vermisst zu haben. Es schien ihm eher "uncool", dass "Mutti" ihn da nervte vor seinen neuen Freunden….
Am Samstag hatte Felix eigentlich vor, nachmittags mit seinem Vater Trial zu fahren. Das ist Felix´ eigentliche Leidenschaft: Motorsport.
Durch einen Motorsportverein in Kinderhaus hat er seit einem Jahr die Möglichkeit, im Sommer regelmäßig selber zu fahren. Da gibt’s keine Kindermotorräder, sondern richtige Trial-Maschinen, also spezielle Motorräder ohne Sitzbank, mit denen ein Hindernisparcours absolviert werden muss. Kein Wunder, dass Felix sich schon seit Wochen auf das erste Training dieses Jahres freute. Ich hatte befürchtet, ihn deshalb nicht an der Teilnahme zum Karatelehrgang bewegen zu können. Ein gutes Argument hatte ich aber seit Freitag-abend in der Tasche: Unsere Trainingskarten, pro Stück für teure 20 Euro erkauft!
Gibt’s denn keinen Schüler-Nachlass???? Beim Chief-Instructor vermutlich nicht….seufz….
Es war jedenfalls kein Thema: Felix wollte Samstagvormittag mit zum Karate. Und weil es alles so neu und aufregend war, kam seine Oma auch gleich mit, sie allerdings nur zum Zuschauen…Da mir klar war, dass auch ich an diesem Nachmittag nicht die zweite Einheit besuchen würde, machte ich kurzer Hand in der Unterstufen-Einheit mit und plante, dann anschließend noch bei der Oberstufe mitzumachen. Diese Entscheidung sollte ich allerdings mehr als einmal bereuen.
Puh war das anstrengend!
Zwar versuchte ich, mich zu Beginn der Unterstufen-Einheit ein wenig im Bad der Trainingsmenge zu verstecken, denn eigentlich gehörte ich hier ja nicht hin. Aber ich fiel doch auf und wurde von Herrn Ochi heraus gebeten, um das Aufwärmtrai-ning zu übernehmen. Also durfte ich zum ersten Mal meinen Sohn trainieren!!! Er hat auch gut mit gemacht.
Auch nachdem ich das Trainings-Zepter wieder an Herrn Ochi übergeben hatte, gab sich Felix alle Mühe. Er war hinterher ganz begeistert und nahm sich vor, seinem Sensei Jörg bei der nächsten Trainingseinheit zu berichten, dass er bei dem Lehrgang für die Großen dabei war! Demnächst wollen wir öfter auf Lehrgänge fahren, vielleicht auch mal außerhalb mit einer Übernachtung in einem Dojo!
Montag, 26. März 2007
Lehrgang mit Risto Kiiskilä in Heinola 2005
Karate, Sauna und ein leises Brummen
Mein erster Finnland-Lehrgang! Neben dem kritischen Auge von Risto fürchtete ich am meisten eines: Die Mückenplage! Alle, die ich zum Thema Finnland und Mücken befragt hatte, hatten gewarnt: Die Anti-Mücken-Mittel, die es hier in Deutschland zu kaufen gibt, die kannste vergessen, da kommt die finnische Mücke erst recht und freut sich über das leckere Aroma! Also immer lange Kleidung und unbedingt Moskitonetz übers Bett! Ich stellte mir das schon toll vor: So im Gi mit Imkermütze zu trainieren….Besorgt fragte meine Reisegefährtin Silke daher im Vorfeld Risto per Mail noch einmal nach eventuellen Vorsorgemaßnahmen. Seine Antwort:“ Sauna, Bier und ein leises Summen, das gehört zum finnischen Sommer einfach dazu.“ Also hab ich mir ein sehr, sehr teures Moskitonetz und hardcore Autan gekauft und gehofft, nicht allzu sehr zu leiden. Das Ende vom Lied war: Ohne das Mückennetz und das Autan auch nur ausgepackt zu haben wurde ich von keiner einzigen Mücke in Finnland gestochen….erst in der ersten Nacht zu Hause im eigenen Bett wieder! Mit dem Summen war es also nichts…statt dessen hatten wir ein ähnliches Geräusch permanent um uns herum: Die nette finnische Kleinstadt Heinola, ca. 200 km nördlich von Helsinki gelegen, liegt direkt an einem See, über den an einer Stelle eine architektonisch sehr reizvolle Autobahnbrücke führt. Diese Stelle befindet sich unmittelbar an „unserem“ Campingplatz, so dass wir Tag und Nacht nicht nur optisch etwas davon hatten, sondern eben auch akustisch, nämlich permanent ein leises Brummen der Motoren. Aber wie wir uns auch an eventuelle Mücken gewöhnt hätten, war auch die Brücke nach kurzer Zeit ein guter alter Bekannter.
Als Silke und ich am Sonntagabend am Campingplatz ankamen, war weit und breit kein bekanntes Gesicht und kein Karate-Gi zu sehen. Zunächst richteten wir uns daher in dem sehr gemütlichen Blockhaus ein. Wir waren absolut angetan von dem Ambiente und froh, dass
wir uns nicht für die einfache Holzhütte entschieden hatten. Nach und nach trudelten dann einige bekannte Gesichter ein und der erste Abend verlief eher beschaulich und voller banger Erwartung auf das Training. Eine ganze Woche Risto hatte ich bisher auch noch nicht erlebt. Und wie gut sind die Finnen? Werde ich mich blamieren? Gibt’s überhaupt außer Silke und mir noch Frauen bei diesem Lehrgang? Die Trainingszeiten wurden uns dann bald, notiert auf einer Kaffee-Filtertüte, präsentiert. Morgens 10.30 Uhr und nachmittags 16.00 Uhr. Na, das war ja direkt human.
Am nächsten Morgen traf man sich dann auf einer Wiese des Campingplatzes. Mit der Etikette schien man es nicht so genau zu nehmen: Fast alle trugen Gi-Hose, T-Shirt und Gürtel. Am zweiten Morgen ging ich auch zu dieser Kleiderordnung über. Es war im Sonnenschein ganz schön warm – auch in Finnland! Morgens stand hauptsächlich Kata auf dem Trainingsprogramm. Wir lernten die Tekki Sandan und übten auch viel Tekki Shodan. Leider fragte Risto mich bereits nach einer Weile: „Wenn eine Kata mit Uchi Uke anfängt, warum beginnst du sie mit Unsinn?“ Aufgefrischt wurden auch unsere Kenntnisse zur Hangets, die wir unzählige Male laufen durften, bis das Ergebnis akzeptabel war. Besonders schwierig für die meisten von uns: Die Ausholbewegung bei der Wendung nach dem Age Uke. Risto führte sie zig Mal vor, aber leider bekam ich sie nur selten ohne zu stocken oder zu wackeln hin.
Am letzten Trainingstag wurde uns allen quasi auf die Schnelle noch eben die Wankan näher gebracht. Von der Tekki Sandan schmerzten mir im Laufe der Woche zunehmend die Arme, der Ablauf saß aber schließlich und es gelang auch –oh Wunder- Ausdruck und Power in diese Kata zu bringen. Kein Wunder: Risto ließ uns zwischendurch immer wieder eigenständig in Gruppen üben und jede Gruppe musste „ihre“ Kata nach ca. 10 Minuten „vormachen“. Diejenigen, bei denen die Kata noch nicht saß, durften dann „Hausaufgaben“ oder „Überstunden“ machen.
Bis auf einen Vormittag konnten wir immer auf der Wiese trainieren. Da es am Mittwoch regnete, wichen wir an diesem Vormittag in die Halle aus. Freitag gab es zusätzlich und unbeabsichtigt für einige Teilnehmer ein extra „Aufwärmtraining“: Offensichtlich wurde die Anzahl der Übernachtungen nicht von allen Teilnehmern richtig verstanden. So hieß es um 10.00 Uhr: Alle müssen noch vor dem Training die Sachen gepackt und die Hütten besenrein haben. Glücklicher Weise konnten Silke und ich den Aufenthalt für eine Nacht verlängern, so konnten wir entspannt zur Wiese gehen und ohne Stress das Training beginnen. Für die Verlängerungsnacht wollte die nette Dame am Empfang allerdings schlappe 100 € haben. Es fand schließlich grade die Karaoke-WM (nicht zu verwechseln mit Karate-WM!!) in Heinola statt und so waren Betten knapp! Risto konnte den Preis für uns auf 80 € runterhandeln. Alternativ wurde uns von einem netten Finnen, einem Bekannten von Risto, angeboten, die Nacht bei ihm zu verbringen. Hierzu hätten wir allerdings auch schnell alles packen müssen. So nahmen wir dieses sehr gastfreundliche Angebot (der Herr kannte uns ja gar nicht!) dankend zur Kenntnis, lehnten es aber letztlich ab.
Nach dem „Früh“-Training ging es meistens direkt ab in den See zum Abkühlen und dann relaxten wir in der warmen Sonne. Doch lange hielt die Lethargie nicht an: Ruck zuck war es dann plötzlich wieder Zeit zum Nachmittagstraining. In der mit Tatamis ausgelegten „Jäähalli“ (auf finnisch: Halle) folgte dann ausgiebiges Khion- und Kumitetraining. Wir sollten einige Grundschulbahnen mit Mae-Geri-Kombinationen laufen. Ein anderes Mal ließ uns Risto wie Kängurus durch die Halle hüpfen oder scheuchte uns mit Kokotsu-Dachis hin und her. Es war streckenweise wirklich schon eine echte konditionelle Herausforderung! Die Gis waren ruckzuck schweißdurchtränkt und Thomas aus Gladbeck hatte schon vom vielen Schwitzen ganz schrumpelige Finger – wie sonst nur nach ausgiebigem Wannenbad! Wie immer legte Risto viel Wert auf die Schwerpunkt-Verlagerung und auf den korrekten Hüfteinsatz. Mindestens 1000 mal standen wir im Zenkutsu-Dachi und übten „Hüfte raus, Hüfte rein“ oder „Hüfte vor und zurück“. Zudem wurde die richtige Beatmung der Techniken mit lautstarkem Ha-Ha und U-We von uns verlangt. An meinen Karatekenntnissen begann ich bald zu zweifeln: Warum musste immer nur ICH Falsches vormachen? Es schien, als würde ständig nur ICH nach vorne gebeten! Manchmal wurde ich auch an meinem Platz korrigiert. Leider verstand ich häufig nur „Bahnhof“…. Warum spricht der Mann mit mir finnisch???? Meinem finnischen Nachbarn erging es nicht besser, nur war es dort umgekehrt – er wurde auf deutsch angesprochen! Apropos Finnisch: Warum sind die Finnen so schweigsam? Ganz klar, es liegt an der Sprache! Also, ich halte mich für durchschnittlich sprachbegabt … jedenfalls hab ich mit Englisch und meist auch Französisch keine Probleme. In den meisten Urlaubsländern hab ich schnell die eine oder andere Redewendung in Landessprache raus und kann in dieser wenigstens von 1-10 zählen. Aber in Finnland: No Chance! Mehr als Kippis (Prost!) und Kiitos (Danke!) war kaum drin. Ach, ein Schimpfwort konnte ich mir merken…das ließ ich dann manchmal, wenn die Anstrengung zu groß war, während des Trainings dezent durch meine Lippen zischen und erntete ein verständnisvolles Grinsen von meinen Trainingspartnern. Tatsache ist: Wer Finnisch lernen kann, der kann alles lernen!
Donnerstag Nachmittag war Risto verhindert. So kamen wir anderen in den Genuss, bei Kimmo trainieren zu dürfen. Er ist Mitglied des finnischen Nationalkaders und….sagen wir mal: sehr nett anzuschauen….dies motiviert natürlich ungemein und ich hätte gerne alles gegeben, um ein gutes Training zu absolvieren. Leider hatten wir in der Nacht vorher bis um halb drei gefeiert und nicht nur Wasser getrunken….zudem war das Training hammerhart. Ich finde das immer so niedlich, wenn Jogger mit ihren Pulsmessern rumlaufen….immer schön im aeroben Bereich bleiben oder so…also bei mir wäre in diesem Training der Pulsmesser geplatzt! Kimmos Aufforderung dazwischen: „Relax“ war wohl nicht ganz wörtlich zu nehmen, denn kaum hatte er dies ausgesprochen, hieß es schon wieder „Heian Godan“ oder so. Zudem war die Einheit gespickt mit Krafttraining, z. B. in Form von Mawashis im Sitzen! Wie kann ein Mann, der so nett ausschaut, nur so gnadenlos sein? Nach diesem Training wusste ich die finnische Sauna noch mehr zu schätzen als an den anderen Abenden! Ich war einfach nur platt! An diesem Abend gabs für mich kein Kippis!
Wo ich grad beim Thema Sauna bin: Auch die diesjährige Sauna-WM findet in Heinola statt! Da waren wir ja geradezu an der Quelle des Sauna-Glücks! Natürlich gibt es auch auf dem Campingplatz einige Sauna-Häuschen. Man kann sie gegen Gebühr stundenweise mieten. Gleich zu Beginn machte uns Risto mit einigen für uns ungewohnten finnischen Saunagepflogenheiten vertraut: Normalerweise gehen Männlein und Weiblein dort getrennt schwitzen! Es wird alle 30 Sekunden ein Aufguss gemacht, der ist dann aber ohne Aroma. Es darf auf keinen Fall die Tür geöffnet werden. Wer vor Ablauf einer viertel Stunde die Kabine verlässt, verliert sein Gesicht! Das Handtuchwedeln, wie es in deutschen Saunen üblich ist, um die Hitze in der Kabine zu verteilen, ist absolut verpönt. Flüssigkeitszufuhr ist extrem wichtig! Deshalb wird auch in der Sauna getrunken…und zwar Bier oder Cidre aus Dosen! Da war ich ja platt und hab zunächst gar nicht versucht, mich diesem Brauch anzupassen. Erst am Mittwoch hab ich es gewagt…und fand das Saunieren auf diese Art extrem lustig! Das war dann auch der Einstieg in einen langen Abend mit reichlich Kippis!
An jenem Abend war es auch, als beim Pokerspiel bewiesen wurde, dass es doch noch echte Männerdomänen gibt: Es wurde von einigen harten deutschen und finnischen Kerlen (leider) kein Stipp-Poker, sondern Hit-Poker gespielt. Der Verlierer wurde von den anderen Mitspielern reihum etliche Male in den Bauch geboxt. Einer von den finnischen Jungs ließ sich den ganzen Abend anschließend noch mal durch den Kopf gehen…und spielte dann weiter. Das war schon ganz schön verrückt!
Noch einmal sollten wir in den Genuss von Kimmos Training kommen, nämlich nach Ristos Abreise am Freitag. Obgleich der Lehrgang offiziell beendet war, waren wir, die noch nicht abgereist waren, „herzlich“ eingeladen, an dem Training teilzunehmen. Klaus aus Gladbeck und ich waren dann tatsächlich die einzigen nicht finnischen Gäste. Dennoch war Kimmo so freundlich, das Training auf Englisch abzuhalten. Allerdings schien er immer noch nicht die Bedeutung des Begriffes „Relax“ verstanden zu haben….es gab kein Relaxen!
Neben den schon erwähnten Sitz-Mawashis wurde uns nun der Shotokan-Ripaska beigebracht: Wir sollten in die Hocke gehen, von der Hocke in einen tiefen Zenkutsu-Dachi springen, wieder in die Hocke, wieder Zenkutsu, anderes Bein vor. Dann wieder Hocke und
schließlich in einen tiefen Kiba-Dachi…..dann wieder von vorne! Erst mal zum Üben schöööön langsam…und dann: hopp, hopp, hopp…..und immer lächeln…..! Auaaaa!
Abends gabs dann noch ein Abschluss-Grillen im kleinen Kreis. Die meisten waren ja schon abgereist. Wehmütig und auch ein wenig stolz ließen wir hier bei einem letzten Bier die vergangene Woche noch einmal Revue passieren. Und wir waren uns einig: Es war super, wir hatten alle viel für unser Karate dazugelernt und neue Impulse erhalten….und: Nächstes Jahr wieder!
Oss, Icky
Mein erster Finnland-Lehrgang! Neben dem kritischen Auge von Risto fürchtete ich am meisten eines: Die Mückenplage! Alle, die ich zum Thema Finnland und Mücken befragt hatte, hatten gewarnt: Die Anti-Mücken-Mittel, die es hier in Deutschland zu kaufen gibt, die kannste vergessen, da kommt die finnische Mücke erst recht und freut sich über das leckere Aroma! Also immer lange Kleidung und unbedingt Moskitonetz übers Bett! Ich stellte mir das schon toll vor: So im Gi mit Imkermütze zu trainieren….Besorgt fragte meine Reisegefährtin Silke daher im Vorfeld Risto per Mail noch einmal nach eventuellen Vorsorgemaßnahmen. Seine Antwort:“ Sauna, Bier und ein leises Summen, das gehört zum finnischen Sommer einfach dazu.“ Also hab ich mir ein sehr, sehr teures Moskitonetz und hardcore Autan gekauft und gehofft, nicht allzu sehr zu leiden. Das Ende vom Lied war: Ohne das Mückennetz und das Autan auch nur ausgepackt zu haben wurde ich von keiner einzigen Mücke in Finnland gestochen….erst in der ersten Nacht zu Hause im eigenen Bett wieder! Mit dem Summen war es also nichts…statt dessen hatten wir ein ähnliches Geräusch permanent um uns herum: Die nette finnische Kleinstadt Heinola, ca. 200 km nördlich von Helsinki gelegen, liegt direkt an einem See, über den an einer Stelle eine architektonisch sehr reizvolle Autobahnbrücke führt. Diese Stelle befindet sich unmittelbar an „unserem“ Campingplatz, so dass wir Tag und Nacht nicht nur optisch etwas davon hatten, sondern eben auch akustisch, nämlich permanent ein leises Brummen der Motoren. Aber wie wir uns auch an eventuelle Mücken gewöhnt hätten, war auch die Brücke nach kurzer Zeit ein guter alter Bekannter.
Als Silke und ich am Sonntagabend am Campingplatz ankamen, war weit und breit kein bekanntes Gesicht und kein Karate-Gi zu sehen. Zunächst richteten wir uns daher in dem sehr gemütlichen Blockhaus ein. Wir waren absolut angetan von dem Ambiente und froh, dass
wir uns nicht für die einfache Holzhütte entschieden hatten. Nach und nach trudelten dann einige bekannte Gesichter ein und der erste Abend verlief eher beschaulich und voller banger Erwartung auf das Training. Eine ganze Woche Risto hatte ich bisher auch noch nicht erlebt. Und wie gut sind die Finnen? Werde ich mich blamieren? Gibt’s überhaupt außer Silke und mir noch Frauen bei diesem Lehrgang? Die Trainingszeiten wurden uns dann bald, notiert auf einer Kaffee-Filtertüte, präsentiert. Morgens 10.30 Uhr und nachmittags 16.00 Uhr. Na, das war ja direkt human.
Am nächsten Morgen traf man sich dann auf einer Wiese des Campingplatzes. Mit der Etikette schien man es nicht so genau zu nehmen: Fast alle trugen Gi-Hose, T-Shirt und Gürtel. Am zweiten Morgen ging ich auch zu dieser Kleiderordnung über. Es war im Sonnenschein ganz schön warm – auch in Finnland! Morgens stand hauptsächlich Kata auf dem Trainingsprogramm. Wir lernten die Tekki Sandan und übten auch viel Tekki Shodan. Leider fragte Risto mich bereits nach einer Weile: „Wenn eine Kata mit Uchi Uke anfängt, warum beginnst du sie mit Unsinn?“ Aufgefrischt wurden auch unsere Kenntnisse zur Hangets, die wir unzählige Male laufen durften, bis das Ergebnis akzeptabel war. Besonders schwierig für die meisten von uns: Die Ausholbewegung bei der Wendung nach dem Age Uke. Risto führte sie zig Mal vor, aber leider bekam ich sie nur selten ohne zu stocken oder zu wackeln hin.
Am letzten Trainingstag wurde uns allen quasi auf die Schnelle noch eben die Wankan näher gebracht. Von der Tekki Sandan schmerzten mir im Laufe der Woche zunehmend die Arme, der Ablauf saß aber schließlich und es gelang auch –oh Wunder- Ausdruck und Power in diese Kata zu bringen. Kein Wunder: Risto ließ uns zwischendurch immer wieder eigenständig in Gruppen üben und jede Gruppe musste „ihre“ Kata nach ca. 10 Minuten „vormachen“. Diejenigen, bei denen die Kata noch nicht saß, durften dann „Hausaufgaben“ oder „Überstunden“ machen.
Bis auf einen Vormittag konnten wir immer auf der Wiese trainieren. Da es am Mittwoch regnete, wichen wir an diesem Vormittag in die Halle aus. Freitag gab es zusätzlich und unbeabsichtigt für einige Teilnehmer ein extra „Aufwärmtraining“: Offensichtlich wurde die Anzahl der Übernachtungen nicht von allen Teilnehmern richtig verstanden. So hieß es um 10.00 Uhr: Alle müssen noch vor dem Training die Sachen gepackt und die Hütten besenrein haben. Glücklicher Weise konnten Silke und ich den Aufenthalt für eine Nacht verlängern, so konnten wir entspannt zur Wiese gehen und ohne Stress das Training beginnen. Für die Verlängerungsnacht wollte die nette Dame am Empfang allerdings schlappe 100 € haben. Es fand schließlich grade die Karaoke-WM (nicht zu verwechseln mit Karate-WM!!) in Heinola statt und so waren Betten knapp! Risto konnte den Preis für uns auf 80 € runterhandeln. Alternativ wurde uns von einem netten Finnen, einem Bekannten von Risto, angeboten, die Nacht bei ihm zu verbringen. Hierzu hätten wir allerdings auch schnell alles packen müssen. So nahmen wir dieses sehr gastfreundliche Angebot (der Herr kannte uns ja gar nicht!) dankend zur Kenntnis, lehnten es aber letztlich ab.
Nach dem „Früh“-Training ging es meistens direkt ab in den See zum Abkühlen und dann relaxten wir in der warmen Sonne. Doch lange hielt die Lethargie nicht an: Ruck zuck war es dann plötzlich wieder Zeit zum Nachmittagstraining. In der mit Tatamis ausgelegten „Jäähalli“ (auf finnisch: Halle) folgte dann ausgiebiges Khion- und Kumitetraining. Wir sollten einige Grundschulbahnen mit Mae-Geri-Kombinationen laufen. Ein anderes Mal ließ uns Risto wie Kängurus durch die Halle hüpfen oder scheuchte uns mit Kokotsu-Dachis hin und her. Es war streckenweise wirklich schon eine echte konditionelle Herausforderung! Die Gis waren ruckzuck schweißdurchtränkt und Thomas aus Gladbeck hatte schon vom vielen Schwitzen ganz schrumpelige Finger – wie sonst nur nach ausgiebigem Wannenbad! Wie immer legte Risto viel Wert auf die Schwerpunkt-Verlagerung und auf den korrekten Hüfteinsatz. Mindestens 1000 mal standen wir im Zenkutsu-Dachi und übten „Hüfte raus, Hüfte rein“ oder „Hüfte vor und zurück“. Zudem wurde die richtige Beatmung der Techniken mit lautstarkem Ha-Ha und U-We von uns verlangt. An meinen Karatekenntnissen begann ich bald zu zweifeln: Warum musste immer nur ICH Falsches vormachen? Es schien, als würde ständig nur ICH nach vorne gebeten! Manchmal wurde ich auch an meinem Platz korrigiert. Leider verstand ich häufig nur „Bahnhof“…. Warum spricht der Mann mit mir finnisch???? Meinem finnischen Nachbarn erging es nicht besser, nur war es dort umgekehrt – er wurde auf deutsch angesprochen! Apropos Finnisch: Warum sind die Finnen so schweigsam? Ganz klar, es liegt an der Sprache! Also, ich halte mich für durchschnittlich sprachbegabt … jedenfalls hab ich mit Englisch und meist auch Französisch keine Probleme. In den meisten Urlaubsländern hab ich schnell die eine oder andere Redewendung in Landessprache raus und kann in dieser wenigstens von 1-10 zählen. Aber in Finnland: No Chance! Mehr als Kippis (Prost!) und Kiitos (Danke!) war kaum drin. Ach, ein Schimpfwort konnte ich mir merken…das ließ ich dann manchmal, wenn die Anstrengung zu groß war, während des Trainings dezent durch meine Lippen zischen und erntete ein verständnisvolles Grinsen von meinen Trainingspartnern. Tatsache ist: Wer Finnisch lernen kann, der kann alles lernen!
Donnerstag Nachmittag war Risto verhindert. So kamen wir anderen in den Genuss, bei Kimmo trainieren zu dürfen. Er ist Mitglied des finnischen Nationalkaders und….sagen wir mal: sehr nett anzuschauen….dies motiviert natürlich ungemein und ich hätte gerne alles gegeben, um ein gutes Training zu absolvieren. Leider hatten wir in der Nacht vorher bis um halb drei gefeiert und nicht nur Wasser getrunken….zudem war das Training hammerhart. Ich finde das immer so niedlich, wenn Jogger mit ihren Pulsmessern rumlaufen….immer schön im aeroben Bereich bleiben oder so…also bei mir wäre in diesem Training der Pulsmesser geplatzt! Kimmos Aufforderung dazwischen: „Relax“ war wohl nicht ganz wörtlich zu nehmen, denn kaum hatte er dies ausgesprochen, hieß es schon wieder „Heian Godan“ oder so. Zudem war die Einheit gespickt mit Krafttraining, z. B. in Form von Mawashis im Sitzen! Wie kann ein Mann, der so nett ausschaut, nur so gnadenlos sein? Nach diesem Training wusste ich die finnische Sauna noch mehr zu schätzen als an den anderen Abenden! Ich war einfach nur platt! An diesem Abend gabs für mich kein Kippis!
Wo ich grad beim Thema Sauna bin: Auch die diesjährige Sauna-WM findet in Heinola statt! Da waren wir ja geradezu an der Quelle des Sauna-Glücks! Natürlich gibt es auch auf dem Campingplatz einige Sauna-Häuschen. Man kann sie gegen Gebühr stundenweise mieten. Gleich zu Beginn machte uns Risto mit einigen für uns ungewohnten finnischen Saunagepflogenheiten vertraut: Normalerweise gehen Männlein und Weiblein dort getrennt schwitzen! Es wird alle 30 Sekunden ein Aufguss gemacht, der ist dann aber ohne Aroma. Es darf auf keinen Fall die Tür geöffnet werden. Wer vor Ablauf einer viertel Stunde die Kabine verlässt, verliert sein Gesicht! Das Handtuchwedeln, wie es in deutschen Saunen üblich ist, um die Hitze in der Kabine zu verteilen, ist absolut verpönt. Flüssigkeitszufuhr ist extrem wichtig! Deshalb wird auch in der Sauna getrunken…und zwar Bier oder Cidre aus Dosen! Da war ich ja platt und hab zunächst gar nicht versucht, mich diesem Brauch anzupassen. Erst am Mittwoch hab ich es gewagt…und fand das Saunieren auf diese Art extrem lustig! Das war dann auch der Einstieg in einen langen Abend mit reichlich Kippis!
An jenem Abend war es auch, als beim Pokerspiel bewiesen wurde, dass es doch noch echte Männerdomänen gibt: Es wurde von einigen harten deutschen und finnischen Kerlen (leider) kein Stipp-Poker, sondern Hit-Poker gespielt. Der Verlierer wurde von den anderen Mitspielern reihum etliche Male in den Bauch geboxt. Einer von den finnischen Jungs ließ sich den ganzen Abend anschließend noch mal durch den Kopf gehen…und spielte dann weiter. Das war schon ganz schön verrückt!
Noch einmal sollten wir in den Genuss von Kimmos Training kommen, nämlich nach Ristos Abreise am Freitag. Obgleich der Lehrgang offiziell beendet war, waren wir, die noch nicht abgereist waren, „herzlich“ eingeladen, an dem Training teilzunehmen. Klaus aus Gladbeck und ich waren dann tatsächlich die einzigen nicht finnischen Gäste. Dennoch war Kimmo so freundlich, das Training auf Englisch abzuhalten. Allerdings schien er immer noch nicht die Bedeutung des Begriffes „Relax“ verstanden zu haben….es gab kein Relaxen!
Neben den schon erwähnten Sitz-Mawashis wurde uns nun der Shotokan-Ripaska beigebracht: Wir sollten in die Hocke gehen, von der Hocke in einen tiefen Zenkutsu-Dachi springen, wieder in die Hocke, wieder Zenkutsu, anderes Bein vor. Dann wieder Hocke und
schließlich in einen tiefen Kiba-Dachi…..dann wieder von vorne! Erst mal zum Üben schöööön langsam…und dann: hopp, hopp, hopp…..und immer lächeln…..! Auaaaa!
Abends gabs dann noch ein Abschluss-Grillen im kleinen Kreis. Die meisten waren ja schon abgereist. Wehmütig und auch ein wenig stolz ließen wir hier bei einem letzten Bier die vergangene Woche noch einmal Revue passieren. Und wir waren uns einig: Es war super, wir hatten alle viel für unser Karate dazugelernt und neue Impulse erhalten….und: Nächstes Jahr wieder!
Oss, Icky
Dan-Vorbereitung bei Risto Kiiskilä 2004
» Shopping « - Erlebnis bei Risto Kiiskilä
Nach vielen Jahren Karate-Training, unterbrochen von drei Baby-Pausen, stehe ich nun an der Schwelle zum 1.Dan.
Oft habe ich ja schon gehört, dass mit dem 1. Dan das eigentliche Karate-Training erst anfängt. So richtig deutlich wurde mir dies aber wieder mal bei dem Dan-Vorbereitungs-Lehrgang von Risto Kiiskilä am 20.März in seinem Dojo in Frankfurt. Da das Training schon um 10 Uhr beginnen sollte und Frankfurt für Münsteraner leider nicht grade vor der Tür liegt, erkundigten wir uns bei Risto vorher, ob es möglich sei, schon am Vorabend anzureisen. Es folgte Ristos Einladung, im Dojo zu übernachten und bereits am Dojo-internen Karatetraining am Freitag mitzumachen. Da das Dojo wegen einer Grippewelle an diesem Abend nur mäßig besucht war, standen wir drei aus Münster bereits in dieser Einheit im Focus der Aufmerksamkeit des Senseis. Eigentlich waren alle Techniken ganz vertraut und doch irgendwie eine Spur anders als sonst. Ich hätte eigentlich gleich nach dieser Einheit wieder fahren können, hatte ich doch für das nächste halbe Jahr schon genug Neues gelernt. Das will ja erst mal umgesetzt werden!
Im Laufe des Samstagvormittags füllte sich dann das Dojo. Insgesamt war es eine lockere, familiäre Atmosphäre. Dennoch lag ein Hauch Spannung in der Luft: Was wird Risto von uns erwarten? Wird er uns -wie im Werbe-Flyer für diesen Lehrgang angekündigt- persönliche Trainingspläne mit auf den Weg geben?
Pünktlich um 10 Uhr begann die erste Einheit und wir trainierten durch bis 16 Uhr mit lediglich zwei kurzen Pausen. Risto und sein Helferteam hatten ein liebevolles Buffet zusammengestellt. Es sollte hier keiner vom Fleisch fallen! Mir persönlich fällt es allerdings schwer, kurz nach und vor Trainingseinheiten etwas zu essen.
Das Prüfungsprogramm zum 1. Dan wurde hier natürlich rauf- und runtergebetet.
Wir begannen mit Kihon. Bei Kombinationen sollten wir auf den richtigen Rhythmus achten und darauf, dass die einzelnen Techniken nicht überrannt werden. Risto legte wie immer besonderen Wert auf korrekte Atmung. Wir Karateka sind es ja normalerweise gewohnt, beim Training die Zähne zusammenzubeißen, um das Durchhaltevermögen zu stärken. Nun wurde aber der ein oder andere daran erinnert, dies nicht allzu wörtlich zu nehmen, da sonst die Atmung behindert würde.
Sehr viel Wert wurde auch auf korrekte Ausholbewegungen gelegt.
Ach ja, der leidige Hüfteinsatz! Nach dem Motto "1000 Mal gehört, 1000 Mal ist nix passiert" erfuhren wohl einige von uns, dass unser Hüfteinsatz jedenfalls nicht den Anforderungen des Sensei entsprach!
Besonders bei den Richtungswechseln in den Heian-Kata machte Risto deutlich, dass hier noch viel Übung nötig ist.
Das Thema Kata wurde dann auch von allen Seiten durchleuchtet: Die einzelnen Heian-Kata, quasi zum Warmwerden, dann alle Sentei-Kata. Wir wurden in Gruppen aufgeteilt, je nachdem, welche Kürkata wir gewählt hatten. Der Großteil wählte die Bassai-Dai, gefolgt von der Jion. Als einziger Enpi-Fan ging mein Dojo-Gefährte Michael auf die Matten. Er führte wie immer eine tolle Kata vor. Dennoch konnte selbst hier Risto noch einen Verbesserungsvorschlag machen.
Anschließend konnten wir ein wenig Luft holen, während Risto einen kleinen Vortrag hielt: Jeder Trainingsaspekt hat seine eigene Aufgabe. Bei Khion liegt z. B. ein Schwerpunkt auf der Körperspannung. "Es gibt bei Kihon keinen Gegner. Das war die größte Enttäuschung meines Lebens!", bedauerte Risto.
Im Bereich des Kihon-Ippon-Kumite geht es darum, die einzelnen Angriffs-und Abwehrtechniken grundschulmäßig korrekt auszuführen.
Beim Jiyu-Ippon-Kumite schließlich soll auch die richtige Distanz geschult werden und die kontinuierliche, überdauernde Wachsamkeit, das Zanshin. Man soll zudem jetzt nicht mehr immer nur starr nach hinten rausgehen, sondern auch mal seitlich mit Sabaki.
Wir übten dann eigentlich recht unspektakuläre Techniken, wie Age-Uke, Soto-Uke, Gedan-Barai bzw. Nagashi-Uke, jeweils nach hinten, rechts oder links raus, je nachdem, welche Technik abzuwehren war. Wichtig war, zunächst das vordere Bein zu belasten, dann das Körpergewicht nach hinten zu verlagern und beim Konter wieder nach vorne in den Gegner reinzugehen. So schlicht die Kombinationen schienen, so wirkungsvoll waren sie.
Einige Fragezeichen tauchten wohl in den Mienen der Trainierenden auf, ob das denn wohl für die Dan-Prüfung ausreiche...."Das reicht bis zum 6. Dan. Mehr kann ich auch nicht!", war Ristos Antwort.
Naja, dass dieser Mann viel, viel mehr kann, wissen wir wohl alle, aber ebenso können wir uns vorstellen, dass diese finnische Granate tatsächlich auch mit wenigen, unspektakulären Techniken selbst den härtesten Gegner aus den Puschen haut!
Ach ja, die angekündigten persönlichen Trainingspläne gab es leider nicht, zumindest nicht schriftlich, auf einem Blatt Papier mit Hinweisen wie "mehr auf Hüfte achten" oder "für stärkeres Kime täglich 50 Liegestütze", wie ich mir das -vielleicht etwas naiv- vorgestellt hatte. Man mußte schon genau und selbst-kritisch dem Training folgen, um für sich individuell das Wesentliche herauszufischen.
Jeder, der Risto persönlich zwischen den Einheiten oder nach Ende des Trainings ansprach, wurde wirklich unermüdlich und intensiv von ihm betreut!
Der Lehrgang hat mich persönlich unglaublich nach vorne gebracht. Viele neue Aspekte werde ich vermutlich erst lange nach der Prüfung zum 1. Dan umsetzen können. Ich war auch sehr beeindruckt von der Fülle an Informationen, obwohl dies nicht mein erster Risto-Lehrgang war!
Ein Lehrgang bei ihm ist, so meine Vereinskameradin Heide, wie ein Shopping-Erlebnis: man hat ein riesiges Angebot an Karate-Eindrücken und kann für sich persönlich das in seinen "Einkaufswagen" packen,
was einem am Wichtigsten ist. Zu Hause kann man dann in Ruhe auspacken und das Beste daraus machen!
Nach vielen Jahren Karate-Training, unterbrochen von drei Baby-Pausen, stehe ich nun an der Schwelle zum 1.Dan.
Oft habe ich ja schon gehört, dass mit dem 1. Dan das eigentliche Karate-Training erst anfängt. So richtig deutlich wurde mir dies aber wieder mal bei dem Dan-Vorbereitungs-Lehrgang von Risto Kiiskilä am 20.März in seinem Dojo in Frankfurt. Da das Training schon um 10 Uhr beginnen sollte und Frankfurt für Münsteraner leider nicht grade vor der Tür liegt, erkundigten wir uns bei Risto vorher, ob es möglich sei, schon am Vorabend anzureisen. Es folgte Ristos Einladung, im Dojo zu übernachten und bereits am Dojo-internen Karatetraining am Freitag mitzumachen. Da das Dojo wegen einer Grippewelle an diesem Abend nur mäßig besucht war, standen wir drei aus Münster bereits in dieser Einheit im Focus der Aufmerksamkeit des Senseis. Eigentlich waren alle Techniken ganz vertraut und doch irgendwie eine Spur anders als sonst. Ich hätte eigentlich gleich nach dieser Einheit wieder fahren können, hatte ich doch für das nächste halbe Jahr schon genug Neues gelernt. Das will ja erst mal umgesetzt werden!
Im Laufe des Samstagvormittags füllte sich dann das Dojo. Insgesamt war es eine lockere, familiäre Atmosphäre. Dennoch lag ein Hauch Spannung in der Luft: Was wird Risto von uns erwarten? Wird er uns -wie im Werbe-Flyer für diesen Lehrgang angekündigt- persönliche Trainingspläne mit auf den Weg geben?
Pünktlich um 10 Uhr begann die erste Einheit und wir trainierten durch bis 16 Uhr mit lediglich zwei kurzen Pausen. Risto und sein Helferteam hatten ein liebevolles Buffet zusammengestellt. Es sollte hier keiner vom Fleisch fallen! Mir persönlich fällt es allerdings schwer, kurz nach und vor Trainingseinheiten etwas zu essen.
Das Prüfungsprogramm zum 1. Dan wurde hier natürlich rauf- und runtergebetet.
Wir begannen mit Kihon. Bei Kombinationen sollten wir auf den richtigen Rhythmus achten und darauf, dass die einzelnen Techniken nicht überrannt werden. Risto legte wie immer besonderen Wert auf korrekte Atmung. Wir Karateka sind es ja normalerweise gewohnt, beim Training die Zähne zusammenzubeißen, um das Durchhaltevermögen zu stärken. Nun wurde aber der ein oder andere daran erinnert, dies nicht allzu wörtlich zu nehmen, da sonst die Atmung behindert würde.
Sehr viel Wert wurde auch auf korrekte Ausholbewegungen gelegt.
Ach ja, der leidige Hüfteinsatz! Nach dem Motto "1000 Mal gehört, 1000 Mal ist nix passiert" erfuhren wohl einige von uns, dass unser Hüfteinsatz jedenfalls nicht den Anforderungen des Sensei entsprach!
Besonders bei den Richtungswechseln in den Heian-Kata machte Risto deutlich, dass hier noch viel Übung nötig ist.
Das Thema Kata wurde dann auch von allen Seiten durchleuchtet: Die einzelnen Heian-Kata, quasi zum Warmwerden, dann alle Sentei-Kata. Wir wurden in Gruppen aufgeteilt, je nachdem, welche Kürkata wir gewählt hatten. Der Großteil wählte die Bassai-Dai, gefolgt von der Jion. Als einziger Enpi-Fan ging mein Dojo-Gefährte Michael auf die Matten. Er führte wie immer eine tolle Kata vor. Dennoch konnte selbst hier Risto noch einen Verbesserungsvorschlag machen.
Anschließend konnten wir ein wenig Luft holen, während Risto einen kleinen Vortrag hielt: Jeder Trainingsaspekt hat seine eigene Aufgabe. Bei Khion liegt z. B. ein Schwerpunkt auf der Körperspannung. "Es gibt bei Kihon keinen Gegner. Das war die größte Enttäuschung meines Lebens!", bedauerte Risto.
Im Bereich des Kihon-Ippon-Kumite geht es darum, die einzelnen Angriffs-und Abwehrtechniken grundschulmäßig korrekt auszuführen.
Beim Jiyu-Ippon-Kumite schließlich soll auch die richtige Distanz geschult werden und die kontinuierliche, überdauernde Wachsamkeit, das Zanshin. Man soll zudem jetzt nicht mehr immer nur starr nach hinten rausgehen, sondern auch mal seitlich mit Sabaki.
Wir übten dann eigentlich recht unspektakuläre Techniken, wie Age-Uke, Soto-Uke, Gedan-Barai bzw. Nagashi-Uke, jeweils nach hinten, rechts oder links raus, je nachdem, welche Technik abzuwehren war. Wichtig war, zunächst das vordere Bein zu belasten, dann das Körpergewicht nach hinten zu verlagern und beim Konter wieder nach vorne in den Gegner reinzugehen. So schlicht die Kombinationen schienen, so wirkungsvoll waren sie.
Einige Fragezeichen tauchten wohl in den Mienen der Trainierenden auf, ob das denn wohl für die Dan-Prüfung ausreiche...."Das reicht bis zum 6. Dan. Mehr kann ich auch nicht!", war Ristos Antwort.
Naja, dass dieser Mann viel, viel mehr kann, wissen wir wohl alle, aber ebenso können wir uns vorstellen, dass diese finnische Granate tatsächlich auch mit wenigen, unspektakulären Techniken selbst den härtesten Gegner aus den Puschen haut!
Ach ja, die angekündigten persönlichen Trainingspläne gab es leider nicht, zumindest nicht schriftlich, auf einem Blatt Papier mit Hinweisen wie "mehr auf Hüfte achten" oder "für stärkeres Kime täglich 50 Liegestütze", wie ich mir das -vielleicht etwas naiv- vorgestellt hatte. Man mußte schon genau und selbst-kritisch dem Training folgen, um für sich individuell das Wesentliche herauszufischen.
Jeder, der Risto persönlich zwischen den Einheiten oder nach Ende des Trainings ansprach, wurde wirklich unermüdlich und intensiv von ihm betreut!
Der Lehrgang hat mich persönlich unglaublich nach vorne gebracht. Viele neue Aspekte werde ich vermutlich erst lange nach der Prüfung zum 1. Dan umsetzen können. Ich war auch sehr beeindruckt von der Fülle an Informationen, obwohl dies nicht mein erster Risto-Lehrgang war!
Ein Lehrgang bei ihm ist, so meine Vereinskameradin Heide, wie ein Shopping-Erlebnis: man hat ein riesiges Angebot an Karate-Eindrücken und kann für sich persönlich das in seinen "Einkaufswagen" packen,
was einem am Wichtigsten ist. Zu Hause kann man dann in Ruhe auspacken und das Beste daraus machen!
Boom-tschi-Boom Trainingslager Michi Jarchau 2004
Boom-tschi-Boom
Bericht vom Trainingslager mit Michael Jarchau
Von Icky
...so schlägt das Herz des Karatekas! Zumindest während des diesjährigen Trainingslagers unter der Leitung von Michael Jarchau wurden unsere Herzen und damit eigentlich auch Körper und Geist in diesen Rhythmus gebracht. Besonders zum Schluß der letzten Trainingseinheit am Samstag Nachmittag war in meinem Kopf kein Platz mehr für andere Gedanken als eben boom-tschi-boom, in etwa gleichzusetzen mit Angriff, Block, Konter. Kaum ein anderer Trainer hat diese Begabung, Techniken und ihre Ausführung so lautmalerisch und plastisch zu demonstrieren wie Michael! Es wird meist nicht lange umschrieben, was zu tun ist, sondern kurz vorgemacht mit entsprechenden Ausdrücken, die auch whooomm, bamm oder ähnlich lauten können. Schön ist es auch, wenn die von Michael ausgeführte Technik dann auch noch zu diesen Lauten passt. Versuche ich anschließend, z. B. einen Yoko-Geri wie vorgemacht auszuführen, höre ich im Geiste zwar diese Laute, sie bilden aber leider keine Einheit mit meiner Technik! Da muß noch viel geübt werden.
Das Trainingslager bot jedenfalls wieder unglaublich viel für alle, am meisten aber wohl für alle Dan-Anwärter/-innen! Das Prüfungsprogramm zum 1. Dan war nämlich ein Schwerpunkt, sei es in der Grundschule als auch beim Kumite. Aufgelockert wurde das Training meist durch originelle und abwechselungsreiche Aufwärmübungen und -spielchen.
Bei der ersten Trainingseinheit am Freitagabend wurde viel Khion trainiert. Es gab anspruchsvolle Kombinationen, und Michael wies jeweils auf besondere Schwierigkeiten bei den Kombinationen hin oder gab uns Tipps, wie die Techniken besser auszuführen sind. Bei der Kombination Kokotsu-Dachi mit Shuto-Uke, Kizami-Mae-Geri, ist es besonders wichtig, dass die Knie im KK eine starke Aussenspannung haben. Wenn das Knie des tretenden Beines dann noch vorher richtig hochgezogen wird, passt die Technik eigentlich immer...Hauptsache, ich denke auch in der Prüfung immer schön dran...
Bei den anschließenden Kumite-Übungen wurde schnell klar, dass es mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad auch zunehmend Distanzprobleme gibt. Harmonierte das Partnertraining beim Gohon-Kumite noch einigermassen, und beim Khion-Ippon-Kumite vielleicht auch noch, fehlten doch beim Jiyu-Ippon-Kumite oft ein paar Zentimeter. Zum Abschluß der Einheit wurden wir in Gruppen zu ca. 4 Personen aufgeteilt. Einer stellte sich frontal den anderen gegenüber, die anderen drei in einer Reihe hintereinander. Die drei in der Reihe griffen dann nacheinander den gegenüberstehenden mit Kizami-Tsuki an und dieser blockte und konterte. Hier kam dann schon massive Kritik: bereits vor dem Angriff standen die meisten von uns schon viel zu nah am Partner, so dass sich der Angreifer selbst schon im Gefahrenbereich befindet und leicht quasi vorab abgekontert werden konnte!
Am nächsten Morgen, gnadenlose 8 Uhr früh, war mein System irgendwie noch nicht hochgefahren und ich hatte echte Koordinations- und Konditionsprobleme. Mit dem netten Klaus aus Wesel machte ich interessante Partnerübungen, bei denen es sich meist um Kata-Bunkai handelte. Tori griff beispielsweise an mit Yodan-Tsuki, Uke blockt mit der Ausholbewegung zum Age-Uke, und der Age-Uke selber war dann ein zum Kinn des Partners gerichteter Angriff. Dergleichen gab es einige Übungen, die oft einfach "mal anders" waren, als das, was man sonst so übt. Zum Abschluß der zweiten Einheit liefen wir einige Katas und es gab die obligatorischen 10 Tsukis im Kiba-Dachi.
Dritte Einheit, so, endlich, nach dem ausgiebigen Frühstück, war ich so richtig wach und hoch motiviert. Diesmal kein großartiges Aufwärmen, zu Beginn gleich Partnerübung Ashi-Barai, Kizami-Tsuki/Gyaku-Tsuki! Zu meiner Genugtuung hatte ich zufällig Pom als Partner! Nach einigen "frauenfeindlichen" Frotzeleien im letzten Dojo-Info und beim Frühstück hatte ich ihm unmittelbar vor der Einheit schon einiges Versprochen, sollte er mich im Training als Partnerin bekommen. Tja, und da stand er nun und grinste gequält bei meinem Anblick... dennoch war es ein sehr harmonisches Partnertraining, bei dem wir uns allerdings auch nichts geschenkt haben. Auch in dieser Einheit übten wir viele interessante Block-Konter-Variantionen am Partner. Diesmal konnte ich aber etwas besser folgen. Bei der letzten Kombination sah ich dann aber doch wohl etwas alt aus. Wir sollten Ushiro-Geri blocken, indem wir rückwärts rausgleiten und den Tritt mit offenen Händen herunterblocken, anschließend mit Mae-Tobi-Geri kontern. Naja, perfekt war das wahrlich nicht, was ich da versucht habe, hat aber echt Spaß gemacht. Während und nach dieser Einheit stand ich dermassen unter Strom, ich hätte stundenlang weitertrainieren können! Trotz zum Teil deutlichen Körperkontakts tat nichts weh, ich war hochmotiviert und wollte eigentlich am liebsten alle Übungen nochmal durchgehen. So ging ich unter Kopfschütteln der meisten anderen mit Heide noch ein wenig vor den Sandsack wo wir noch ein paar Fußtritte übten.
Während der Mittagspause wurden die Glückshormone in meinem Körper dann allmählich abgebaut. Es zwickte hier und da und boh, guck mal der blaue Fleck und so weiter. Nach gemäßigter Nahrungszufuhr stellte sich dann auch pünktlich zu Beginn der letzten Einheit dann leider mein obligatorisches Mittagstief ein.... Aber, keine Gnade! Michael-typisch wurde aus einer relativ einfachen Komination, nämlich Kizami/Gyaku-Tsuki, nach und nach ein vielfältiges Kampfgeschehen mit von Durchgang zu Durchgang wechselnden Techniken entwickelt. Hier musste man echt verdammt aufpassen, dass man alles auf den Schirm kriegt und sich nicht buchstäblich "verhaut". Meine super-starke Partnerin Diana (1. Dan, Nachnamen weiß ich leider nicht) holte das letzte aus mir heraus, hier gab es wirklich kein Pardon! Jeder schlechte Block verursachte Schmerzen, jeder Chudan-Treffer war ein echter Erfolg, Schweiß lief in Sturzbächen über mein Gesicht, brannte in den Augen, nahm mir die Sicht. Vor Erschöpfung rauschte es schon in meinen Ohren und die Kopfhaut fing an zu prickeln....aber DURCHHALTEN, noch kam kein YAME. Und weiter, und noch ein Angriff und Konter und boh, wo nimmt die Frau die Kraft her??? Ich habe glaub ich bisher noch nie so lange an einem Stück so hart trainiert wie in dieser Einheit! Als dieser Teil dann vorbei war und die Pratzen für die letzte Gib-nochmal-richtig-Gas-Übung rausgeholt wurden, war ich echt am Ende meiner Kräfte. Freiwillig und gerne bot ich mich an, als lebender Sandsack zu fungieren und dachte, so ein wenig Kraft tanken zu können. Leider hatte ich nicht mit so vielen so starken Techniken gerechnet! Keine Chance, sich zu erholen! Als es dann an mir war, gegen die Pölsterken zu treten und zu schlagen, ging es nur noch darum, nicht zusammenzubrechen. Ich taumelte nur noch von Pratze zu Pratze. Ist das der Sieg des Geistes über den Körper? Dann fiel der Sieg aber recht jämmerlich aus... Naja, bis zu diesem ultimativ letzten Teil hatte ich mich ja recht wacker geschlagen und so kam ich nach dem Duschen zu dem Schluß, dass ich zwar nicht jedes Wochenende so einen Lehrgang vertragen könnte, aber vielleicht einmal im Monat!!?!?!?!!
Zum Schluß möchte ich an ALLE Oberstufen-Teilnehmer appellieren, sich diesen Lehrgang nächstes Jahr NICHT entgehen zu lassen. Wenn sich der eine oder andere vielleicht von meiner "dramatischen" Schilderung abgeschreckt fühlt: Übertreibung ist ja auch ein rhetorisches Mittel....und in wieweit man sich verausgaben möchte und alles geben will, das bleibt ja jedem selbst überlassen. Diesmal haben sich wohl viele Teilnehmer sehr kurzfristig angemeldet, so dass es sehr schwierig war, den Lehrgang -besonders in Bezug auf das Essen- vorzubereiten. Wenn ich bei dem einen oder anderen das Interesse geweckt habe, nächstes Jahr mitzumachen, meldet euch bitte fristgerecht an!
*****
Bericht vom Trainingslager mit Michael Jarchau
Von Icky
...so schlägt das Herz des Karatekas! Zumindest während des diesjährigen Trainingslagers unter der Leitung von Michael Jarchau wurden unsere Herzen und damit eigentlich auch Körper und Geist in diesen Rhythmus gebracht. Besonders zum Schluß der letzten Trainingseinheit am Samstag Nachmittag war in meinem Kopf kein Platz mehr für andere Gedanken als eben boom-tschi-boom, in etwa gleichzusetzen mit Angriff, Block, Konter. Kaum ein anderer Trainer hat diese Begabung, Techniken und ihre Ausführung so lautmalerisch und plastisch zu demonstrieren wie Michael! Es wird meist nicht lange umschrieben, was zu tun ist, sondern kurz vorgemacht mit entsprechenden Ausdrücken, die auch whooomm, bamm oder ähnlich lauten können. Schön ist es auch, wenn die von Michael ausgeführte Technik dann auch noch zu diesen Lauten passt. Versuche ich anschließend, z. B. einen Yoko-Geri wie vorgemacht auszuführen, höre ich im Geiste zwar diese Laute, sie bilden aber leider keine Einheit mit meiner Technik! Da muß noch viel geübt werden.
Das Trainingslager bot jedenfalls wieder unglaublich viel für alle, am meisten aber wohl für alle Dan-Anwärter/-innen! Das Prüfungsprogramm zum 1. Dan war nämlich ein Schwerpunkt, sei es in der Grundschule als auch beim Kumite. Aufgelockert wurde das Training meist durch originelle und abwechselungsreiche Aufwärmübungen und -spielchen.
Bei der ersten Trainingseinheit am Freitagabend wurde viel Khion trainiert. Es gab anspruchsvolle Kombinationen, und Michael wies jeweils auf besondere Schwierigkeiten bei den Kombinationen hin oder gab uns Tipps, wie die Techniken besser auszuführen sind. Bei der Kombination Kokotsu-Dachi mit Shuto-Uke, Kizami-Mae-Geri, ist es besonders wichtig, dass die Knie im KK eine starke Aussenspannung haben. Wenn das Knie des tretenden Beines dann noch vorher richtig hochgezogen wird, passt die Technik eigentlich immer...Hauptsache, ich denke auch in der Prüfung immer schön dran...
Bei den anschließenden Kumite-Übungen wurde schnell klar, dass es mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad auch zunehmend Distanzprobleme gibt. Harmonierte das Partnertraining beim Gohon-Kumite noch einigermassen, und beim Khion-Ippon-Kumite vielleicht auch noch, fehlten doch beim Jiyu-Ippon-Kumite oft ein paar Zentimeter. Zum Abschluß der Einheit wurden wir in Gruppen zu ca. 4 Personen aufgeteilt. Einer stellte sich frontal den anderen gegenüber, die anderen drei in einer Reihe hintereinander. Die drei in der Reihe griffen dann nacheinander den gegenüberstehenden mit Kizami-Tsuki an und dieser blockte und konterte. Hier kam dann schon massive Kritik: bereits vor dem Angriff standen die meisten von uns schon viel zu nah am Partner, so dass sich der Angreifer selbst schon im Gefahrenbereich befindet und leicht quasi vorab abgekontert werden konnte!
Am nächsten Morgen, gnadenlose 8 Uhr früh, war mein System irgendwie noch nicht hochgefahren und ich hatte echte Koordinations- und Konditionsprobleme. Mit dem netten Klaus aus Wesel machte ich interessante Partnerübungen, bei denen es sich meist um Kata-Bunkai handelte. Tori griff beispielsweise an mit Yodan-Tsuki, Uke blockt mit der Ausholbewegung zum Age-Uke, und der Age-Uke selber war dann ein zum Kinn des Partners gerichteter Angriff. Dergleichen gab es einige Übungen, die oft einfach "mal anders" waren, als das, was man sonst so übt. Zum Abschluß der zweiten Einheit liefen wir einige Katas und es gab die obligatorischen 10 Tsukis im Kiba-Dachi.
Dritte Einheit, so, endlich, nach dem ausgiebigen Frühstück, war ich so richtig wach und hoch motiviert. Diesmal kein großartiges Aufwärmen, zu Beginn gleich Partnerübung Ashi-Barai, Kizami-Tsuki/Gyaku-Tsuki! Zu meiner Genugtuung hatte ich zufällig Pom als Partner! Nach einigen "frauenfeindlichen" Frotzeleien im letzten Dojo-Info und beim Frühstück hatte ich ihm unmittelbar vor der Einheit schon einiges Versprochen, sollte er mich im Training als Partnerin bekommen. Tja, und da stand er nun und grinste gequält bei meinem Anblick... dennoch war es ein sehr harmonisches Partnertraining, bei dem wir uns allerdings auch nichts geschenkt haben. Auch in dieser Einheit übten wir viele interessante Block-Konter-Variantionen am Partner. Diesmal konnte ich aber etwas besser folgen. Bei der letzten Kombination sah ich dann aber doch wohl etwas alt aus. Wir sollten Ushiro-Geri blocken, indem wir rückwärts rausgleiten und den Tritt mit offenen Händen herunterblocken, anschließend mit Mae-Tobi-Geri kontern. Naja, perfekt war das wahrlich nicht, was ich da versucht habe, hat aber echt Spaß gemacht. Während und nach dieser Einheit stand ich dermassen unter Strom, ich hätte stundenlang weitertrainieren können! Trotz zum Teil deutlichen Körperkontakts tat nichts weh, ich war hochmotiviert und wollte eigentlich am liebsten alle Übungen nochmal durchgehen. So ging ich unter Kopfschütteln der meisten anderen mit Heide noch ein wenig vor den Sandsack wo wir noch ein paar Fußtritte übten.
Während der Mittagspause wurden die Glückshormone in meinem Körper dann allmählich abgebaut. Es zwickte hier und da und boh, guck mal der blaue Fleck und so weiter. Nach gemäßigter Nahrungszufuhr stellte sich dann auch pünktlich zu Beginn der letzten Einheit dann leider mein obligatorisches Mittagstief ein.... Aber, keine Gnade! Michael-typisch wurde aus einer relativ einfachen Komination, nämlich Kizami/Gyaku-Tsuki, nach und nach ein vielfältiges Kampfgeschehen mit von Durchgang zu Durchgang wechselnden Techniken entwickelt. Hier musste man echt verdammt aufpassen, dass man alles auf den Schirm kriegt und sich nicht buchstäblich "verhaut". Meine super-starke Partnerin Diana (1. Dan, Nachnamen weiß ich leider nicht) holte das letzte aus mir heraus, hier gab es wirklich kein Pardon! Jeder schlechte Block verursachte Schmerzen, jeder Chudan-Treffer war ein echter Erfolg, Schweiß lief in Sturzbächen über mein Gesicht, brannte in den Augen, nahm mir die Sicht. Vor Erschöpfung rauschte es schon in meinen Ohren und die Kopfhaut fing an zu prickeln....aber DURCHHALTEN, noch kam kein YAME. Und weiter, und noch ein Angriff und Konter und boh, wo nimmt die Frau die Kraft her??? Ich habe glaub ich bisher noch nie so lange an einem Stück so hart trainiert wie in dieser Einheit! Als dieser Teil dann vorbei war und die Pratzen für die letzte Gib-nochmal-richtig-Gas-Übung rausgeholt wurden, war ich echt am Ende meiner Kräfte. Freiwillig und gerne bot ich mich an, als lebender Sandsack zu fungieren und dachte, so ein wenig Kraft tanken zu können. Leider hatte ich nicht mit so vielen so starken Techniken gerechnet! Keine Chance, sich zu erholen! Als es dann an mir war, gegen die Pölsterken zu treten und zu schlagen, ging es nur noch darum, nicht zusammenzubrechen. Ich taumelte nur noch von Pratze zu Pratze. Ist das der Sieg des Geistes über den Körper? Dann fiel der Sieg aber recht jämmerlich aus... Naja, bis zu diesem ultimativ letzten Teil hatte ich mich ja recht wacker geschlagen und so kam ich nach dem Duschen zu dem Schluß, dass ich zwar nicht jedes Wochenende so einen Lehrgang vertragen könnte, aber vielleicht einmal im Monat!!?!?!?!!
Zum Schluß möchte ich an ALLE Oberstufen-Teilnehmer appellieren, sich diesen Lehrgang nächstes Jahr NICHT entgehen zu lassen. Wenn sich der eine oder andere vielleicht von meiner "dramatischen" Schilderung abgeschreckt fühlt: Übertreibung ist ja auch ein rhetorisches Mittel....und in wieweit man sich verausgaben möchte und alles geben will, das bleibt ja jedem selbst überlassen. Diesmal haben sich wohl viele Teilnehmer sehr kurzfristig angemeldet, so dass es sehr schwierig war, den Lehrgang -besonders in Bezug auf das Essen- vorzubereiten. Wenn ich bei dem einen oder anderen das Interesse geweckt habe, nächstes Jahr mitzumachen, meldet euch bitte fristgerecht an!
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JKA-Cup 2003
Sie waren zu sechst und sie kamen, um zu siegen
von Icky
...so oder ähnlich könnte der Titel lauten, wenn ein Film über unseren, nennen wir es mal: JKA-Cup-Ausflug gedreht würde.
In den Hauptrollen Christian Dorn, Beatrix Zumbült, Stefan Schulz, Heide Vogel, Michi Maibaum und das Icky. Ort des Geschehens: Bottrop, unweit der Warner Bros. Movie-World, quasi auf dem Sprung nach Hollywood! Wir kamen also, um zu siegen - und es sollte ein Sieg werden!
Sollten wir alle als Turniersieger hervorgehen??? Weit gefehlt! Aber wir besiegten den größten Feind der Zivilisation: den inneren Schweinehund!
Ein jeder von euch weiss: es kostet eine Menge Überwindung, sich für ein Turnier zu melden. Und dann noch der JKA-Cup! Muss ich das eigentlich wirklich haben? So ein Turnier mit größtenteils hochkarätigen Gegnerinnen? Einen kompletten Samstag ohne auszuschlafen in einer kalten, zugigen Halle, ohne gescheites Essen? Mich auf den Präsentierteller stellen und verhauen lassen und das mit 35 Jahren??? Gibts an einem supersonnigen, blauhimmeligen Samstag im November echt nix Besseres? Gibt es nicht!
2 Nächte vorher schlecht geschlafen, die Familie verrückt gemacht mit Nervosität....das war schon echt ne Überlegung wert, ob man den Start nicht vielleicht auf nächstes Jahr vertagen sollte....??? Aber nein! Jetzt hat der Thorsten uns angemeldet, da gibts kein Zurück mehr! Schließlich mache ich jetzt schon so viele Jahre Karate, da will ich unbedingt ein wenig Kampferfahrung sammeln. Also nicht nur Kata und Khion, nicht nur Kuschel-Kumite im Dojo und anschließend gemütlich ein Bierchen trinken, nein, auch mal so richtig fies und gemein auswärts auf Turnieren!
Christians Kumite-Leistung wurde ja schon per Presse-Mitteilung und im letzten Dojo-Info lobend erwähnt! Was war der happy, als er erfuhr, dass er weitergekommen war! Dass der letzte Gegner dann so schnell und gut war, spricht für das allgemein hohe Level bei dem Turnier. Christian hat sich jedenfalls super geschlagen und wir haben alle mit ihm gezittert und uns mit ihm gefreut!
Bei uns anderen lief es dann zumindest rein netto und erfolgstechnisch nicht so pralle. Hier trennt sich halt die Spreu vom Weizen: im Dojo vielleicht ganz gut drauf, aber so unter den Kaderleuten merkt man dann, dass man noch viel, viel üben muss und dass man es selbst dann vielleicht nie mit diesen Top-Leuten aufnehmen kann. Aber darauf kommts ja letztendlich auch nicht an. Auf das Turnier hingearbeitet zu haben und selber das Äusserste und Beste gegeben zu haben, das ist meiner Meinung nach das Wichtigste.
Und alles gegeben haben wir! Wenn auch z. B. der Stefan nicht so zufrieden mit sich selbst war. Dabei kam er in der Kata-Disziplin eine Runde weiter und schied dann erst nach einem Stechen aus. Ich finde, das ist eine respektable Leistung! Ebenso Michi: drei schöne Heian-Katas hat er geboten. Wegen einem kleinen Wackler schied auch er dann leider aus! Schade, ich hatte mich schon auf eine schöne Empi von ihm gefreut!
Ich hatte als Kata-Gegnerin Fiorella de Fiore (aber bitte mit Sahne!), die letztes Jahr den dritten Platz belegte! Sie stand eindeutig tiefer und schöner als ich und ich hatte darum leider keine Schnitte! Naja, und die Heian Nidan hatte ich auch schon mal besser gemacht!
Heide wollte eigentlich gar nicht Kata starten. Sie war aber gemeldet und wurde aufgerufen. Beim dritten Aufruf hielt es sie dann nicht mehr auf der Bank und sie ging doch tapfer auf die Kampffläche, legte eine ordentliche Heian Sandan hin, kam leider aber auch nicht weiter.
Auch Beatrix und Christian schieden leider aus. Aber wenn man deren Gegner so vor Augen hat....also das sind echt Leute, die sich viel intensiver mit Karate befassen können, Kadermitglieder und so. Vielleicht sind sie einfach auch talentierter als unsereins, wer weiß. Ist auch egal. Zumindest zwischen mir und z.B. den Finalisten liegen echt Welten. So viel kann ich in meinem ganzen Leben nicht trainieren, um so gut zu werden. War echt eine Augenweide! Aber, dass viele von uns in Kata nicht superweit kommen, war irgendwie allen klar. Im Kumite hätten wir uns vielleicht schon etwas mehr Erfolg gewünscht. Thorsten kam aber gleich schon nach Ansicht der Starterliste zu mir und schüttelte mitleidig den Kopf: Sorry, Icky, aber bei dem Mannschaftskampf startest du gleich gegen Britt Weingard. Oh, den Namen hatte ich doch schonmal irgendwo gelesen: richtig! Da fiel es mir -leider- wieder ein. Im JKA-Magazin war ein Artikel über die Weltmeisterschaft. Sie hat dort leider nur den zweiten Platz gemacht! Ich sollte jetzt also gegen die Vize-Weltmeisterin kämpfen, nee, ist klar...! Thorsten grinste noch einmal schwach und meinte, ich sollte so kämpfen wie immer, angreifen und es ihr so schwer wie möglich machen. Das tat ich dann auch, uups, als sie so vor mir stand, war ich ja doch beeindruckt! Eine stattliche und imposante Person....nun, egal, ATACKE!!!!! Kizami und Gyaku-Tsuki und woooooooooms, hat sie mich abgekontert! Ich dachte nur: jau, der ist drin, da gibts nix zu zweifeln. Dasselbe wiederholten wir dann genau so noch einmal und nach ca. 10 Sekunden war der Kampf beendet. Sieg für Britt Weingard! Natürlich! Gleich darauf hatte Beatrix ihren ersten Kampf gegen Tina Mann! Sie sagt, sie sei jetzt dreimal beim JKA-Cup gestartet und jedesmal war ihre erste Gegnerin Tina Mann. Tina Mann und Britt Weingard, ich glaube, da tut sich nicht viel zwischen den beiden, sie sind ähnlich stark und erfolgreich, und das schon seit vielen Jahren. Da wird nicht lange gefackelt, da ist keine Zeit für freundliches Bitte und Danke, da gehts zack-zack und der Kampf ist vorbei. Beatrix ging es dann ähnlich wie mir.
....aber die Heide! Sie war die einzige in unserem Damen-Team, die einen Sieg vermelden kann! Weiter so!
Unsere Herren-Mannschaft kam immerhin eine Runde weiter, dann war aber auch hier nichts mehr zu holen. Im Kumite-Einzel sind wir alle glaube ich, bis auf Christian natürlich, in der ersten Runde rausgeflogen. Ich hatte hier das Vergnügen, gegen Anika Lapp kämpfen zu dürfen. Sie war laut JKA-Magazin die DM-Dritte und siegte beim diesjährigen JKA-Cup später dann auch in dieser Disziplin. War ja klar, dass dieser Kampf ähnlich verlaufen sollte wie der gegen Britt Weingard. Tsuki, Konter, wazari und das zweimal. Tja, und tschüss, Icky!
Für mich persönlich war das Turnier eine tolle Erfahrung. Ich würde es gerne wiederholen. Vielleicht ja direkt nächtes Jahr....wann hat man schon mal die Gelegenheit, gegen Vize-Weltmeister oder andere Top-Athleten anzutreten? Das wäre ja so, als wenn man auf dem Nürburgring mal ein paar Runden mit Schumi oder Frentzen um die Wette fahren dürfte! Was mich aber fast noch mehr beeindruckt hat, als die Top-Kaderleute waren Leute wie Erwin Querl, der da eine echt tolle Figur machte! Sowohl in Kata als auch in Kumite konnte man echt sehen, dass er noch lange zu den Besten zählt!
Auch wenn wir keine Pötte oder Medallien nach Hause bringen konnten, war wohl keiner ernsthaft geknickt oder enttäuscht. Bis auf ein blaues Auge waren wir alle unverletzt. Christian hat das Fazit des Turniers wohl am Besten auf den Punkt gebracht: Wir gewinnen zwar nicht, aber dafür sehen wir besser aus!
von Icky
...so oder ähnlich könnte der Titel lauten, wenn ein Film über unseren, nennen wir es mal: JKA-Cup-Ausflug gedreht würde.
In den Hauptrollen Christian Dorn, Beatrix Zumbült, Stefan Schulz, Heide Vogel, Michi Maibaum und das Icky. Ort des Geschehens: Bottrop, unweit der Warner Bros. Movie-World, quasi auf dem Sprung nach Hollywood! Wir kamen also, um zu siegen - und es sollte ein Sieg werden!
Sollten wir alle als Turniersieger hervorgehen??? Weit gefehlt! Aber wir besiegten den größten Feind der Zivilisation: den inneren Schweinehund!
Ein jeder von euch weiss: es kostet eine Menge Überwindung, sich für ein Turnier zu melden. Und dann noch der JKA-Cup! Muss ich das eigentlich wirklich haben? So ein Turnier mit größtenteils hochkarätigen Gegnerinnen? Einen kompletten Samstag ohne auszuschlafen in einer kalten, zugigen Halle, ohne gescheites Essen? Mich auf den Präsentierteller stellen und verhauen lassen und das mit 35 Jahren??? Gibts an einem supersonnigen, blauhimmeligen Samstag im November echt nix Besseres? Gibt es nicht!
2 Nächte vorher schlecht geschlafen, die Familie verrückt gemacht mit Nervosität....das war schon echt ne Überlegung wert, ob man den Start nicht vielleicht auf nächstes Jahr vertagen sollte....??? Aber nein! Jetzt hat der Thorsten uns angemeldet, da gibts kein Zurück mehr! Schließlich mache ich jetzt schon so viele Jahre Karate, da will ich unbedingt ein wenig Kampferfahrung sammeln. Also nicht nur Kata und Khion, nicht nur Kuschel-Kumite im Dojo und anschließend gemütlich ein Bierchen trinken, nein, auch mal so richtig fies und gemein auswärts auf Turnieren!
Christians Kumite-Leistung wurde ja schon per Presse-Mitteilung und im letzten Dojo-Info lobend erwähnt! Was war der happy, als er erfuhr, dass er weitergekommen war! Dass der letzte Gegner dann so schnell und gut war, spricht für das allgemein hohe Level bei dem Turnier. Christian hat sich jedenfalls super geschlagen und wir haben alle mit ihm gezittert und uns mit ihm gefreut!
Bei uns anderen lief es dann zumindest rein netto und erfolgstechnisch nicht so pralle. Hier trennt sich halt die Spreu vom Weizen: im Dojo vielleicht ganz gut drauf, aber so unter den Kaderleuten merkt man dann, dass man noch viel, viel üben muss und dass man es selbst dann vielleicht nie mit diesen Top-Leuten aufnehmen kann. Aber darauf kommts ja letztendlich auch nicht an. Auf das Turnier hingearbeitet zu haben und selber das Äusserste und Beste gegeben zu haben, das ist meiner Meinung nach das Wichtigste.
Und alles gegeben haben wir! Wenn auch z. B. der Stefan nicht so zufrieden mit sich selbst war. Dabei kam er in der Kata-Disziplin eine Runde weiter und schied dann erst nach einem Stechen aus. Ich finde, das ist eine respektable Leistung! Ebenso Michi: drei schöne Heian-Katas hat er geboten. Wegen einem kleinen Wackler schied auch er dann leider aus! Schade, ich hatte mich schon auf eine schöne Empi von ihm gefreut!
Ich hatte als Kata-Gegnerin Fiorella de Fiore (aber bitte mit Sahne!), die letztes Jahr den dritten Platz belegte! Sie stand eindeutig tiefer und schöner als ich und ich hatte darum leider keine Schnitte! Naja, und die Heian Nidan hatte ich auch schon mal besser gemacht!
Heide wollte eigentlich gar nicht Kata starten. Sie war aber gemeldet und wurde aufgerufen. Beim dritten Aufruf hielt es sie dann nicht mehr auf der Bank und sie ging doch tapfer auf die Kampffläche, legte eine ordentliche Heian Sandan hin, kam leider aber auch nicht weiter.
Auch Beatrix und Christian schieden leider aus. Aber wenn man deren Gegner so vor Augen hat....also das sind echt Leute, die sich viel intensiver mit Karate befassen können, Kadermitglieder und so. Vielleicht sind sie einfach auch talentierter als unsereins, wer weiß. Ist auch egal. Zumindest zwischen mir und z.B. den Finalisten liegen echt Welten. So viel kann ich in meinem ganzen Leben nicht trainieren, um so gut zu werden. War echt eine Augenweide! Aber, dass viele von uns in Kata nicht superweit kommen, war irgendwie allen klar. Im Kumite hätten wir uns vielleicht schon etwas mehr Erfolg gewünscht. Thorsten kam aber gleich schon nach Ansicht der Starterliste zu mir und schüttelte mitleidig den Kopf: Sorry, Icky, aber bei dem Mannschaftskampf startest du gleich gegen Britt Weingard. Oh, den Namen hatte ich doch schonmal irgendwo gelesen: richtig! Da fiel es mir -leider- wieder ein. Im JKA-Magazin war ein Artikel über die Weltmeisterschaft. Sie hat dort leider nur den zweiten Platz gemacht! Ich sollte jetzt also gegen die Vize-Weltmeisterin kämpfen, nee, ist klar...! Thorsten grinste noch einmal schwach und meinte, ich sollte so kämpfen wie immer, angreifen und es ihr so schwer wie möglich machen. Das tat ich dann auch, uups, als sie so vor mir stand, war ich ja doch beeindruckt! Eine stattliche und imposante Person....nun, egal, ATACKE!!!!! Kizami und Gyaku-Tsuki und woooooooooms, hat sie mich abgekontert! Ich dachte nur: jau, der ist drin, da gibts nix zu zweifeln. Dasselbe wiederholten wir dann genau so noch einmal und nach ca. 10 Sekunden war der Kampf beendet. Sieg für Britt Weingard! Natürlich! Gleich darauf hatte Beatrix ihren ersten Kampf gegen Tina Mann! Sie sagt, sie sei jetzt dreimal beim JKA-Cup gestartet und jedesmal war ihre erste Gegnerin Tina Mann. Tina Mann und Britt Weingard, ich glaube, da tut sich nicht viel zwischen den beiden, sie sind ähnlich stark und erfolgreich, und das schon seit vielen Jahren. Da wird nicht lange gefackelt, da ist keine Zeit für freundliches Bitte und Danke, da gehts zack-zack und der Kampf ist vorbei. Beatrix ging es dann ähnlich wie mir.
....aber die Heide! Sie war die einzige in unserem Damen-Team, die einen Sieg vermelden kann! Weiter so!
Unsere Herren-Mannschaft kam immerhin eine Runde weiter, dann war aber auch hier nichts mehr zu holen. Im Kumite-Einzel sind wir alle glaube ich, bis auf Christian natürlich, in der ersten Runde rausgeflogen. Ich hatte hier das Vergnügen, gegen Anika Lapp kämpfen zu dürfen. Sie war laut JKA-Magazin die DM-Dritte und siegte beim diesjährigen JKA-Cup später dann auch in dieser Disziplin. War ja klar, dass dieser Kampf ähnlich verlaufen sollte wie der gegen Britt Weingard. Tsuki, Konter, wazari und das zweimal. Tja, und tschüss, Icky!
Für mich persönlich war das Turnier eine tolle Erfahrung. Ich würde es gerne wiederholen. Vielleicht ja direkt nächtes Jahr....wann hat man schon mal die Gelegenheit, gegen Vize-Weltmeister oder andere Top-Athleten anzutreten? Das wäre ja so, als wenn man auf dem Nürburgring mal ein paar Runden mit Schumi oder Frentzen um die Wette fahren dürfte! Was mich aber fast noch mehr beeindruckt hat, als die Top-Kaderleute waren Leute wie Erwin Querl, der da eine echt tolle Figur machte! Sowohl in Kata als auch in Kumite konnte man echt sehen, dass er noch lange zu den Besten zählt!
Auch wenn wir keine Pötte oder Medallien nach Hause bringen konnten, war wohl keiner ernsthaft geknickt oder enttäuscht. Bis auf ein blaues Auge waren wir alle unverletzt. Christian hat das Fazit des Turniers wohl am Besten auf den Punkt gebracht: Wir gewinnen zwar nicht, aber dafür sehen wir besser aus!
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